Auf den ersten Blick sieht Glen Coe nicht nach einem Vulkan aus. Das klassische U-Tal wurde eindeutig zu kälteren Zeiten von einem großen Gletscher geformt. Kleinere, ebenfalls U-förmige Seitentäler zweigen auf der Südseite ab und untergliedern die dortige Bergkette in einzelne schroffe Berge, die „Drei Schwestern“. Eines davon, das Hängetal namens „Hidden Valley“, ist das Ziel unserer Wanderung. Die Landschaft ist regelrecht alpin, wobei Glen Coe als eines der schönsten Täler Schottlands gilt. Wegen eines Massakers im 17. Jh., das die Briten an einem Clan verübten, ist es auch noch ein wichtiger Bezugspunkt des schottischen Nationalismus.
Aber auch Geologiegeschichte wurde hier geschrieben (s.a. mein Buch Bewegte Bergwelt). Es handelt sich nämlich um einen alten „Supervulkan“, bei dem die Gletscher Schnitte durch das Innere einer großen Caldera freigelegt haben. Und hier erkannte Sir Edward Bailey Anfang des 20. Jh. dank dieser leicht zugänglichen Profile erstmals, wie eine Caldera überhaupt entsteht. Eine Caldera ist ein großer Krater, der durch den Einsturz des „Dachs“ einer großen Magmakammer bei einer besonders großen Eruption entsteht. Schöne jüngere Exemplare sind beispielsweise die Tengger-Caldera auf Java, Laguna Quilotoa in Ecuador, Santorin in Griechenland, Ngorongoro in Tansania oder Crater Lake in Oregon (USA). Diesen „Caldera-Krater“ können wir uns bei Glen Coe vor ca. 400 Mio. Jahren sozusagen im Himmel über den Bergen vorstellen, mit einem Durchmesser von 8 km. Der tiefere Teil dieser Einsturzstrukturen ist jedoch immer mit den bei den Eruptionen geförderten Vulkaniten verfüllt, die bei Glen Coe etwa 1200 m mächtig aufgeschlossen sind (Andesite und Rhyolite) und von älteren metamorphen Gesteinen umgeben sind. Die Eruptionen finden bei diesen Vulkanen meist entlang von Brüchen statt, die oft konzentrisch ringförmig sind oder mit größeren linearen Störungen zusammenhängen. Die Ablagerungen regnen aus Aschewolken ab (Tuff) oder werden durch pyroklastische Ströme abgelagert (verschiedene Tuffe und Ignimbrite). Bei manchen Ignimbriten von Glen Coe ist eine faszinierende Fließstruktur (Bänder, Schlieren, Falten) zu erkennen.
Lavaströme sind untypisch für Calderavulkane, aber sie können bei kleineren Eruptionen während der langen Ruhephasen zwischen den großen Eruptionen gefördert werden. In tieferen Stockwerken kann Magma auch als waagrechter Sill in ältere Einheiten eindringen (insbes. die Andesite im unteren Teil von Glen Coe), was nur schwer von Lavaströmen zu unterscheiden ist. Fast rund herum sind die Vulkanite der Glen-Coe-Caldera von einem Ring aus Granit umgeben, der entlang der ringförmigen Verwerfung eindrang.
Übrigens handelt es sich bei Ben Nevis ebenfalls um eine (ähnlich alte) Caldera, wobei dort ein noch tieferes Niveau aufgeschlossen ist: Nämlich der Kontakt zwischen Magmakammer und ihrem „Dach“.
Bailey stellte sich die Entstehung der Glen-Coe-Caldera wie bei einem Kolben vor, demnach sank das „Dach“ der Magmakammer während der Eruption gleichmäßig und symmetrisch entlang einer ringförmigen Verwerfung ins Innere ab, das Magma stieg entlang der Verwerfung auf (und bildete den Granit). Inzwischen ist klar, dass die Geometrie bei Glen Coe nicht ganz so einfach ist. Die eigentliche ringförmige Verwerfung ist wohl erst in einem späten Stadium entstanden (und der Granit noch später), während bei früheren Ausbrüchen sich einzelne Blöcke unterschiedlich stark absenkten und dabei auch verkippten (Moore und Kokelaar 1997). Die Verwerfungen eines Grabenssystems (vermutlich an einer Transformstörung) spielten für den Aufstieg der Magmen vermutlich eine wichtige Rolle.
Literatur
Moore und Kokelaar (1997), Tectonic influences in piecemeal caldera collapse at Glencoe Volcano, Scotland. Journal of the Geological Society, London, Vol. 154, S. 765–768.
Fraser et al. (2004) Age of the Ballachulish and Glencoe Igneous Complexes (Scottish Highlands), and paragenesis of zircon, monazite and baddeleyite in the Ballachulish Aureole. Journal of the Geological Society, London, Vol. 161. S. 447–462.
Broschüre „Glen Coe – Gleann Comhann“ von Lochaber Geotrails.