Kuba

Rundreise über die Insel mit Havanna, Viñales, Cienfuegos, Trinidad, Santiago de Cuba, Baracoa und Santa Clara

Malecón, Havanna
Malecón, Havanna

Ist es nicht faszinierend, wie hartnäckig dieses kleine Land und seine Bewohner allem, was über sie hereinbricht, trotzen? Der Zusammenbruch der Sowjetunion, Wirtschaftsblockade, der damit verbundene Mangel… Wer weiß schon, was passiert, wenn Fidel nicht mehr da ist, allerhöchste Zeit dachte ich, auf dieser grünen, von den türkisfarbenen Wassern der Karibik umspülten Insel einen Mojito auf die Revolution zu trinken. Die Vergangenheit ist in Kuba so präsent wie kaum anderswo. Große Propagandatafeln preisen Che und die Revolution, Salsa- und Trova schallt live aus den Kneipen (gewisse Hits von Buena Vista Social Club kann ich allerdings nach 4 Wochen nicht mehr hören), Pferdekutschen und 50 Jahre alte Autos rumpeln durch die Straßen zwischen hübschen Kolonialhäusern, an denen der Zahn der Zeit nagt…

Havanna
Havanna

Havanna, allein der Klang des Namens ist ein Genuss, den man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. In den Gassen ein quirliges Leben inmitten der morbiden Pracht halbverfallener Paläste, Wäsche flattert von den Balkonen, uralte Autos rappeln vorbei, hier ein Tischlerei-Kollektiv, dort eine Schuhfabrik hinter Art-Deco oder neoklassizistischen Fassaden, von denen der Putz bröckelt. Die Gegend um die vier Hauptplätze der Altstadt hingegen, zwischen der elegant geschwungenen barocken Kathedrale, der Plaza des Armas, einst Zentrum der Macht, und der Plaza Vieja, ist fein herausgeputzt und von Touristenmassen frequentiert. Knapp außerhalb der ehemaligen Stadtmauern liegen prunkvolle Bauten wie das Kapitol (mehr oder weniger eine Kopie von Washington), das Theater und der von Palästen gesäumte Prado, der zum Meer führt. Dort hat man einen guten Blick entlang des Malecón, eine Uferstraße, die von vielen mit Havanna gleichgesetzt wird.

Plaza de Armas, Havanna
Plaza de Armas, Havanna

Drei Stunden westlich liegt das Städtchen Viñales, auf den Verandas der einstöckigen Häuser die höchste Dichte an Schaukelstühlen, die ich je gesehen habe. Im Hintergrund eine Reihe von Kalkbergen, die entfernt an Guilin erinnern, wenn auch bei weitem nicht so spektakulär. Dies ist das Zentrum des Tabakanbaus, es gedeihen aber auch Kaffee und Zucker. In den abgelegenen Kieferwäldern mach ich meine erste Bekanntschaft mit dem winzigen Bienenkolibri: der kleinste Vogel der Welt.

Viñales
Viñales

Cienfuegos liegt auf einer Halbinsel in einer weiten Bucht. Die in kitschigen Farben bemalten neoklassizistischen Fassaden sind so klein, dass die Säulen nicht monumental, sondern eher niedlich wirken.

Cienfuegos
Cienfuegos
Trinidad
Trinidad

Das malerische Trinidad ist für die Touristen die Kolonialstadt schlechthin. Hübsch gelegen zwischen Meer und Bergen führen die Kopfsteinpflastergassen auf und ab zwischen den großen Häusern der Zuckerbarone, die vor allem im 19. Jh. der Stadt ihren auf Sklavenarbeit beruhenden Reichtum bescherten. Hier schaffe ich es auch endlich einmal an den Strand, in Kuba mehr oder weniger die exklusive Domäne der all-inklusive Touristen.

Trinidad
Trinidad

Das geschichtsträchtige Santiago de Cuba liegt am Ende einer langgestreckten Bucht, hinter der sich die Berge der Sierra Maestra erheben. Im 16. Jh war sie die Hauptstadt Kubas, von hier segelte Cortes los, um Mexiko zu erobern. Hier entstanden die Rhythmen kubanischer Musik, hier war eines der Zentren im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien, hier begann mit dem hoffnungslos missglückten Angriff auf die Moncada-Kaserne Fidels bewaffneter Kampf gegen die Diktatur Batistas. Die Bucht ist durch das beeindruckende Castillo de San Pedro del Morro mehr oder weniger vor Piraten geschützt (alle kubanische Städte wurden mindestens einmal geplündert). Von hier hat man einen beeindruckenden Blick die wilde Küste entlang auf die Sierra Maestra.

Santiago de Cuba
Santiago de Cuba
Santiago de Cuba
Santiago de Cuba

Baracoa liegt im wahrsten Sinne im hintersten Winkel der Insel, zwar war hier die erste von den Spaniern gegründete Siedlung, doch diese versank durch die abgelegene Lage schnell in der Bedeutungslosigkeit. Doch gerade diese Lage zieht heute die Touristen an: einige malerische Buchten, hin und wieder ein schöner Strand, breite Flüsse mit Mangroven in den Mündungen und dahinter die von tropischer Vegetation bewachsenen Berge. In der Nähe wandere ich mit einer kleinen Gruppe durch den Parque National Alejandro de Humboldt. Hier gibt es über 400 endemische Tier- und Pflanzenarten, darunter Baumfarne. Mir gehen allerdings zwei ältere Herren auf den Keks, die sich ohne Atempause in breitem schottischen bzw. australischem Akzent ihre Reisestorys erzählen. Zum Trocadero, einem großen bunten Vogel, den es nur auf Kuba gibt, meint der eine: „bei mir zu Hause gibt es so viele bunte Vögel, ein Trip in den Urwald ist immer etwas enttäuschend für mich“ und erzählt weiter von den Puma-Spuren, die er in Guatemala gefunden hat….

Baracoa
Baracoa
Parque National Alejandro de Humboldt
Parque National Alejandro de Humboldt
Parque National Alejandro de Humboldt
Parque National Alejandro de Humboldt

Auf dem Weg zurück nach Westen mache ich Halt in Camagüey, ein weiteres Kolonialstädtchen, diesmal mit gebogenen Straßen, aber auch das konnte die Piraten nicht verwirren…

Zu guter Letzt noch Santa Clara: Fidel schickte vor etwa 50 Jahren Che mit einigen Kämpfern aus den Bergen der Sierra Maestra los, um im Zentrum der Insel eine neue Front aufzubauen und die Kommunikation zwischen Ost und West zu unterbrechen. Völlig abgewetzt nach einem langen Marsch durch den Sumpf kamen sie an, nur wenig später eroberten sie die Stadt Santa Clara gegen eine gut ausgerüstete Übermacht. Einen Zug der Armee ließen sie aus den Gleisen hüpfen, die Panzer hatten in den engen Straßen keine Chance. Der Verlust der ersten Großstadt an die Rebellen war für den Diktator Battista so heikel, dass er noch am selben Tag aus dem Land floh. Die Revolution hatte damit gewonnen. Kein Wunder, dass hier Che und einige weitere in Bolivien ausgegrabene Guerrilleros ihre letzte Ruhestätte fanden. Auf dem Monument selbst steht Che aus Bronze, dazu läuft die passende Musik: „de tu querida presencia Comandante Che Guevara„…

Che

Wie die Zukunft Kubas wohl aussieht? Einen schnellen Zusammenbruch wird es vermutlich nicht geben, sondern langsame Reformen. Vielleicht weniger Repression und Überwachung. Es ist zu hoffen, dass die Errungenschaften wie das trotz Mangel hervorragende kostenlose Gesundheitssystem und die gute Bildung bleiben. Eine ehemalige Lehrerin erzählte mir beispielsweise, dass immer mehr Lehrer aus den Schulen gehen: jetzt hat sie eine Pension und verdient wesentlich mehr. Die Löhne sind lächerlich im Vergleich zu den von Touristen verteilten Trinkgeldern, kein Wunder, dass viele versuchen, davon zu profitieren. Taxi? Cigars? Una chica? Dazu kommt das merkwürdige mehrgleisige System, es gibt noch immer Lebensmittel auf Rationalisierungskarte und dazu gleich zwei verschiedene Währungen: den Peso und für die Touristen den Convertible. Touristen bezahlen manchmal denselben Betrag in Convertible, was mehr als das zwanzigfache ist. Dafür gibt es in den Läden, in denen mit Convertible bezahlt werden muss, Luxusgüter vom Fernseher bis zum Brühwürfel, während die Schaufenster der Pesoläden ziemlich leer sind. Ein Schaufensterbummel in einer Provinzstadt ist durchaus lohnend: Es wird ein merkwürdiges, kaum zusammenpassendes Warenangebot präsentiert, Seife, Dichtungsringe und Dosenfleisch… Wer nicht mit Touristen zu tun hat, kann sich kaum die teuren Convertible-Läden leisten, entsprechend hat sich in Kuba eine Zweiklassengesellschaft entwickelt.

Schaufenster
Schaufenster

Immerhin erholt sich die Wirtschaft langsam vom Schock, den der Zusammenbruch der Sowjetunion bewirkte, auch wenn sie auf kaum mehr als Zucker und Tourismus beruht. Die Blockade des großen Nachbarn lastet weiterhin hart. Das Transportsystem ist völlig überlastet, während Touristen in chinesischen Aircon-Bussen chauffiert werden, nehmen die Kubaner alles, was fährt: nicht nur Busse und die uralten amerikanischen Schlitten, sondern auch Lastwägen und Pferdekutschen. Die neue Hoffnung ist das Venezuela von Chavez, das Öl gegen Lehrer und Ärzte tauscht. Aber für wie lange? Viele Kubaner vergleichen sich mit den reichen Touristen, nicht mit den armen Ländern Lateinamerikas, wünschen sich eigene Autos und MP3-Player. Wie realistisch das auch sein mag…

Kaum bin ich zu Hause, tritt Fidel ab. So was, ich hätte gedacht, dass er bis zum 50-jährigen Jubiläum der Revolution in einem Jahr durchhält.