Was ein Wetter. Wer diesen Juli in den Alpen verbracht hat, kann ein Lied davon singen: Es regnet, regnet, regnet. Statt jeden Tag zu wandern und Berge zu besteigen, verbringe ich letztlich die meiste Zeit damit, auf besseres Wetter zu warten. Und der Wetterbericht erweist sich als völlig unbrauchbar: Wenn mein Handy eine Warnung „Schweres Gewitter“ bekommt, scheint die Sonne. Wenn es sonnig sein soll, schüttet es wie aus Eimern. Und wenn ich hunderte Kilometer fahre, weil das Wetter dort besser sein soll, schafft es die Schlechtwetterfront doch bis zu mir…
Ich wollte diesen Sommer unbedingt in die Ostalpen, weil ich diese bisher regelrecht vernachlässigt habe. Ich arbeite gerade an der 2. Auflage meines Buchs Bewegte Bergwelt und ich wollte dafür noch einige Fotos machen. Diese bekomme ich tatsächlich in den Regenpausen zusammen. Zumindest mehr oder weniger.
Dachstein und Gesäuse
Meine erste Regenpause habe ich früh morgens an der Südwand des Dachsteins. Während es schüttet, fahre ich um das Dachsteinmassiv herum zum Unteren Gosausee und wandere tropfend zum Oberen Gosausee und zurück. Erst gegen Sonnenuntergang reißt es wieder auf … und bei Sonnenaufgang noch einmal. Die Wolken, die zwischen den zackigen Kalksteinzacken oberhalb des Sees hindurchziehen, sehen ziemlich gut aus und entschädigen ein wenig den verpassten Gipfel.
Nun fahre ich weit nach Osten bis ins Gesäuse, weil dort das Wetter angeblich ganz gut bleiben soll — letztlich regnet es dort aber ebenfalls. Die Enns zwängt sich hier zwischen den hoch aufragenden Kalkbergen Hochtor und Buchstein hindurch. Besonders schön ist der „Gesäuseeingang“ bei Weng, der plötzliche Übergang von weitem Tal zu enger Schlucht.
Vom anderen Ende der Schlucht ist es nur ein kurzer Abstecher zum Erzberg bei Eisenerz. Hier wird eine große metasomatische Siderit-Lagerstätte abgebaut (vgl. Die Welt der Rohstoffe). Ich nutze die Gelegenheit, einen Blick (von außen) auf den großen Tagebau zu werfen.
Die nächsten Tage folg sintflutartiger Regen. In Berchtesgaden wird eine Straße teilweise weggespült, überall gehen Muren ab und Wege werden unpassierbar. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich unterirdisch. Das Salzbergwerk von Hallstatt ist enttäuschend, es geht von einer Lichtshow zur nächsten und ich fühle mich eher in einem Vergnügungspark als in einem Bergwerk.
Dafür ist die Eisriesenwelt bei Werfen wirklich großartig. Der Eingang zu dieser Eishöhle liegt hoch über dem Salzachtal. Ich erreiche ihn mit einer Kombination aus Schuttlebus, Seilbahn und kurzem Fußmarsch. Sobald die Tür geöffnet wird, strömt ein starker eisiger Wind aus der Höhle. Innen geht es in einem schrägen Schacht aufwärts und die ersten Eisformationen kommen in Sicht. Oben angekommen geht es durch mehrere kleine Hallen, die mit „Stalaktiten“ und „Stalagmiten“ aus bläulichem Eis gefüllt sind. Und besonders toll dabei ist, dass die Höhle nicht mit Scheinwerfern ausgeleuchtet ist. Wir bekommen ein paar Karbidlampen, hin und wieder wird ein Magnesiumstab abgebrannt, das ist alles — und das sorgt für eine besonders schöne Stimmung.
Hohe Tauern
Am ersten halbwegs guten Tag fahre ich früh morgens über die Großglockner-Hochalpenstraße zur Kaiser-Franz-Josephs-Höhe. Eigentlich will ich den Fuscherkarkopf besteigen, doch leider ist der Gamsgrubenweg und damit der Einstieg gesperrt: Auch hier ist ein Mure heruntergekommen. Stattdessen mache ich nur einen Spaziergang zum Gletschertor der Pasterze. Am Vormittag ballen sich schon wieder Quellwolken an den Gipfeln, während ich entlang der Straße Aussichtspunkte wie Hochtor und Edelweißspitze ansteure. Eigentlich wollte ich als Nächstes zur Kürsingerhütte für einen guten Blick auf den Großvenediger, aber eine Mure hat diese Hütte für längere Zeit quasi unerreichbar gemacht.
Für meine einzige richtige Bergtour erwische ich den einzigen Tag mit perfektem Wetter: Die Watzmann-Überschreitung ist einen eigenen Artikel wert.
Mainzer Höhenweg
Anschließend fahre ich in die Ötztaler Alpen, ins Pitztal, und steige zur kleinen, gemütlichen Rüsselsheimer Hütte auf. Am nächsten Tag wandere ich bei gutem Wetter über den Mainzer Höhenweg zur Braunschweiger Hütte: 10 Stunden durch alpines Gelände. Anfangs geht es unterhalb der Gipfel von einem Kar zum nächsten: Ich stapfe über Gletscherreste, kraxle durch Rinnen und über Felsriegel. Auf gar nicht so alten Fotos haben die Gletscher noch Spalten, jetzt leider fast eher Schneefelder!
Schließlich erreiche ich den Grat und folge diesen auf den Wassertalkogel (3252 m). Am Gipfel steht eine kleine orangerote Biwakschachtel, die wie eine Mischung aus Popart und Mondlandefähre aussieht. Der Blick ist großartig, insbesondere auf Wildspitze, Watzespitze und Verpeilspitze.
Über den Grat und mehrere kleinere Gipfel geht es weiter, bis ich die sehr schön gelegene Braunschweiger Hütte erreiche. Die Gletscher im Hintergrund haben in den letzten Jahrzehnten ganz schön viel Fläche eingebüßt!
Die Braunschweiger Hütte ist voller Wanderer, die hier ihren Höhepunkt bei der Alpenüberquerung auf dem E5 (von Oberstdorf nach Meran) haben. Ich stelle fest, dass alle mit dem Bus das gesamte Pitztal hinaufgefahren sind. Damit sinkt mein Respekt vor dieser Route in den Keller. Ganz davon abgesehen, dass Meran ja noch mitten in den Alpen liegt, dahinter könnte man noch wundervoll längs über die Brenta laufen!
Granatenwand
Ich folge den E5 hinab zum Auto, fahre das Tal hinab und das Ötztal wieder hinauf. Von Obergurgl nehme ich die Bahn auf die Hohe Mut: Ein grandioser Aussichtsplatz. Auf beiden Seiten des Grasrückens verlaufen parallel zueinander zwei Bilderbuch-U-Täler, dahinter vergletscherte Berge. Ich folge dem Rücken ein Stück und steige dann links in das Tal ab. Der Berg auf der anderen Seite heißt zu Recht Granatenkogel, schon in der Grundmoräne am Talboden sind zahlreiche große Granatkristalle zu finden. An der Gletscherstirn steige ich über die unangenehm steile und ziemlich rutschige Seitenmoräne zur berühmten Fundstelle „Granatenwand“ auf. Im Hangschutt liegen zahlreiche Granate, die ich nur aufzusammeln brauche. Leider zieht ein Gewitter auf und ich habe keine Zeit, auch den eigentlichen Fels anzusehen. Im strömenden Regen krabble ich die Moräne wieder hinab…
Eibsee und Zugspitze
Mein nächstes Ziel ist die Zugspitze. Bei Sonnenaufgang komme ich am Eibsee unterhalb dieses Berges an und sehe gerade noch, wie der Berg in Wolken verschwindet. Ich gehe auf der Nordseite entlang, durch hügeliges blockiges Gelände, an kleinen Tümpeln vorbei, bis zum besten Aussichtspunkt. Hier sieht man über die Inselchen hinweg zur Zugspitze. Bis diese zwischen den Wolken auftaucht, muss ich aber ziemlich lange warten.
Die Inseln, Buchten und Tümpel gehen auf einen gewaltigen Bergsturz irgendwann in der Bronzezeit zurück. Ein Teil der Zugspitze rauschte in den See, die Abrissnische ist das V-förmige Bayrische Schneekar, vom Eibsee gesehen links unterhalb des Hauptgipfels. Die Bergsturzmasse schlitterte regelrecht durch den See hindurch und brandete am gegenüberliegenden kleineren Berg auf.
Später nehme ich die Seilbahn hinauf, stecke dann aber wieder in einer Wolke. Der Blick auf den „Gletscher“ ist trotzdem frei, aber mit all den Skianlagen nicht gerade schön.
Kurz vor Sonnenaufgang reißt es wieder auf. Ich stehe am Geroldsee: Im Vordergrund einige Heuschober, hinter dem See leuchtet der Karwendel rot auf. Am nächsten Morgen schüttet es wieder und ich werfe wieder alle Pläne um.
Zillertal und Zittauer Hütte
Als Ersatz für die noch immer unerreichbare Kürsingerhütte will ich zur Zittauer Hütte, die sich ganz im Westen der Hohen Tauern befindet. Während ich das Zillertal hinauf fahre, ist das Wetter plötzlich wieder gut und ich schiebe spontan eine kleine Wanderung dazwischen: Von Mayrhofen mit der Ahornbahn hinauf und via Edelhütte zur Ahornspitze (2973 m). Allerdings stecken die höheren Berge noch immer in den Wolken.
Am nächsten Tag biege ich vom Gerlospass zum Hotel Finkau ab und wandere talaufwärts zur Zittauer Hütte. Erst geht es durch eine kurze Klamm, später über eine Steilstufe und an der Moräne entlang. Die Hütte liegt sehr schön am Unteren Gerlossee, darüber ragen Gabler, Reichenspitze und Wildgerlosspitze auf. Ich steige zum Oberen Gerlossee auf und steuere dann weglos die Wildkarspitze (3073 m) an. Erst geht es durch eine steile Rinne, dann in Kletterei im 2. Grad über den Grat auf und ab bis zum Gipfelkreuz. Von einem einzigen Steinmann abgesehen ist die Strecke nicht markiert und es gibt keine Sicherungen.
Am nächsten Morgen wandere ich zum Rosskopf, einem beliebten Aussichtsgipfel. Allerdings lässt das Wetter schon wieder zu Wünschen übrig und ich bin Mittags wieder am Auto.
Mittenwalder Klettersteig
Für meine letzte Tour fahre ich, der Wetterprognose folgend, die Stecke von vor 2 Tagen wieder zurück ins Karwendel. Morgens von Mittenwald mit der ersten Bahn hinauf, dann zum Aufwärmen auf einem 10-Minuten-Klettersteig zur Westlichen Karwendelspitze. Die höchsten Gipfel des Gebirgszugs schauen gerade so aus den wabernden Wolken heraus, was grandios aussieht. Zurück zur Karwendelgrube an der Bergstation (diese große Kuhle im Grat ist eine Doline) geht es auf der anderen Seite mehr oder weniger dem Grat folgend über den Mittenwalder Klettersteig. Der ist landschaftlich sehr hübsch (wobei die Wolken es vielleicht noch spannender machen), ansonsten ziemlich einfach und nicht gerade sehr ausgesetzt. Je weiter ich komme, desto grüner werden die Hänge und desto mehr lösen sich die Wolken auf. Am anderen Ende steige ich, nach einem Abstecher zur Brunnsteinspitze, über die Brunnsteinhütte wieder ins Tal ab.