Watzmann-Überschreitung

Die Kraxelei über den Grat des Watzmanns dürfte die schönste Bergtour in Deutschland sein.

Der Watzmann über Berchtesgaden
Der Watzmann über Berchtesgaden (rechts Hocheck und Hauptgipfel, links Kleiner Watzmann)

„Groß und mächtig …“ Bei dieser Tour muss ich ständig an den Song von Ambros und Co. denken. Das sind aber keine um den Gipfel jagende Nebelschwaden, der Gipfel steckt während des Hüttenaufstiegs in einer dicken, penetranten Wolkendecke. Immerhin hatte zwei Tage zuvor ein heftiges Unwetter im Berchtesgadener Land Überschwemmungen und Muren ausgelöst. An diesem Tag sollte es eigentlich wieder besser sein, aber der Wetterbericht hat in diesem regnerischen Sommer in den Alpen fast nie recht. Ich hoffte nur, dass es am nächsten Tag so sonnig werden würde wie angekündigt.

Vom Parkplatz Wimbachhütte nehme ich nicht den direkten Weg zum Watzmannhaus, sondern marschiere erst einmal zur Achenkanzel, einem Aussichtspunkt hoch über dem Königssee. Tief unter mir liegt der See sogar teilweise in der Sonne, nur Schade, dass die Berge im Hintergrund nicht zu sehen sind. Abends sitze ich mit FFP2-Maske in der komplett belegten Hütte.

Blick vom Haupt- zum Südgipfel des Watzmanns
Immer den Grat entlang: Blick vom Haupt- zum Südgipfel des Watzmanns

Als einer der ersten breche ich in der Morgendämmerung auf und steige Richtung Hocheck auf. Bei Sonnenaufgang bin ich auf halber Höhe. Der Himmel ist fast wolkenfrei, nur über dem Königssee liegt eine dichte Nebelschicht. Später frühstücke ich auf dem ersten Gipfel, dem Hocheck. Hier ziehe ich Klettergürtel und Helm an und sobald die erste Gruppe auftaucht, gehe ich weiter über den Grat. An ausgesetzten Stellen gibt es immer ein Drahtseil, in das ich mich einklicken kann. In leichter Kletterei erreiche ich bald den Hauptgipfel (2713 m), wo ich fast allein bin. Besonders eindrucksvoll ist hier der Blick zum Südgipfel, in dessen Ostwand eine Wolke hängt. Der hinüberführende Grat sieht spektakulär aus, ich finde ihn aber letztlich leichter, als es von oben aussieht. Schließlich sitze ich für ein zweites Frühstück auf dem Südgipfel und damit meinem dritten Gipfel.

Wimbachgries
Wimbachgries

Der Weg hinab zieht sich. Immer wieder geht es durch steile Rinnen und über bröckelige Felsen, das Gelände ist dermaßen steinschlaganfällig, dass ich nur im Schneckentempo vorwärts komme. Während der obere Teil des Bergs aus dem für Bergsteiger angenehmen Dachsteinkalk besteht, geht es nun durch die darunter liegenden Dolomite (Karn-Norischer Dolomit und Ramsaudolomit, dazwischen die tonig-mergeligen Raibler Schichten). Diese sind bei tektonischer Beanspruchung viel spröder und daher zerbrochen und stark geklüftet.

Wenn man das Gefühl hat, schon fast unten zu sein, kommt doch noch eine Steilstufe, bevor man endlich das breite Tal Wimbachgries erreicht. Von den zackigen Bergen rund herum reichen zahlreiche Murgänge abwärts, die sich im Tal zu einem riesigen Schuttstrom vereinigen. Bei starken Regenfällen kommt dieser in Bewegung, ansonsten liegt der Schotter ruhig da und das Wasser der Bäche versickert darunter.

Wimbachgries
Wimbachgries

Das Tal mit dem weiten Schotterbett führt parallel zum Watzmannmassiv zum Auto zurück. Anfangs ist die merkwürdige Landschaft noch ungewohnt und gefällt, mit der Zeit will das Tal jedoch kein Ende nehmen…

Watzmann von Maria Ger
Watzmann von Maria Gern

Am nächsten Morgen will ich den Berg noch in den schönsten Postkartenansichten fotografieren: bei Sonnenaufgang beim Kirchlein Maria Gern, der Blick von der Straße über Berchtesgaden und schließlich vom Gipfel des Jenner. Allerdings ist der Watzmanngipfel schon wieder in Wolken verschwunden, bis ich mit der ersten Bahn auf dem Jenner ankomme…

Blick vom Jenner auf Königssee und Watzmann
Blick vom Jenner auf Königssee und Watzmann

Anschließend gehe ich noch die kurze Runde über Rabenwand und Malerwinkel, die bekanntesten Aussichten auf den Königssee. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz kommen mir Menschenmassen entgegen und ich bin froh, dass ich früh aufgestanden und mit meinem Programm schon fertig bin.

Königssee von Rabenwand
Königssee von Rabenwand

Vor meiner Watzmann-Tour habe ich in Ramsau bei meist strömendem Regen auf besseres Wetter gewartet. Da hatte ich viel Zeit, um den Zauberwald und den Hintersee zu erkunden. Beide gehen auf einen gewaltigen Bergsturz zurück, der nach den Eiszeiten vom Hochkalter herunterrauschte und den Bach aufstaute. Die großen Felsblöcke im Wald, im Bach und auch am Seeufer machen den Reiz dieser Landschaft aus.

Hintersee bei Ramsau
Hintersee bei Ramsau