Comer See

Die Entstehung der großen Seen in den Südalpen (Italien)

Comer See von Monte Grona
Comer See von Monte Grona

Viele der tief eingeschnittenen Seen in den Alpen füllen bekanntlich Täler, die einst von den Gletschern der Eiszeiten ausgeschürft wurden. Das trifft allerdings so nicht auf die Seen in den Südalpen zu. Wo sich heute Comer See, Luganer See, Garda-See und Lago Maggiore befinden, gab es schon zum Ende des Tertiärs, also vor den Eiszeiten, tiefe Schluchten.

Der Comer See hat auf der Karte die Form eines auf dem Kopf stehenden Y, mit den Armen von Como und von Lecco im Süden, die sich an der Halbinsel von Bellagio treffen. Er ist bis zu 425 m tief (bei Argegno im Arm von Como) und damit der tiefste See der Alpen. Der tiefste Punkt befindet sich somit mehr als 200 m unter dem Meeresspiegel. Die genannte Schlucht war aber noch viel tiefer, sie wurde lediglich später bis zur Hälfte mit Sedimenten verfüllt. Es handelte sich um ein V-Tal mit steilen Flanken, dessen damaliger Talboden bei Argegno etwa 700 m unter dem heutigen Meeresspiegel liegt.

Damit ein Fluss ein so tiefes Tal eingraben konnte, musste natürlich etwas Außergewöhnliches passieren. Das war die sogenannte messinische Salinitätskrise im späten Miozän. Damals fiel die Meeresenge zwischen Mittelmeer und Atlantik trocken (sie befand sich nicht an Stelle der heutigen Straße von Gibraltar), weil sich die dortige Region hob. Im Mittelmeerraum war jedoch die Verdunstung wesentlich höher als die Wassermenge, die von Flüssen angeliefert wurde. Der Wasserspiegel sank daher immer weiter, bis schließlich das gesamte Meeresbecken ausgetrocknet war und in den tiefsten Becken dicke Salzablagerungen zurückblieben.

Die Adda mündete vor der messinischen Salinitätskrise wohl bei Como in eine Meeresbucht. Als der Meeresspiegel absank, begann sie sich immer tiefer in das Gestein einzuschneiden. Im Vorland südlich Como handelte es sich dabei um die südalpine Molasse, also gerade erst am Alpenrand abgelagerte Sandsteine und Konglomerate, die leicht erodiert werden können.

Offensichtlich störte die Tektonik der Südalpen die Entstehung der Schlucht. Die Gesteine der Südalpen wurden anders als die Decken der zentralen und der nördlichen Alpen kaum in die Bewegungen der Gebirgsbildung einbezogen, aber es kam dennoch zu einer leichten Verschiebung kleiner Decken in südliche Richtung. Möglicherweise führte dies dazu, dass unser Fluss sich einen neuen Weg suchen musste und eine zweite Schlucht einschnitt, den heutigen Seearm von Lecco.

Letztlich floss das Meerwasser aus dem Atlantik wieder in das Becken des Mittelmeeres, die Salzschichten sind seither unter jüngeren Meeressedimenten begraben. Auch unsere Schlucht füllte sich und bildete einen Meeresarm, der wie ein Fjord aussah. Die Adda brachte große Mengen an Material aus ihrem Hinterland, das die ehemalige Schlucht weitgehend verfüllte.

Während der Eiszeiten strömte das Eis vom Eisschild der Alpen hinab, durch beide Arme des heutigen Sees und mündete bei Como und bei Lecco auf die Poebene, wo es sich in Form von Piemont-Gletschern ausbreitete. Der Gletscher räumte im Bereich des späteren Sees einen kleinen Teil der jungen Sedimente wieder aus und formte die Seiten um. Südlich von Como und Lecco häuften sich große Endmoränen an. Nach der Eiszeit blieb der See zurück, die Adda fließt seither bei Lecco aus dem See in Richtung Po. Die anderen großen Seen der Südalpen entstanden natürlich durch dieselben Prozesse.

Literatur:

Preusser et al. 2010. Distribution, geometry, age and origin of overdeepended valleys and basins in the Alps and their foreland. Swiss J Geosci 103, 407-426.

Cavallin et al. 1997. Fourth International Conference on Geomorphology – Italy 1997, Guide for the excursion, geomorphology of the Central and Southern Alps. Suppl. Geogr. Fis. Dinam. Quat. III, T. 2, 13-46.

Finkch, 1978. Are southern Alpine lakes former Messinian canyons? Geophysical evidence for preglacial erosion in the southern Alpine lakes. Marine Geology, 27, 289-302.

Bini et al. 1978. Southern Alpine Lakes. Hypotesis of an erosional origin related to the Messinian entrenchment. Marine Geology, 27, 271-288.