Matterhorn Trek

9-tägige Trekking-Runde um Matterhorn, Weisshorn und Dent Blanche

Matterhorn
Matterhorn, Aussicht nahe Gandegghütte

Das Matterhorn ist nur der bekannteste Berg, um den der 9-tägige Trek herumführt, und es ist nur auf etwa 1/3 der Stecke zu sehen. Man wandert auch um eine Reihe weiterer beeindruckender 4000er herum: Weisshorn, Zinalrothorn, Obergabelhorn, Dent Blanche und Dent d’Hérens. Flankiert wird die Route von Monte Rosa, Breithorn, Dom und den anderen Gipfeln der Mischabel. Während man die meisten Postkartenansichten rund um Zermatt bekommt, gefallen mir gerade die abgelegenen und weniger überlaufenden Täler entlang der Route, etwa das Turmanntal und die Pässe Col Collon und Col de Valcournera. Man muss dazusagen, dass man (auch laut Führer) mehrmals auf Seibahnen zurückgreift, die Umrundung also nicht ganz zu Fuß ist.

Karte der Tour Matterhorn
Karte der Tour Matterhorn © Florian Neukirchen, contains data © OpenStreetMap Contributors

Ich parke in St. Niklaus, das im Mattertal an der Straße Richtung Zermatt liegt, und starte früh morgens mit der ersten Seilbahn auf die Alp Jungu. Am Vorabend fuhr ich im Schritttempo durch ein heftiges Gewitter, dafür sah es jetzt ganz OK aus: zwar einige Wolken, aber ein toller Blick über die Alp hinweg das Mattertal aufwärts, zwischen Mischabel und Weisshorn hindurch auf das im Morgenlicht leuchtende Breithorn. Aber für den späten Mittag war das nächste Unwetter angekündigt, daher gab ich Gas. Schon wenig später bekomme ich den ersten Schauer ab, und während ich auf dem Augsbordpass verschnaufe rollt über den Bergrücken auf der anderen Seite des Turtmanntals eine schwarze Wand, in der Blitze zucken. So früh hatte ich damit nicht gerechnet. Ich steige noch ein Stück ins Tal ab und baue dann in strömenden Regen und Hagel mein Zelt auf, damit ich an einem trockenen und warmen Ort auf besseres Wetter warten kann. Das kommt dann aber schneller als gedacht und am Mittag bin ich bei strahlender Sonne im Dorf Gruben-Meiden im Turtmanntal.

Auf der anderen Talseite steige ich wieder auf, und während ich die Alp Meide passiere, braut sich bereits das nächste Gewitter zusammen. Diesmal finde ich rechtzeitig einen guten Ort, um mein Zelt aufzubauen.

Am Morgen wieder strahlende Sonne. Es geht über den Meidpass und vorbei am Hôtel du Weisshorn, dann auf einem Höhenweg hoch über dem Tal bis Zinal. Leider stecken die hohen Gipfel am Talschluss, wie Zinalrothorn, Obergabelhorn und Dent Blanche, schon wieder in Wolken.

Blick von Sorebois
Blick von Sorebois

In Zinal stocke ich die Vorräte auf und nehme noch die Seilbahn nach Sorebois (die letzte fährt schon um 16 Uhr!), wo ich am Rand des Skigebiets eine flache grasige Stelle finde, an der es einen halbwegs unverdrahteten Ausblick gibt. Die Berge stecken zwar in Wolken, aber ich hoffe auf einen schönen Morgen. Als ich aufstehe ist das Wetter leider nicht viel besser. Über eine Skipiste steige ich zum Col de Sorebois auf und blicke auf den türkisgrünen Stausee Lac de Moiry hinab — bis ich wenig später in einer Wolke stecke. Zur Staumauer steige ich nun ab, hin und wieder ist in einer Wolkenlücke Dent Blanche oder einer seiner Nebengipfel zu sehen. Unten scheint wieder die Sonne, ich überschreite die Dammkrone und steige auf der anderen Seite zum kleinen Lac des Autannes auf, der gerade noch unterhalb der Wolken liegt, die penetrant am Bergrücken hängen. Entsprechend geht es mit wenig Sicht über den Col de Torrent hinüber ins Val d’Hérens. Wieder bei Sonne geht es über Almwiesen hinweg abwärts, dann von Dorf zu Dorf zum Talboden in Les Haudères. Das Tal verzweigt sich an dieser Stelle, das linke Tal führt steil zu einem Gletscherplateau hinauf, neben bzw. hinter dem je nach Blickrichtung Dent Blanche oder Dent d’Hérens zu sehen sind. Im anderen Tal liegt etwas höher Arolla, darüber ragen die Pigne d’Arolla (übrigens ein toller Skitourenberg mit beidruckendem Blick auf die Westseite des Matterhorns) und der Mont Collon auf, auf dessen Rückseite dieser Trek über einen Pass nach Italien führt.

Um nach Arolla zu kommen, steigt die Route von Les Haudères steil zur Alm Mayens de la Couta und noch ein gutes Stück weiter auf, noch mit schönen Blicken. Hier oben fällt es mir schwer, einen guten Platz zum Biwakieren zu finden, zumal mir ganz oben eine riesige Kuhherde auf dem Weg zum Melken entgegen kommt. Dann geht es relativ eintönig in stetigem auf und ab nahezu hangparellel durch lichten Wald nach Arolla, was ich sehr anstrengend finde, vor allem weil ich nicht durch Ausblicke entschädigt werde. Einzige Ausnahme ist der durchaus hübsche Bergsee Lac Blanc.

Etwas oberhalb von Arolla, am Ende des Sträßchens, ist der Wanderweg gesperrt, weil eine Brücke über eine in die Moräne geschnittene Schlucht zerstört ist. Erstmal ein Schock, weil das auf der Karte die einzige Möglichkeit ist, um in das Hochtal (und damit Richtung Italien) zu kommen. Zum Glück kann man (mühsam) über die Winterroute ausweichen. So sitze ich Mittags gegenüber des Gletscherabbruchs neben dem Mont Collon und staune darüber, dass auf dem Felsgrat daneben die Cabagne des Vignettes trohnt, in der ich mal eine Sturmnacht verbracht habe. Am Abend steige ich über den Haut Glacier d’Arolla auf (der deutlich kürzer als auf der Karte und den Fotos im Führer ist und auch nicht so weiß, so viele Felsblöcke sind aus dem schmelzenden Eis freigesetzt worden), und kraxle hinter dem Mont Collon noch die Seitenmoräne hinauf, wo ich mit Blick auf den Gletscher zelte.

Haut Glacier d'Arolla
Haut Glacier d’Arolla

Früh morgens steige ich das letzte Stück zum Pass Col Collon auf, wieder über einen Gletscher, der von dem großen Gletscherplateau hinab kommt. Der Pass ist wunderschön, mit einem Schmelzwassersee auf der italienischen Seite, in dem Eisschollen schwimmen.

Col Collon
Col Collon

Nun geht es in eine von Felsen geprägte Bergwelt abwärts, bis ans hintere Ende eines Stausees, und auf der anderen Seite wieder hinauf in ein anderes Hochtal. Aus diesem heraus führt ein schweißtreibender Anstieg über zwei Steilstufen zum Col de Valcournera. Auf der anderen Seite sind wenig unterhalb ein paar Bergseen und eine Hütte zu sehen. Ich steige bis zur oberhalb des Lac Balanselmo liegenden Biwakschachtel ab, wo ich einen guten Platz für mein Zelt finde. Es war wohl die Lieblingswiese eines Steinbocks, jedenfalls graste dieser den ganzen Abend über friedlich neben meinem Zelt.

Col de Valcournera
Col de Valcournera

Am morgen geht es weiter abwärts und wird immer grasiger. Nach einem kurzen Gegenanstieg und einer weiteren Kurve steht man unmittelbar der Südwand des Matterhorns gegenüber, oder besser gesagt: Cervinia. Auf diesen Bergzacken laufe ich noch eine Weile auf einem hochgelegenen Weg zu, bis es auf den Talboden hinabgeht.

Matterhorn (Cervinia)
Matterhorn (Cervinia)

Leider sind die Spazierwege auf beiden Seiten des Flusses gesperrt (der eine wegen fliegenden Golfbällen), aber ich finde eine Alternativroute oberhalb der Straße, die mich in den Ort Breuil-Cervinia bringt. Dort streife ich durch alle möglichen kleinen Läden, um den Proviant aufzufüllen, der Supermarkt ist so verrammelt, als ob er nie wieder aufmacht und die kleinen Läden haben nur eine kleine Auswahl. Endlich fahre ich mit der Seilbahn nach Plan Maison ins Skigebiet, wo es leider im Sommer ziemlich furchbar aussieht. Über die Narben des Wintersports wandere ich aufwärts (über die Piste rumpeln immer wieder Pickups auf und ab) und erreiche schließlich den höchsten Punkt des Treks, den Theodulpass. Das ist allerdings wieder ein Schock, weil die ganze Umgebung der Hütte gerade eine große Baustelle ist. Zwei Bagger und anderes schweres Gerät wühlen sich gerade durch das Gestein und bauen die Piste um. Ich frage erstmal in der Hütte, bevor ich mich am Verbotsschild vorbeitraue, am Bagger vorbei (der Baggerführer winkt mir zu) und dann durch die Mischung aus Schlamm, Fels- und Eisbrocken, in die der Bagger die Piste verwandelt hat. Über einen steilen Hang aus Schutt und Eis geht es auf den Theodulgletscher, über den ich im Abendlicht einer Piste folgend absteige.

Meine Laune wird wieder besser: Das in einer Wolke steckende Matterhorn wird hin und wieder schemenhaft sichtbar, die grünen Rundhöcker aus Grünstein und Serpentinit leuchten im Abendlicht (siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen mit einem Abschnitt über die Geologie Rund um Zermatt). Und einige der anderen 4000er, die Zermatt umgeben, sind nahezu wolkenfrei. Allerdings ist deutlich zu sehen, dass es den Gletschern nicht gut geht. Ich war vor ca. 20 Jahren zum letzten Mal in Zermatt und damals gab es deutlich mehr Weiß in der Landschaft. Ich überlege, wo ich übernachten kann, um bei Sonnenauf- und untergang einen freien, möglichst wenig von Seilbahnen gestörten Blick zu haben. Schließlich baue ich mein Zelt nahe der Gandegghütte direkt unter der Seilbahn auf und werde mit tollen Fotos belohnt.

Monte Rosa Zermatt

Kurz nach Sonnenaufgang zieht es wieder zu, während auf den Gletschern im Osten (Cima di Jazzi) noch Sonnenflecken scheinen und über mir die Seilbahn sich in Bewegung setzt. Während ich ins Tal absteige, scheint aber zum Glück die Sonne wieder, nur die höchsten Berge bleiben eingehüllt. Furi, ein hochgelegener Ortsteil von Zermatt, ist heute mein tiefster Punkt. Der Führer schickt mich über einen Waldweg Richtung Grünsee, aber ich will noch ein bisschen was sehen und nehme die Seilbahn auf den Riffelberg, um über den Panoramaweg zum Gornergrad hinauf zu steigen. Mir kommen dort massenhaft Touristen entgegen, die alle diesen Weg hinab laufen…

Während ich gerade noch in der Sonne lag und dann nahe Riffelsee auf den Gletscher hinab geblickt habe, donnert es hinter mir: Der Himmel im Westen hat sich in eine schwarze Wand verwandelt und mir bleibt gerade noch genug Zeit, um meine Regensachen anzuziehen. Kurz entschlossen steige ich bis zu einer nahe gelegenen Skilift-Bergstation auf und stelle mich dort unter, und wieder einmal dauert es nicht lange bis wieder ein Stückchen blauer Himmel zu sehen ist. Später sitze ich auf der Aussichtsplattform am Gornergrad, langsam schälen sich Monte Rosa und Trabanten aus ihrer Wolkenhülle. Der Himmel bleibt weitgehend bedeckt, aber die Berge leuchten in einem merkwürdigen indirekten Licht.

Monte Rosa und Lyskamm vom Gornergrad
Monte Rosa und Lyskamm vom Gornergrad

Schließlich geht es hinunter zum Grünsee und auf der anderen Seite hinauf zum Stellisee, wo ich gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang ankomme. Dass dies einer der besten Fotospots für das Matterhorn ist, ist kein Geheimnis: Sowohl bei Sonnenauf- und untergang drängen sich Touristen und Fotografen am Ufer. Und am besten Spot ist das Wasser voller Algen…

Matterhorn vom Stellisee
Matterhorn vom Stellisee

Am Morgen wandere ich über Blauherd nach Sunnega, wo der Europaweg beginnt: Dieser Höhenweg bildet die letzten zwei Etappen der Tour Matterhorn, und er bietet grandiose Ausblicke auf Matterhorn und Weißhorn. Weite Strecken sind so schön, dass man vor Lauter Fotos schießen nur langsam voran kommt. An der Täschalm kommen plötzlich auch Dom, Täschorn und Rimpfischhorn in Blick.

Breithorn, Matterhorn, Obergabelhorn, Zinalrothorn, Weisshorn von Blauherd
Breithorn, Matterhorn, Obergabelhorn, Zinalrothorn, Weisshorn von Blauherd

Bei einer Querung eines steinschlaggefährdeten Hangs geht es durch Lawinengallerien und kurze Tunnels. Die Anlagen haben schon einiges abbekommen, bei den Gallerien ist hin und wieder der Stahlbeton der Decke zerborsten und ein Tunnel ist von einer Mure so weit verfüllt, dass es mit Rucksack mühsam ist, sich hindurchzuzwängen.

Europaweg
Europaweg

Der übernächste Taleinschnitt ist wieder ein Steinschlaghang, auf dem immer wieder große Blöcke herunterpurzeln. Aber man wandert einfach auf der längsten Fußgängerhängebrücke der Welt darüber hinweg. Wenig später erreicht man die Europahütte und etwas weiter finde ich am Miesboden einen schönen Platz zum biwakieren.

Der letzte Tag ist dann leider enttäuschend. Der ursprüngliche Europaweg führte von hier stetig aufwärts auf einen Aussichtsberg, an dem sich der Blick auf die Berner Alpen öffnen würde. Dann ging es hinab nach Grächen, einem Ort oberhalb von St. Niklaus. Die Strecke ist aber seit einigen Jahren gesperrt und der neue Europaweg führt abwärts und erreicht bei Herbriggen den Talboden. Statt nun im Wald nach Grächen hinaufzuwandern bleibe ich im Tal. Es sind nur noch 2,5 km zum Auto.

Weisshorn
Weisshorn

Es war ein sehr schöner Trek, auf jeden Fall in einer Liga mit der Tour du Mont Blanc und den Dolomiten-Höhenwegen. Und das Matterhorn ist ja schon ein besonderer Berg. Ich würde es nicht als den schönsten der Welt bezeichnen, weil es da einige weitere Kandidaten gibt (z. B. Ama Dablam, Cerro Torre, Alpamayo, Cotopaxi, Mayon), aber es ist auf jeden Fall einer der markantesten. Und die Geologie der Gegend ist besonders spannend (siehe mein Buch Bewegte Bergwelt). Erstaunlicherweise habe ich kaum Leute getroffen, die die selbe Runde gemacht haben.