Am Oberharzer Wasserregal

Wanderungen an den einst für den Bergbau im Harz angelegten Gräben und Teichen

Die Bergleute im Oberharz hatten ab dem 16. Jh. ein Problem. Je tiefer ihre Gruben wurden, desto schwerer war es, das Wasser und die Erze herauszubekommen. Wasserknechte, die mit gefüllten Eimern die Leitern hinaufklettern, reichten nicht mehr aus. Doch um Pumpen anzutreiben, brauchte es ein Wasserrad (Kunstrad) und dazu einen Bach. Die ergiebigen Gruben insbesondere von Clausthal und Zellerfeld lagen jedoch weit oben, der Oberharz ist eine Art Hochplateau. Es klingt paradox: Um das Wasser aus den Gruben zu heben, musste immer mehr Wasser in einem System aus Gräben und Teichen zu den Schächten gebracht werden.

Innerhalb von 300 Jahren wurden Gräben mit einer Gesamtlänge von 500 km ausgehoben, um Wasser einzusammeln und zu den Bergwerken zu bringen, und 143 Teiche aufgestaut, um das Wasser für trockene Zeiten zu speichern (nicht alle waren gleichzeitig aktiv). Ein Teil davon ist noch erhalten und da neben jedem Graben auch ein Weg angelegt wurde, kann dieses Kulturdenkmal schön erwandert werden. Einige „Wasserwanderwege“ sind als Lehrpfade markiert, zwischen kurzen Spaziergängen und Halbtageswanderungen ist alles dabei.

Dammgraben, Oberharzer Wasserregal
Dammgraben

„Haltet die Wasser hoch“ war das Grundmotto. Die Gräben verlaufen mit minimaler Neigung und folgen nahezu den Höhenlinien. Und manchmal wurden in geringen Abständen mehrere parallele Gräben angelegt, das Wasser des oberen konnte so noch ein Wasserrad mehr antreiben, der untere Graben Wasser aus größerer Entfernung liefern. Die Teiche sind meist als Kaskade übereinander angeordnet, das Wasser aus dem obersten Teich floss über mehrere Wasserräder und durch mehrere weitere Teiche, bevor es den tiefsten Punkt des Systems erreicht hatte. Als man irgendwann vom Tal aus einen Wasserlösungsstollen zum Bergwerk getrieben hatte, konnte man sogar unter Tage Wasserräder einbauen und damit die tiefsten Pumpen antreiben.

Oberer Pfauenteich
Auf dem Damm des Oberen Pfauenteichs

Eine Art „Best Of“ ist die Kombination der recht kurzen Wege „Hutthaler Widerwaage“ und „Hirschler / Pfauenteiche“. Die drei Pfauenteiche und der direkt oberhalb liegende Hirschler Teich sind eine Kaskade am östlichen Ortsrand von Clausthal, nahe zweier besonders ergiebigen Bergwerke. Der große und hochgelegene Hirschler Teich war besonders wichtig, weil sein Wasser erst für die Grube Carolina und dann noch für die Grube Dorothea verwendet werden konnte. Vom Oberen Pfauenteich schaffte es das Wasser noch zur Grube Dorothea, während der Mittlere und der Untere Pfauenteich schon so tief liegen, dass die Kraft mit einer Stangenkunst (ein Holzgestänge) vom Wasserrad zur Grube übertragen werden musste.

Hutthaler Widerwaage, Oberharzer Wasserregal
Hutthaler Widerwaage

Also musste möglichst viel Wasser dem Hirschler Teich zugeführt werden. Dazu baute man im 18. Jh. auch die Huttaler Widerwaage. Es handelt sich um ein kleines Staubecken, das durch einen waagrechten Stollen mit dem auf der anderen Seite der Wasserscheide liegenden Hirschler Teich verbunden ist. Außerdem folgt ein waagrechter Graben dem Hang entlang zum Unteren Hutthaler Teich (der heute nicht mehr mit Wasser gefüllt ist), der damit quasi zu einem Nebenbecken des Hirschler Teichs wurde. Damals war man sich gar nicht sicher, ob das Wasser ohne Neigung überhaupt fließen würde, aber es funktionierte: Bei Niedrigwasser konnte dem Hirschler Teich nun Wasser aus dem Nachbartal zufließen, bei Hochwasser konnte überflüssiges Wasser in die andere Richtung fließen und im Hutthal gespeichert werden. Der Wanderweg führt über den Damm dieses Teiches, der gleichzeitig ein Aquädukt war, der Graben führt direkt über die Dammkrone.

Schwarzberger Wasserlauf
Manchmal geht es ein Stück unterirdisch weiter, wie hier am Schwarzberger Wasserlauf

Bald erreicht man den Schwarzenberger Wasserlauf, einen Stollen, der wieder auf die andere Seite der Wasserscheide führt — über diese Abkürzung konnte auf der anderen Seite eingesammeltes Wasser noch den Hirschler Teich erreichen. Weiter geht es zum Polsterberger Hubhaus, heute eine Gaststätte. Früher wurde hier Wasser aus einem tieferen Graben in einen höheren Graben gepumpt. Es folgt der Jägersbleeker Teich und schließlich wird wieder der Hirschler Teich erreicht.

Dammgraben, Oberharzer Wasserregal
Dammgraben

Für eine längere Wanderung empfiehlt sich der Dammgraben oberhalb Altenau, der Wasser aus dem Brockengebiet einsammelte und Richtung Clausthal brachte. Sehr hübsch geht es in vielen Kurven den Hang entlang durch den Wald, immer das plätschernde Wasser neben dem Weg. Leider muss man nach 10,5 km auch wieder zurück (und zwar am einfachsten auf demselben Weg).

Rehberger Graben
Rehberger Graben

Sehr interessant ist noch der Rehberger Graben (der sich mit einem direkteren Rückweg zu einer Runde von 15 km kombinieren lässt). Er brachte Wasser aus dem Oderteich — ein regelrechter Stausee, über dessen Damm die Bundesstraße 242 führt — zu den Bergwerken in Sankt Andreasberg. Hier war der Grabenbau besonders schwierig, weil es teilweise an einem steilen Hang mit Felsen und Geröllfeldern entlang ging. Nebenbei kommt man an einem Aufschluss vorbei, an dem Granit durch starke chemische Verwitterung weitgehend zu Sand vergrust ist, einzelne „Wollsäcke“ und Kernsteine (also Granitboulder) aber noch erhalten sind. Ein besonders anschauliches Beispiel von Wollsackverwitterung.

Wollsackverwitterung, Granit, Harz
Wollsackverwitterung

Um nicht nur Wald und Wasser zu sehen, besuche ich noch die sehr eindrucksvolle Mineraliensammlung der TU Clausthal, das Oberharzer Bergwerksmuseum in Zellerfeld und die Grube Samson in Sankt Andreasberg.


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