Wurde aber auch Zeit, dass ich den Kanarischen Inseln einen Besuch abstatte. Der Teide ist immerhin der höchste Hotspot-Vulkan nach denen von Hawaii und deutlich schneller zu erreichen… Allerdings gibt es auch ein paar wichtige Unterschiede zu Hawaii, beispielsweise ist ein Stratovulkan wie der Teide nicht gerade typisch für einen Hotspot, genauso wenig wie die großen Mengen an hochfraktionierten Magmen (s.a. mein Buch Bewegte Bergwelt). Ein wichtiger Punkt ist natürlich, dass sich die afrikanische Platte sehr langsam bewegt, der Hotspot sozusagen nicht vom Fleck kommt.
Aber handelt es sich überhaupt um einen Hotspot bzw. einen Mantelplume? Es gibt eine Minderheit (?) von Forschern, die das bezweifeln. Etwa passt die Altersabfolge der Inseln nicht ganz, zum Beispiel war La Gomera, das quasi „auf“ dem Hotspot liegt (La Palma ist die aktivste Insel), schon lange nicht mehr aktiv (Tertiär), während die demnach schon etwas weg gewanderten Inseln Lanzerote und Fuerteventura durchaus aktiv sind. Vielleicht sind vielmehr Spannungen in der Lithosphäre für eine Schmelzbildung (in einem evtl. metasomatisch veränderten Mantel) verantwortlich? Die Kanaren liegen in der Verlängerung des Atlasgebirges… Diese alte, nicht ausgestorbene Theorie passt gut in die derzeitige Mode, die Existenz von Mantelplumes insgesamt anzuzweifeln: sind Hotspots wirklich heiß und nicht eher nass? Sind es wirklich spots und nicht eher größere Regionen? Und vor allem, gibt es wirklich Manteldiapire (Plumes), die dünn wie ein Finger aus dem unteren Mantel aufsteigen? Und so weiter. Ob Plume oder nicht, die Fortsetzung der Südatlas-Scherzone (eine Seitenverschiebung) in den Atlantik könnte kontrollieren, wann und wo (durch leichte Dehnung) es zu Eruptionen kommt.
Wie auch immer, auf Teneriffa hatte ich, etwas untypisch für meinen sonstigen Reisestil, ein vorher gebuchtes Hotel im Bergdorf Vilaflor und einen Mietwagen. Ich genoss es durchaus, damit von einem Aussichtspunkt zum nächsten zu brausen und dabei zu versuchen, möglichst gute Lichtverhältnisse zum Fotografieren zu erwischen.
Die meiste Zeit verbrachte ich in der wunderschönen Cañadas-Caldera, einschließlich einer Überschreitung des Teide, die einen eigenen Artikel bekommt. Die Entstehung der Cañadas-Caldera ist nicht minder umstritten, vor allem weil auf der Nordseite (wo der erst danach entstandene Teide steht) der Rand der Caldera fehlt. Handelt es sich wirklich um eine bzw. mehrere Calderen (d.h. um eine Einbruchstruktur nach der Entleerung einer großen Magmakammer) oder um den hufeisenförmigen Rand einer durch einen Bergsturz (Flankenkollaps) verursachten Narbe?
Früher nahmen die meisten Forscher an, dass es sich um zwei Calderen handelt, die durch die Roques de Garcia, einem Rest des alten Cañadas-Vulkans, getrennt sind. Als Mitte der 1990er Jahre im Meer die Fächer der Bergsturzmassen gefunden wurden, schien die Diskussion für die andere Theorie entschieden. Der Rand der Caldera war demnach das obere Ende des durch Bergsturz entstandenen Icod-Tales. Ganz ähnlich wie die Täler von Orotava und Güímar, die schon früher ebenfalls durch Bergstürze entstanden waren.
Inzwischen mehren sich jedoch die Hinweise, dass es sich doch um eine Caldera handelt oder besser gesagt um vermutlich drei Calderen, die nacheinander entstanden. Den Icod-Bergsturz zweifelt zwar niemand an, aber eventuell war dieser kleiner, die Schlusswand des Hufeisens ist demnach unter dem Teide begraben. Außerdem hat es vor dem Bergsturz große Eruptionen gegeben, die jede einzelne für die Entstehung einer Caldera ausreichen.
Offensichtlich verlagerte sich die Aktivität immer weiter nach Nordosten: zuerst entstand die Ucanca-Caldera (westlich der Roques de Garcia), dann die Guajara-Caldera (im Zentrum, östlich der Roques de Garcia) und dann die Diego-Hernández-Caldera (der Nordosten der Cañadas-Caldera). Die bei den dazugehörigen Eruptionen ausgeworfenen Vulkangesteine bauen weitgehend den heutigen Rand der Cañadas-Caldera auf (Gesteine des ursprünglichen Cañadas-Vulkanes gibt es nur im untersten Teil der Felswand), während die Einsturzstrukturen selbst unter den jüngeren Laven des Teide versteckt sind.
Der Icod-Bergsturz fand wohl unmittelbar nach der letzten Caldera-Bildung statt. Eine Spekulation ist, dass er durch die Erschütterungen der Caldera-Bildung ausgelöst wurde, vielleicht passierte das aber auch später und unabhängig davon, denn nach einem anderen Modell (dessen Autoren die Calderawand für die Narbe des Bergsturzes halten) löste der Bergsturz durch die Druckentlastung einer Magmakammer eine Eruption aus — mit der das schnelle Wachstum eines neuen Vulkans einsetzte, des Teide.
Interessant ist, dass man bei der (indirekten) Datierung der Bergstürze auf Zeiten kommt, in denen der Meeresspiegel besonders tief lag (Eiszeiten…). Es ist also auch denkbar, dass die Absenkung des Meeresspiegel das Vulkangebäude instabil werden ließ.
Den besten Überblick über die Cãnadas-Caldera hat man vom Guajara, dem höchsten Punkt des Calderarandes. Er kann von den Roques de Garcia bestiegen werden.
Nur der unterste Teil des Guajara (ein paar merkwürdig geformte orangene Felsen) besteht aus Einheiten des älteren Cañadas-Vulkanes (Las Cañadas Lower Group). Darüber folgt die Ucanca-Formation, also die Produkte der Eruptionen, bei denen die Ucanca-Caldera eingebrochen ist. Die ganze obere Hälfte des Berges (beim Aufstieg ab dem Pass) ist die Guajara-Formation, die mit der Entstehung der direkt unterhalb liegenden Guajara-Caldera zusammenhängt. Beide Formationen bestehen aus Fallablagerungen und Ignimbriten (Ablagerungen von Glutwolken), die aber weitgehend so heiß abgelagert wurden, dass sie zu einem festen Gestein verschweißt sind, das fast wie ein Lavastrom aussieht. Einen einzelnen Lavastrom (Basalt) gibt es in der Ucanca-Formation. Beide Formationen werden als Upper Group des Cañadas-Vulkans bezeichnet. Die dritte und jüngste Formation der Upper Group, Diego Hernández, ist nur weiter östlich zu sehen.
In historischer Zeit fanden Eruptionen nicht nur am Teide selbst statt, sondern oft an „Einmalvulkanen“, an Schlackenkegeln, die auf der Verlängerung der Linie Pico Viejo – Teide – Montaña Blanca liegen. Dabei handelt es sich um die aktiven Riftzonen, an denen Dehnung den Aufstieg von Magma ermöglicht. Am sogenannten Santiago-del-Teide-Rift im Nordwesten sind unzählige Schlackenkegel und Lavaströme zu sehen, auf denen die gelblich-grünen Kiefern langsam Fuß fassen.
Das Rift im Nordosten ist der Bergrücken Cumbre Dorsal, dessen Besuch sich vor allem für die vielen Aussichtspunkte (z.B. Chimaque) lohnt.
Um die geologische Geschichte der Insel vollständig zu machen, besuche ich auch das Anaga-Gebirge an der Nordostspitze der Insel und das Teno-Gebirge an der Nordwestspitze. Dabei handelt es sich um zwei stark erodierte Schildvulkane, die sich einmal als Vorläufer von Teneriffa als unabhängige Inseln aufbauten (der dritte Schildvulkan, die Südspitze von Teneriffa, ist weitgehend von den jüngeren Einheiten des Cañadas-Vulkans bedeckt).
Schildvulkane aus Basalt sind typisch für einen Hotspot. Erst als sich später zwischen diesen Schildvulkanen der Cañadas-Vulkan aufbaute, wuchsen die drei Inseln zu einer zusammen. Nun war das zusammengesetzte Vulkangebäude auch noch ungewöhnlich dick, gleichzeitig verdickte sich auch die Unterkruste durch Underplating. Diese Krustendicke dürfte dazu geführt haben, dass Magma in der Regel „steckenblieb“ und sich in einer Magmakammer zu hochfraktionierten Schmelzen wie Phonolithen und Rhyolithen weiterentwickelte, bevor es in einer explosiven Eruption oder ruhig als Obsidianstrom gefördert wurde.
Damit veränderte sich auch die Landschaftsform, die Hänge wurden steiler, Calderen entstanden und so weiter. Abseits des Zentrums der Insel, an den bereits genannten Riftzonen, ist die Kruste nicht ganz so dick, hier werden daher noch immer Basalte gefördert.
Literatur
- Boulesteix, Hildenrand, Gillot, Soler 2012. Eruptive response of oceanic islands to giant landslides: New insights from the geomorphologic evolution of the Teide–Pico Viejo volcanic complex (Tenerife, Canary). Geomorphology 138, 61-73.
- Gottsmann, Camacho, Martí, Wooller, Fernández, García, Rymer, 2008. Shallow structure beneath the Central Volcanic Complex of Tenerife from new gravity data: Implications for its evolution and recent reactivation. Physics of the Earth and Planetary Interiors 168, 212-230.
- Geyer, Martí, 2010. The distribution of basaltic volcanism on Tenerife, Canary Islands: Implications on the origin and dynamics of the rift systems. Tectonophysics 483, 310-326.
- Ablay, Marti, 2000. Stratigraphy, structure, and volcanic evolution of the Pico Teide-Pico Viejo formation, Tenerife, Canary Islands. Journal of Volcanology and Geothermal Research 103, 175-208.
- Martí, Gottsmann, 2005. Field Guide to the las Cañadas Caldera Volcanism. Workshop „Caldera Volcanism: Analysis, Modelling and Response“.
- Ablay, Hürlimann, 2000. Evolution of the north flank of Tenerife by recurrent giant landslides. Journal of Volcanology and Geothermal Research 103, 135-159.
- Viñuela, The Canary Islands Hot Spot. www.mantleplumes.org.