Es war ein schwarzer Tag für Regenschirme. Eiskalte Windböen peitschten den Regen durch die Gassen von Brügge. Sie raubten den Bäumen ihr goldenes Herbstlaub und zerrten an den Bauplanen, die gespenstig am Turm der Onze-Lieve-Vrouwekerk flatterten. Wir waren zwei von unzähligen Tagesausflüglern, die der Feiertag zum Waffenstillstand (1. Weltkrieg) in das pittoreske Städtchen gespült hatte und die nun unter ihren Schirmen umher tanzten. Wir versuchten, den Schirm so dicht über den Kopf zu halten, dass von den prachtvollen Fassaden nichts zu sehen war, und wurden trotzdem nass. So sahen wir mehr vom Kopfsteinsteinpflaster. Umso besser waren die Ausblicke, wenn wir bei einer Böe abhoben und über einige Häuserblöcke hinwegflogen. Am Nachmittag war das Skelett des Schirms derart verbogen und zerbrochen, dass sein Nylon wie die Haut über einem Gerippe wirkte. Wie Fossilien säumten inzwischen unzählige Schirmleichen den Straßenrand, ein Massensterben wie zum Ende der Kreidezeit.
Abgesehen von Brügge hatten wir aber Glück mit dem Wetter, die Grand Place in Brüssel und der Grote Markt in Antwerpen waren trockener. In Antwerpen dreht sich alles um Diamanten, Rubens und alte Bücher. Geschliffen werden in der Stadt nur noch die größten Klunker, aber noch immer werden rund 80 % aller Rohdiamanten und 50 % aller geschliffenen Diamanten in den Straßen um den Hauptbahnhof gehandelt (behauptet das Diamantenmuseum, das könnte sich mit der neuen Diamantenbörse in Bombay geändert haben). Ein typischer Brillant kommt aus einer riesigen Mine z.B. in Kanada, Russland oder Botswana nach Antwerpen, wandert von hier zu einem Schleifer, vermutlich in Bombay, kommt erneut nach Antwerpen und landet erst danach in einem Schaufenster in New York oder Paris. Leider ist das Diamantenmuseum kein didaktisches Meisterwerk, spannender war der Rundgang durch Plantin-Moretus, die einzige aus der Renaissance und dem Barock erhaltene Druckerei.
Wir genossen Memeling und Magritte, Rubens und Bruegel. Ich lerne, dass Magritte die Inspiration für seine anonymen Männer mit Hut aus einem Comic hatte und frage mich, ob der belgische Comickult auf flämische Maler wie Bruegel zurückzuführen ist.
Mit Muscheln und Fritten, Bier und Pralinen wird all die Kultur gut abgerundet. Das Bier schmeckt würzig und oft meint man, dass jemand ein Glas Schnaps dazugeschüttet hätte.