Die Bilder der Granitspitzen von Cerro Torre und Fitz Roy geistern sicherlich jedem Bergfreund durch den Kopf. Es muss ja nicht gleich der Gipfel sein, den erreichen bei beiden Bergen nur wenige. Doch schon der Blick von unten ist schon ein Traum (s.a. Bewegte Bergwelt). Dabei sind die besten Ansichten sogar als Tageswanderung von El Chalten zu erreichen, aber es ist natürlich schöner, Zelt und Proviant für ein paar Tage in den Rucksack zu packen und Aussicht für Aussicht abzuwandern. Und auch mal ein, zwei Tage auf besseres Wetter zu warten …
Als Erstes versuche ich mein Glück mit dem Aussichtsberg Loma del Pliegue Tumbado, von dem man an einem guten Tag einen Überblick auf beide Berge und die darunter liegende Laguna Torre hat. Ich sehe aber vor allem Wolkenberge … Am Nachmittag wandere ich zur Laguna Torre, wo natürlich auch nicht mehr zu sehen ist, aber wenn Bergsteiger hier wochenlang auf gutes Wetter warten, kann ich wohl kaum etwas anderes erwarten, entsprechend habe ich extra Lebensmittel und ein gutes Buch dabei. Zwei Tage später erwische ich dann den perfekten wolkenfreien Sonnenaufgang. Kein Wind, der Berg spiegelt sich im See, in dem kleine Eisberge schwimmen. Und was für ein Berg, diese mit Eis verzierte Granitnadel, ein unglaublicher Anblick! Die Geschichten von der angezweifelten Erstbesteigung, der Kompressorroute und den von Puristen wieder entfernten Nägeln sind ja bekannt, in diesem Moment denke ich nicht daran, sondern nehme nur die Schönheit des Berges auf. Mit den Augen und mit der Kamera.
Jetzt habe ich schon mehrfach beobachtet, wie Leute ihr iBrett vor den Kopf halten, um ein Foto zu schießen, so auch hier. Scheint ein neuer Trend zu sein! Mit beiden Händen, als wollten sie das Internet den Berg hinauffahren. Wifi gibt es aber an den Gletscherseen Patagoniens meines Wissens noch nicht …
Weiter geht es relativ flach an der Basis des Fitz Roy entlang zum Camp Poincenot. Am Nachmittag sitze ich an der erstaunlicherweise kaum besuchten Laguna Sucia, türkisblaues Wasser voller Minieisberge, dahinter ragt der Fitz Roy in den perfekt blauen Himmel auf. Regelmäßig rauschen Lawinen vom Hängegletscher in den See.
Die bekannteste Aussicht auf den Berg ist jedoch von der etwas höher gelegenen Laguna de los Tres, bei der ich pünktlich zum nächsten Sonnenaufgang stehe. Allerdings fällt dieser aufgrund der Wolken aus, sieht nach einem grauen Tag aus. Der See ist noch zugefroren, ein ganz anderer Anblick als auf den Fotos, die ich bisher gesehen habe. Später lockert sich die Bewölkung auf und ich steige ein zweites Mal zum See auf, der Gipfel bleibt aber leider verhüllt. Nun wandere ich auf die Nordseite des Berges und baue mein Zelt an der Piedra del Fraile auf.
Am Abend stürme ich noch zum Paso del Cuadrado hinauf, von dem sich ein großartiger Blick auf die Nordwand des Berges und auf die Gletscher am Torre Piergiorgio bietet. Das waren mehr als 2000 Höhenmeter an einem Tag, ich schlafe so fest, dass ich kaum den aufkommenden Sturm bemerke.
Am Morgen ist das Wetter dann wirklich so wie sein Ruf, stürmisch und nass. Statt auf dem Rückweg der Laguna de los Tres eine weitere Chance zu geben, laufe ich zur Straße und trampe zurück nach El Chalten.
Der Laguna de los Tres gebe ich dann schließlich nach einer Nacht im Trockenen noch zwei weitere Chancen und erwische tatsächlich doch noch einen perfekten Sonnenaufgang. Das Eis hat sich inzwischen teilweise in malerische Eisschollen aufgelöst, darüber leuchtet der Fitz Roy orange auf. Wenige Stunden später, während ich zurück zum Dorf laufe, ist dieser wieder in den Wolken verschwunden.
Am Tag zuvor hatte es heftig gestürmt, auf die Stöcke gestützt bin ich im 45°-Winkel über die Endmoräne gekrabbelt und habe mich dabei wie ein Insekt gefühlt, das zwei Beine verloren hat und nicht genau weiß, wie es sich mit vier Beinen bewegen soll. Hin und wieder halte ich die Kamera gegen den Wind, um ein Foto von der rot leuchtenden Wolke zu machen, in der sich der Berg versteckt, aber die Bilder sind hoffnungslos verwackelt.
Fitz Roy war übrigens der Käpt’n der Beagle, von dem sich Charles Darwin durch die Gegend schippern ließ. Die Expedition erreichte sogar beinahe den Lago Argentino, den großen See bei El Calafate, indem sie ein Boot den Fluss hinauf zogen. Den ähnlich großen Lago Viedma erreichten sie aber nicht und damit kamen sie nicht auf Sichtweite des Berges. Ursprünglich hieß der Berg El Chalten, der rauchende, so wie nun das Dorf unterhalb heißt. Dieses wurde erst 1985 gegründet, um bei den Grenzstreitigkeiten mit Chile irgendwelchen Ansprüchen zuvorzukommen. Das Dorf ist kräftig am wachsen, überall wird gebaut und es macht wohl jedes Jahr mindestens ein neues Hostel auf. Die Straßenbrücken hier in der Gegend und der Asphalt auf der Straße sind auch erst 10 Jahre alt! Die meisten Einwohner sind allerdings nur im Sommer hier.
Zu guter Letzt mache ich noch eine Tour zum Gletscher Viedma, einem der größten der vielen Gletscherzungen, die vom Inlandeis herunterkommen. Per Schiff geht es über den Lago Viedma (der etwa so groß ist wie der Bodensee), dann machen wir einen Mini-Spaziergang auf dem Gletscher. Die Tour fand ich allerdings etwas enttäuschend.
Ein weiteres Abenteuer ist der notorisch leere Geldautomat von El Chalten. Als er nach ein paar Tagen Ebbe endlich aufgefüllt war, bildete sich in kurzer Zeit eine lange Schlange: Ich musste fast zwei Stunden warten.