Die Küste zwischen Marseille und Cassis zeichnet sich durch hohe Kliffs aus Kalkstein und vor allem durch lange schluchtähnliche Buchten aus, den Calenques. Das Gebiet ist zwar Nationalpark, aber an einem Sommerwochenende ist man hier alles andere als allein… Um die Calenques bei Cassis zu erkunden, ist mindestens ein halber Tag einzuplanen — lieber ein ganzer, da es viele Möglichkeiten zu lohnenden Umwegen gibt.
Unsere Wanderung beginnt an einem großen Parkplatz am Stadtrand von Cassis, auf der Halbinsel zwischen Mittelmeer und dem Calanque de Port-Miou. Diese schmale fast 1 km lange Bucht verläuft fast parallel zur Küste und wird als Yachthafen benutzt. Wir umrunden das Ende von Port-Miou und folgen dem anderen Ufer bis zur Mündung ins Meer, wo wir hinter einer schmalen Halbinsel auf das Ende der nächsten Bucht treffen: der hübsche Calanque de Port Pin. Noch beeindruckender ist allerdings der Calanque d’en Vau, der wegen seiner hohen Felswände oft mit Fjorden verglichen wird. Wer möglichst schnell zum Strand an dessen Ende gelangen will, nimmt vom Ende des Calanque de Port Pin den nicht zu übersehenden GR-Wanderweg hinauf zu einem Sattel und steigt auf der anderen Seite auf einem steilen Pfad in eine Schlucht ab. Diese folgt man etwa 700 m abwärts bis zum Wasser. Eine schönere Variante folgt dem Calanque de Port Pin nach Südwesten und dann hoch über dem Calanque d’en Vau nach Nordwesten, bis man den bereits genannten Sattel erreicht.
L’Oule ist ein empfehlenswerter Aussichtspunkt mit einem grandiosen Blick auf den Calanque d’en Vau, die felsige Halbinsel Plateau de Castel Vieil und die Nachbarbucht. Dieser ist etwas abgelegen, was den Vorteil hat, dass kaum jemand hinauf geht. Wo der steile Pfad vom Sattel in der Schlucht des d’en Vau ankommt, folgt man der Schlucht etwa 500 m aufwärts und biegt auf dem ersten Weg nach links ab. Man steigt zum Col de l’Oule auf, an dem eine Straße endet und mehrere Wege abzweigen. Auf dem Bergrücken wandert man wieder etwa 700 m nach Süden bis zur Kante.
Übrigens haben die Calanques eine ähnliche geologische Vergangenheit wie der Comer See und die anderen großen Seen der Südalpen: im Miozän trocknete das Mittelmeer zeitweise komplett aus (von der sogenannten Messinischen Salinitätskrise zeugt eine dicke Salzschicht in den Sedimenten im Mittelmeer). Flüsse schnitten Schluchten in das Relief (die später bei steigendem Meeresspiegel gefüllt wurden) und zugleich entstanden im Kalkstein zahlreiche große Höhlensysteme. Durch die Höhlen münden heute zahlreiche unterirdische Flüsse in die Buchten, die stärkste Quelle befindet sich im Port-Miou.