La Gomera unterscheidet sich völlig von den Nachbarinseln. Während La Palma und El Hierro aktive Schildvulkane sind und sich auf Teneriffa der Stratovulkan Teide über älteren Schildvulkanen aufgebaut hat, war La Gomera schon lange nicht mehr aktiv, im ganzen Quartär gab es keine einzige Eruption. Das ist erstaunlich, weil sich angeblich der Hotspot direkt westlich befindet und die Vulkane von La Palma und El Hierro füttert, ein gutes Argument der Zweifler an der Hotspot-Theorie (über die ich im Artikel über Teneriffa geschrieben habe, mehr dazu in meinem Buch Bewegte Bergwelt).
Jedenfalls ist die Insel ein stark erodierter Schildvulkan, ein Musterbeispiel für das Schicksal, das eine durch Hotspot gebildete Insel nach ihrer aktivsten Phase durchmacht. Radialstrahlig haben sich tiefe Täler eingeschnitten, in deren Felswände alten Lavaströme auszumachen sind. Während in den Tälern Palmen, Kakteen und Büsche wachsen, sind die steilen Hänge relativ kahl.
Ganz anders wirkt das Zentrum der Insel rund um den höchsten Gipfel Garajonay. Die Hänge sind relativ flach, quasi ein Plateau, und von einem dichten Wald bedeckt. Dieser Lorbeerwald mit seinen subtropischen Arten ist sozusagen ein „lebendes Fossil“, ähnliche Wälder hat es in Europa vor den Eiszeiten gegeben.
Der Wald befindet sich genau in der Höhe der Wolken, die durch den Passat über die Insel getrieben werden. Die Feuchtigkeit kondensiert an den Pflanzen und sorgt so für das notwendige Wasser an einem Ort, an dem es kaum Niederschläge gibt. Allerdings habe ich ausgerechnet bei meiner Wanderung durch diesen Nebelwald den ersten wolkenfreien Tag der ganzen Reise erwischt…
Der Grund für das Plateau ist ein dickes Paket aus horizontalen Lavaströmen, die das Zentrum der Insel ausmachen. Diese sind innerhalb einer Caldera ausgeflossen, die sie aufgefüllt haben. Sie gehören damit zu den jüngsten Einheiten der Insel.
Als Geologen haben es mir am meisten die Felsen rund um den Aussichtspunkt Roque de Ojila angetan. Bei den kuppelförmigen Felsen handelt es sich um Phonolithintrusionen, die durch Erosion freigelegt worden sind.
Man kann sich gut vorstellen, wie das Magma aufgestiegen und knapp unter der Erdoberfläche steckengeblieben ist. Der schönste, Roque de Agando, erinnert mich sehr an den Felsen hinter der Inkastadt Machu Picchu.
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