Von Kathmandu aus ist der Langtang Himal die näckhstgelegene Bergkette des Hohen Himalaja (s.a. mein Buch Bewegte Bergwelt). Trotzdem ist es zum Ausgangspunkt des Treks eine sechsstündige Busfahrt. Es ging über ein schmales Sträßchen, das sich in nicht endenwollenden Kurven die Berghänge auf- und abschlängelt. Wegen der Feiertage war der Bus unfassbar voll, nicht nur jeder Stehplatz war doppelt und dreifach besetzt, sondern auch das Dach. Wegen der mangelnden Beinfreiheit musste ich die Knie nach oben klappen, wobei mir fast die Beine einschliefen. Und irgendwann hatte ich noch ein Kind auf dem Schoss sitzen, das nicht mehr stehen konnte und das sich die ganze Zeit eine Plastiktüte vor das Gesicht hielt, obwohl es sich schon längst leergekotzt hatte …
An der steilsten Stelle blieb der Bus im Schlamm stecken. Die Straße war vom Regen der letzten Woche völlig aufgeweicht. Es forderte die gemeinsame Kraft der Passagiere, um den Bus aufwärtszuschieben. Es war zwar Mitte Oktober, normalerweise die trockenste Zeit in Nepal, aber ein Taifun, der Indien und Bangladesh unter Wasser gesetzt hatte, führte auch in Nepal zu heftigen Regenfällen. Aber alle Nepalis waren überzeugt, dass es jetzt wirklich vorbei war mit dem Regen.
Ich wollte zunächst zu den Gosainkund-Seen wandern und schloss mich spontan zwei Franzosen an, die dasselbe Ziel hatten. Am Vormittag des zweiten Tages erreichten wir Laurebina, einen hervorragenden Aussichtspunkt, und sahen zu, wie die letzten Berge (von denen bis hier nur hin und wieder etwas zu sehen war) in den aufziehenden Wolken verschwanden.
Wir quartierten uns in eines der beiden Teehäuser ein und ich wanderte am Nachmittag noch nach Gosainkund hinauf, zu den Seen, die Hindus als heilig gelten. Auf den Bergen im Hintergrund lag bis zum Ufer hinunter Neuschnee, was ziemlich hübsch aussah. Dahinter könnte man über einen Pass ins Helambu-Gebiet wechseln und in ein paar Tagen bis Kathmandu wandern. Genau das hatten die beiden Franzosen vor, ich wollte hingegen in die andere Richtung ins Langtang-Tal.
Bei Sonnenaufgang hatten wir von Laurebina eine großartige Sicht auf Langtang Lirung, den höchsten Berg der Umgebung, gegenüber auf Ganesh Himal und dazwischen auf Berge, die bereits zu Tibet gehören. Links davon sind, weit entfernt, auch Manaslu und Annapurna zu sehen.
Von hier aus musste ich erst mehr als 2000 m absteigen, um im Langtang-Tal auf eine ähnliche Höhe wieder aufzusteigen. Der Weg führt mal aussichtsreich über Wiesen, mal durch dichten Rhododendron-Wald. Je tiefer ich kam, desto heißer war es und bald tropfte mir regelrecht der Schweiß von der Stirn. Endlich erreichte ich den türkisgrünen Fluss, den ich durch eine dicht bewaldete Schlucht wieder hinauf folge. Jetzt war ich auf einer der beliebtesten Trekking-Routen in Nepal, entsprechend viele Touristen und Träger traf ich.
Nach einer Nacht in Rimche ging es weiter, bald schimmerte auch zum ersten Mal eine weiße Wand aus Eis zwischen den Baumstämmen hindurch. Es sind aber noch mehrere Stunden Fußmarsch, bis sich das Tal weitet und mehr von den Bergen zu sehen ist. Inzwischen hatte ich mich mit einem nepalesischen Student angefreundet, der ebenfalls eine schwere Fotoausrüstung herumschleppte.
Wirklich spektakulär wird die Landschaft etwa ab dem Dorf Langtang. Hier wanderten wir immer wieder an Mani-Mauern entlang, aus Schiefertafeln aufgehäuft, in die Mantren in tibetischer Schrift gehauen sind. Wie bei einer Stupa geht man immer links daran vorbei. Mehrfach sind auch mit Wasser angetriebene Gebetsmühlen zu sehen. Doch kurz, bevor wir am Nachmittag in Kyanche Gompa ankamen, verschwanden die Berge in Wolken, wie jeden Nachmittag. Die meisten Trekker besteigen von hier aus einen der Aussichtspunkte und machen sich dann schon wieder auf den Rückweg. Dabei lohnt es sich, den oberen Teil des Tales zu erkunden.
Am nächsten Morgen wollte ich vor Sonnenaufgang zu einem der Aussichtspunkte starten, den Kyanjin Ri (4773 m). Eigentlich wollte mein Zimmergenosse mitkommen, aber als ich ihn weckte, grummelte er nur „zu müde“ und drehte sich um. Also stieg ich allein auf, bei Sonnenaufgang saß ich auf einem Hügel hoch oberhalb des Dorfes, eine Stunde später auf dem Gipfel. Hier sind vor allem zwei Gletscher zu sehen, die als steile Eisbrüche von Langtang Lirung und Kimshung hinab fließen. Allerdings war ich enttäuscht, wie wenig von den Gletschern überhaupt noch übrig ist, ich hatte deutlich spektakulärere Fotos gesehen!
Zurück im Teehaus war unser Zimmer verschlossen und ich hatte keine Ahnung, wo mein neuer Freund steckte. So war mein Plan, einen Tagesmarsch das Tal hinauf zum Morimoto-Basecamp zu wandern, zwangsläufig auf den folgenden Tag verschoben … stattdessen bestieg ich auf der anderen Talseite einen Hügel, auf dem auch einige Gebetsfahnen flatterten und von dem ich einen tollen Überblick über das Tal hatte. Abends war das Schlüsselproblem dann gelöst.
Die Wanderung das Tal weiter hinauf ist sehr spektakulär. Immer wieder kommt ein neuer Bergriese in Sicht, der in einer steilen Eiswand direkt über dem Talboden aufragt. Die meisten sind Sechstausender, was im Vergleich mit dem Everest ja fast winzig ist, aber die steilen Wände, mit denen sie ins Tal abfallen, sind sehr beeindruckend.
Ich passierte Langshisa Kharka, eine Alm, die manche Trekker noch als Tagesausflug erreichen, und stieg dann auf einem wenig begangenen Pfad zu der Moräne eines großen Talgletschers auf.
Hier oben lag bereits einiger Schnee, die letzte Fußspur verschwand irgendwann und ich baute mein Zelt auf einer flachen Stelle auf, wo auf der Karte „Morimoto-Basecamp“ steht. Nachts hatte ich gemütliche -8 °C im Zelt, draußen war es noch eisiger. Ich brauchte am Morgen dann auch einige Zeit, die Heringe aus dem harten Schnee wieder auszugraben.
Der Blick über den Talgletscher hinauf auf die steilen Bergwände ist sehr beeindruckend.
Zurück in Kyanche Gompa wollte ich noch Tsergo Ri (4984 m) besteigen, den besten der Aussichtspunkte: ein rundlicher Berg, um den das Tal eine Schleife macht, was einem eine beeindruckende Rundumsicht ermöglicht.
Übrigens sind Tsergo Ri und die benachbarten „Hügel“ die Massen eines gewaltigen Bergsturzes, eines der größten überhaupt, wobei vor etwa 40000 Jahren die gesamte Bergflanke des Yansa Tsengi (Dragpoche) abgerutscht ist. Freilich ist bereits ein guter Teil der Bergsturzmassen wieder erodiert worden.
Ich war bereits gut an die Höhe angepasst und kam gut vorwärts. Im oberen Drittel stapfte ich in einer guten Spur durch Schnee. Kaum hatte ich einige Fotos geschossen und etwas gegessen, rückten dichte Wolken heran, ausgerechnet an diesem Tag ein paar Stunden früher als sonst. Bald steckte ich in dichtem Nebel.
Als ich am Abend am warmen Ofen saß und es draußen schneite, war ich froh, nicht mehr in meinem Zelt einen Tagesmarsch von jeder Zivilisation entfernt zu liegen.
Nun musste ich nur noch das Tal wieder hinab wandern, was im gemütlichen Tempo zwei Tage dauert. Winterlich stapfte ich im Schnee los, etwas weiter unten ging es durch herbstliche Farben und ein paar Stunden später währe ich in der grünen Schlucht im Sommer angekommen, wenn es nicht geregnet hätte: Der Regen war alles andere als tropisch heiß. Und dann nochmals die lange Busfahrt, zum Glück war es diesmal nicht so voll. Schon saß ich statt in frischer Bergluft im Smog von Kathmandu und bereitete mich auf den nächsten Trek zum Everest vor.
Fazit: Dies ist nicht zu unrecht einer der beliebtesten Treks in Nepal, er bietet beeindruckende Aussichten (wobei man unbedingt sowohl Tsergo Ri als auch Langshisa Kharka besuchen sollte) und eine abwechslungsreiche Route. Weit beeindruckender sind allerdings die Everest-Region und Annapurna Basecamp.