Die Fahrt von Yerevan zum Sevansee lässt schon erahnen, wie enttäuschend Sevan sein wird. Auf der Strecke reihen sich die Stände aneinander, die Gummireifen und Badeanzüge verkaufen. Entsprechend ist der Strand knallvoll, daneben parkende Autos mit aufgedrehter Stereoanlage und alles verdammt teuer. Die beiden Kirchlein, die am Ende des Strandes auf einem Hügel stehen sind auch nicht so beeindruckend… Vielleicht hätte ich lieber die abgelegeneren Bereiche des Sees erkunden sollen.
Etwas weiter liegt Dilijan, eine Art sowjetisches Todtnauberg, mit Wiesen, bewaldeten Bergen (allerdings überwiegend Buche) und sowjetischer Architektur. Und noch zwei Klöster mehr…
Kurz vor der georgischen Grenze komme ich nochmals zu einem Höhepunkt: die Klöster Sanahin und Haghpat, gelegen am Rand der Debed-Schlucht, in der tief unten die Minenstadt Alaverdi vor sich hin raucht. Armenische Kirchen sind oft auf einem griechischen Kreuz als Grundriss gebaut, mit einem kegelförmigen Dach über der Kuppel der Vierung. Davor steht meist ein angebauter Glockenturm oder eine Vorkirche mit einem weiten, #-förmigen Gewölbe und einem Boden aus Grabsteinen. Innen sind die Kirchen schlicht und düster, nur selten sind verblasste Fresken erhalten. Beide, Sanahin und Haghpat, haben mehrere Kirchen, eine Bibliothek, Refraktorium und weitere Gebäude, darum stehen Chatschkars, kunstvoll behauende Kreuzsteine. Haghpat, mit seinen verschachtelten Dächern und Kuppeln ist vermutlich das schönste der Klöster Armeniens. Das düstere Innere und der Geruch nach Vogelscheiße erinnert mich merkwürdig an indische Tempel.
Unten in Alaverdi steht eine geschwungene mittelalterliche Brücke, auf deren Geländer vier Steinlöwen sitzen. Wenn ein richtiger Mann die Brücke überquere, so heißt es, werden sie lebendig. Hat es also seit Jahrhunderten keine richtigen Männer in Armenien gegeben? Ich bin nicht überrascht, dass sie auch bei mir still liegen bleiben. Allerdings finde ich, dass sie nicht wie Löwen aussehen. Fast eher wie Frösche. Vielleicht ist ja etwas in der Geschichte falsch und man muss sie Wirklichkeit wach küssen? Doch auch das hat nicht funktioniert…
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Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2