Ich dachte mir, das beste, um die Großartigkeit der Chinesischen Mauer zu erleben, ist sicherlich, auf ihr entlangzuwandern. Und ich hatte schon abenteuerliche Geschichten gehört, also mache ich mich auf zu einem einsamen Abschnitt bei Huanghua. Anfangs ist die Mauer in gutem Zustand, es geht steil einen Berg hinauf. Später aber ist sie sehr zerfallen oder nur noch Schutt, bis sie hin und wieder ganz verschwindet und erst auf dem nächsten Berg zu sehen ist. Ich schlage mich durch dichten Wald, verliere auch mal meinen total zugewachsenen Pfad und finde ihn wieder, bekomme überall Kratzer von den Dornen, die Nähte von meinen Schuhen platzen auf und mein Shirt ist zerrissen.
Schließlich übernachte ich in einem halb zerfallenen Wachturm. Am nächsten Morgen geht es in eine steile, tiefe Schlucht hinab und ich habe weder Wasser (es war verdammt heiß) übrig, noch Motivation und so folge ich die Straße, bis ich einen Bus zu meinem ursprünglichen Ziel finde: Mutianyu. Etwas touristisch, mit Seilbahnen und Sommerrodelbahn, ist die Mauer hier hübsch renoviert. Auf der einen Seite laufe ich, die Verbotsschilder ignorierend, bis zum höchsten Hügel und verbringe dort mit phantastischem Blick in einem Turm die zweite Nacht. Nach Sonnenaufgang laufe ich spontan noch 6 Stunden in dieselbe Richtung weiter: Die Mauer ist hier meist recht gut erhalten und ein Pfad führt durch die auf ihr wachsenden Büsche. Zunächst geht es über einige hohe Kalksteinfelsen und zum Teil muss ich auch mal klettern. An einer völlig abgelegenen Stelle überrascht mich ein Getränkeverkäufer. Dann endlos auf und ab…
Die Mauer entstand schon im 3. Jh. v. Chr., wurde aber im 14. bis 16. Jh. ausgebaut. Natürlich hat sie, die ja die Barbaren aus dem Norden abwehren sollte, nicht viel genutzt: immerhin zweimal hatten die Nomaden aus dem Norden ganz China erobert und Dynastien gegründet. Zu Zeiten Marco Polos herrschten die Mongolen sogar über fast ganz Asien.