Meine vorletzten Worte aus dem Tübinger Lichtenstein

Ein kritischer Rückblick auf meine Zeit im Tübinger Lichtenstein: zwischen Verbindungsklimbim und einem Stück Freiheit, das nicht in ein paar Worte zu Fassen ist. Über Wäscheständer und kalte Duschen…

„Es ist ein Vergnügen anzusehen, wie blind die Menschen für ihre eigenen Sünden sind und wie heftig sie die Laster verfolgen, die sie selbst nicht haben.“ (Machiavelli)

Meine Zeit im Lichtenstein neigt sich nun unweigerlich dem Ende zu: die Kündigung flatterte neulich, zwei Tage vor meinem Geburtstag (vielen Dank für die Blumen…), in den Briefkasten. Das ist fraglos ein guter Grund, auf meine Zeit im Haus zurückzublicken.

Lichtenstein… Bevor ich nach Tübingen kam, war es mir undenkbar, dass es ein derart märchenhaftes Haus geben kann, in dem es ohne Bändel, Kappe und Degen zugeht. Die durchweg positive Meinung über das Lichtenstein „bei den Studenten in der Stadt“ brachte mich dazu, mich vorzustellen und auf ein Zimmer zu bewerben. Das Flair des Hauses empfand ich als ein gelungenes Crossover zwischen einem Schlösschen und alternativen Wohnprojekten, wie ich sie bisher kannte. Dass das Haus einem Verein gehört, der es im Sinne eines Generationenvertrages erhält und weiter gibt, das klingt nicht sehr anders als bei anderen Projekten, zumal das Leben im Haus selbstverwaltet abläuft.

Neu eingezogen war ich dann einigermaßen überrascht über die ständig auf uns nieder prasselnden Emails, in denen der Große Vorsitzende die Zustände „auf (sic!) dem Haus“ beklagt. Dabei wurde wahrlich aus einer Katze ein Elefant gemacht („Katzenscheiße allüberall“, die auf bedrohliche Weise die Substanz des Hauses angreift!), die im Flur aufgestellten Wäscheständer sind lebensbedrohliche Barrikaden (oder je nach Laune auch mal substanzschädigend), aus einem Stapel Holzplatten im Musikzimmer werden Müllberge und überhaupt ist das ganze Haus grundsätzlich in einem nicht betretbaren Zustand (irgendwie hat er es aber trotzdem immer wieder ins Haus geschafft). Die Wäscheständer sind tatsächlich ein Dauerbrenner: unsinnigerweise wurde uns vorgeschrieben, die Wäsche im Fahrradkeller aufzuhängen, ein großer, kaum isolierter Raum, in dem selbst eine voll aufgedrehte Heizung kaum merkliche Wärme schafft. Wohl um diese Energieverschwendung auszugleichen, müssen die oberen Stockwerke mit einer Dusche auskommen, aus der (insbesondere im Winter) in der Regel nur eiskaltes Wasser kommt! Geht es um die Substanz des Hauses scheint dieses schon fast in Trümmern zu liegen. Niemand wird bestreiten, dass das Zusammenleben von fast 20 Personen auch Kratzer verursacht. Vielleicht wurde auch einmal eine zerbrochene Fliese nicht zeitnah ersetzt, es liegt mir fern zu behaupten, wir hätten keine Fehler gemacht. Aber es wurde doch von uns auch jede Menge Farbe, Zeit und Nerven in die Substanz des Hauses gesteckt. Trotzdem scheinen die BewohnerInnen alles falsch zu machen, während der große Vorsitzende per Definition alles richtig macht.

Dass früher alles besser, ordentlicher war, mag glauben wer will: einige Erzählungen lassen durchaus anderes vermuten. Entsprechend beginnt man mit der Zeit zu ahnen, dass es bei dem ständigen Gerede um Ordnung und die Substanz des Hauses um etwas anderes geht: um den bei einer Riege von Hardlinern über Jahrzehnte angestauten Frust darüber, dass das Leben hier nicht der altmodisch-romantischen Vorstellung einer Verbindung entspricht. Der erste Schreck darüber, wo ich denn hier gelandet war, kam mit dem ersten mir in die Hände fallenden Bundesblatt: ein altes Foto feierte das „Verbindungsleben anno dazumal“, mit Degen und Wichs. Dies widersprach allem, was ich vorher über das Lichtenstein gehört hatte.

Dass der Lichtenstein noch immer eine Verbindung ist, war tatsächlich zu Beginn meiner Zeit (das wird einige schockieren) niemandem im Haus in all seinen Auswirkungen klar. Da war vor langer Zeit einmal eine Zukunftswerkstatt gewesen, noch früher stand das Haus auch mal leer, es gab unzählige kleine Anekdoten, aber genaueres konnte mir niemand im Haus sagen. Tatsächlich steht es auch nicht in der Satzung: dort ist von der „Akademischen Verbindung Lichtenstein in Tübingen, ihrer Vorgänger und Nachfolger“ die Rede. Wenn es Nachfolger gibt, so folgerte ich damals aus Unwissenheit, dann ist die Verbindung längst Geschichte. Inzwischen habe ich einiges über die turbulente Geschichte erfahren und seit ein Mitbewohner so unvorsichtig war, in einer Anzeige von „WG“ zu reden, wird uns die Verbindung regelmäßig um die Ohren gehauen. Für mich ist und bleibt „Verbindung“ ein rein negativ besetzter Begriff. Vielleicht erklärt mir ja mal jemand, warum an diesem Wort so krampfhaft festgehalten wird, obwohl jeder sagt „wir hatten damals auch ein Problem damit, wir haben immer gesagt, wir sind eine Verbindung, aber wir sind ganz anders als die anderen.“ Die Stifter des Lichtenstein waren konsequenter, sie haben den Lichtenstein explizit nicht Verbindung, sondern Gemeinschaft genannt.

In der Zeit meines Einzuges tauchte die Befürchtung auf, der Große Vorsitzende versuche, einen Hausmeister zu etablieren. Der Grund war angeblich die von uns aufs fahrlässigste vernachlässigte Substanz des Hauses, aber einige empfanden es als ein Kratzen an der Selbstverwaltung: zu einem Verbindungshaus gehört eben ein Hausmeister und eine Haushälterin, die den Studenten die Betten beziehen, das Essen auf den Tisch stellen und für Ordnung sorgen. Tatsächlich wird etwa ein Jahr später der „Hausmeistermasterplan“ enthüllen, worum es wirklich geht: die Wörter „Überprüfung“ und „Kontrolle“ kommen in diesem Dokument zusammen 14 Mal vor (bei insgesamt unter 200 Wörtern).

Beim darauf folgenden Stiftungsfest lernte ich zum ersten Mal die Alten Herren kennen, was von sehr widersprüchlichen Gefühlen begleitet war: ohnmächtig sah ich zu, wie die Diskussion vom Großen Vorsitzenden dirigiert wurde: die BewohnerInnen haben sowieso keine Stimme, diejenigen Alten Herren, die nicht die Meinung des Vorsitzenden vertraten, kamen kaum zu Wort, wenn doch wurde es immer wieder von parteitreuen grauen Eminenzen abgeschnitten. Schnell wurde zur Abstimmung geschritten. Ganz nebenbei kam auch noch heraus, dass wir schon längst einen Hausmeister hatten: dieser war vor einiger Zeit zum zweiten Mal als ganz normaler Bewohner eingezogen, scheinbar nur um kurzfristig irgendwo unterzukommen. Ohne unser Wissen gab es irgendwelche Sonderabsprachen mit dem Vorstand: vermutlich Hausmeister gegen billige Miete oder endlose Wohnzeit (was aber genau die Absprache war, wissen wir bis heute nicht). Dieser Zustand sollte jetzt offiziell gemacht werden, zum Glück tat ihm aber der Betreffende nicht den Gefallen und zog kurz darauf aus. An jenem Abend jedoch war unsere Stimmung am Ende, wir fühlten uns natürlich hinter- und übergangen. Doch nicht wenige aus dem Verein fühlten sich ebenso überrannt und redeten uns Mut zu. Ich erfuhr über die wilden Kämpfe, die in diesem Haus schon geführt wurden, über den andauernden Generationenkonflikt hat so gut wie jeder eigene Anekdoten und eigene Sichtweisen auf Lager. An jenem Abend lernte ich einige sehr sympathische jüngere und junggebliebene Alte Damen und Herren kennen, die mich wieder mit dem Lichtenstein versöhnten.

Bei den folgenden diplomatischen Gesprächen hatten wir dann doch das Gefühl, dass man miteinander reden kann. Die Entscheidung, dass es einen Hausmeister geben soll war zwar unumstößlich, aber um das Konfliktpotential zu minimieren einigten wir uns darauf, dass diese Person nicht aus dem Verein sein soll und dass wir bei der Auswahl mitreden dürfen. Ein halbes Jahr später, und das ist durchaus symptomatisch für die Beziehung zwischen BATL-Vorsitzenden und uns, erfuhren wir aus dem Nebensatz einer Email (die nicht einmal an uns gerichtet war), dass der neue Hausmeister nicht nur schon fest stehe, sondern auch noch ein Alter Herr sei. Keine der beiden Absprachen war eingehalten worden und wir wussten nicht einmal etwas davon! Das miteinander-reden-können war also reine Farce gewesen. Wir wollten mit dem betreffenden lieber wie gehabt stochern gehen, denn als Hausmeister (mit der Hauptaufgabe Kontrolle!), so befürchteten wir, wäre er zwischen die Fronten geraten. Lustiger Weise lud uns der große Vorsitzende nach langer Diskussion zum Ausschuss ein, auf dem die Entscheidung endgültig fallen sollte: natürlich haben wir dort kein Stimmrecht (und später wird er uns vorwerfen, dass wir dort nichts zu suchen gehabt hätten). Es kostete uns einige Mühe, dass wir uns letztlich doch durchsetzen konnten, was aber nur möglich war, da der Wunschkandidat des BATL den Job nicht ohne unserer Zustimmung machen wollte (wofür ich ihm wirklich danke!). Der inzwischen eingestellte Hausmeister kümmert sich tatsächlich um die Substanz, nicht um uns.

Einen ganzen Sommer über wurde das Haus renoviert, schließlich rückt das 100jährige Jubiläum des Hauses näher (dass dabei anfangs ohne Rücksicht auf die Regeln des Denkmalschutzes drauf los renoviert wurde, wollen wir mal links liegen lassen). Letztlich leuchtete das Haus in neuer Farbe (was leider die schönen Weinranken an der Fassade gekostet hat), der Fahnenmast auf dem Dach wurde auf Vordermann gebracht (eine vorsichtige Nachfrage eines Bewohners, was mit dem Fahnenmast passiere, hatte eine vor Wut schnaubende Email zur Folge: über die seit 134 Jahren ungebrochene (ach?) Tradition der Verbindung, zu der auch die Fahne gehöre (tamtam!). Wem dies nicht passt, der müsse sofort vom (sic!) Haus ziehen (autsch)!). In unserer Dusche kommt freilich noch immer kein warmes Wasser, aber eine Dusche hat ja auch nichts mit Traditionspflege zu tun. Was die viel bemühte Substanz des Hauses angeht war ich doch einigermaßen überrascht, als ich aus dem Urlaub wieder kam und meine Dachgaube, vorher noch aus Holz, jetzt aus braun angemaltem Putz bestand. Sicherlich pflegeleichter und solange man es von unten nicht sieht…..?

Zu Beginn der Renovierung war der Vorsitzende besonders häufig im Haus und da es nicht besser oder schlimmer als sonst aussah, bekamen wir zu dieser Zeit besonders viele Vorwürfe. Anstatt uns auf dieses oder jenes Versäumnis freundlich hinzuweisen, zog er es vor, Beweisfotos von dreckigen Ecken zu schießen und am Abend eine wütende Email an uns zu schreiben. Mich persönlich (in meiner damaligen Eigenschaft als Müllwart) traf am meisten eine Beschwerde, dass angeblich die Gelben Säcke nicht entsorgt worden wären und sich bis zur Decke stapeln würden. Ich hatte sehr wohl die Säcke bei der letzten Abfuhr an die Strasse gestellt und tatsächlich stapelten sich dort auch nicht mehr Säcke, als eben alle zwei Wochen anfallen. Das sind nunmal bei so vielen Personen etwas mehr als in einem Einpersonenhaushalt! (Monate später habe ich dann doch einmal das Altpapier vergessen. Das hat der Vorsitzende aber zum Glück nicht gemerkt…)

Beim Frühlingsfest hatten wir es tatsächlich nicht geschafft, innerhalb einer Woche vollständig aufzuräumen. Wegen der Pfingstferien fuhren viele BewoherInnen am Tag danach weg und für die wenigen daheim gebliebenen war es schlicht nicht zu schaffen. Das war sehr bedauerlich, wir haben uns auch mehrfach dafür entschuldigt (ebenso haben wir uns mehrfach für das Semesterprogramm entschuldigt). Trotzdem wurde uns die Nutzung des Saales für einige Monate untersagt.

Es war beschlossen worden, dass es eine Hausordnung geben muss, der erste Entwurf war allerdings eine unglaubliche Unverschämtheit, es ist nach meiner Meinung ein Skandal, dass darüber auch nur diskutiert wurde: nicht nur, dass festgelegt wurde, wie wir uns am Telefon zu melden haben, wo die Wäsche aufgehängt werden muss usw., es wurde auch noch vorgeschrieben, dass immer mindestens ein Bewohner im Haus sein muss (gibt es nicht ein Grundrecht auf Bewegungsfreiheit?) und dass unsere Sprecher zur Denunziation verpflichtet werden. Wer mehrmals gegen diese Regeln verstößt, fliegt raus. Das beschlossene Ergebnis enthält zwar nicht mehr die Denunziationsklausel, die anderen Punkte sind aber noch drin. Ein delikates Detail war, dass zwei junge Mitglieder des Ausschusses (eben jenes Entscheidungsgremium) gar nicht erst zur Sitzung eingeladen wurden, während der Termin wissentlich so gelegt wurde, dass eine weitere gar nicht kommen konnte. Dadurch konnten die grauen Eminenzen im kleinen Kreis allein entscheiden.

Mit dem Bundesblatt erreichten uns des Vorsitzenden „Vorletzte Worte“, in dem alle Vorwürfe der letzten Jahrzehnte zusammengestellt und den aktuellen Bewohnern angehängt wurden. Alles gehe kaputt und die BewohnerInnen seien nichts als Schnorrer. Die Selbstverwaltung bringe gar nichts und er fordere daher einen eindeutigen Paradigmenwechsel. Über die nächsten Monate erreichten uns immer wieder wüste Drohungen, die mit Worten wie „zieht euch warm an“ bekräftigt wurden. Der Antrag sei noch nicht formuliert, aber es sei gut möglich, dass die Aktivitas aufgelöst würde, d.h. dass alle aus dem Haus geworfen werden sollten. Zum Glück bekamen wir auch viele Emails von anderen, die ebenso überrascht über das Bundesblatt waren wie wir und die uns Mut zu sprachen. Der Küchenstammtisch war so rege besucht wie lange nicht.

Im Vorfeld des aufziehenden Konvents erreichte uns auch eine Email, in der der Vorsitzende uns darauf hin wies, dass lediglich die beiden Sprecher im Konvent anwesend sein dürfen. Das überraschte uns sehr, viele Alte Herren hatten uns die letzten Male gesagt, wie sehr sie sich darüber freuen, dass wir anwesend seien und dadurch Interesse zeigen. Stimm- und Rederecht haben wir ja sowieso nicht. Zum Glück schlugen wir in der Satzung nach, so konnten von Anfang an fünf BewohnerInnen anwesend sein.

Jener Nachmittag begann damit, dass der Vorsitzende erklärte, dass die letzte Vorstandswahl vier Jahre zurückliege, daher eigentlich auf diesem Konvent gewählt werden müsse, dass er aber vergessen hatte (Huch?), dies anzukündigen. Dem Vorstand wurde daher um ein Jahr verlängert. Nach diesem unblutigen Staatsstreich wurde von einem jüngeren Alten Herren der Antrag gestellt, dass alle BewohnerInnen dabei sein dürfen, worauf hin der Große Vorsitzende aus der Satzung vorlas: „In der Mitgliederversammlung haben fünf Vertreter/-innen des jungen Lichtenstein Anwesenheits- und Rederecht; ein Stimmrecht ist damit nicht verbunden.“ und gnädig hinzufügte: „Fünf dürfen dabei sein, weil ich es erlaube.“ Da er den in der Satzung folgenden Satz („Die Mitgliederversammlung kann die Teilnahme weiterer Vertreter-/innen des jungen Lichtenstein zulassen.“) einfach wegließ, sekundierten schon andere Alte Herren: seht ihr, laut Satzung können wir nicht über den Antrag abstimmen. Wie gesagt, wir hatten die Satzung gelesen… Aber dies ist ein gutes Beispiel, wie in diesem Laden Stimmung gemacht wird.

Wie bereits von mir berichtet, drehte sich der halbe Konvent um mich und um den von mir in meinem Blog geschriebenen Artikel Lichtenstein, eine Diskussion, die wie ein Sturm über mich hinweg fegte. Die vertretenen Meinungen reichten von Zustimmung zu meinem Text (was mich sehr gefreut hat!) über „das ist doch eine private Meinung, warum diskutieren wir darüber?“ bis hin zu Rausschmiss. Ich konnte in meinen Wortmeldungen, selbst wenn es sich um Antworten auf direkt an mich gestellte Fragen handelte, kaum einen Satz zu Ende bringen, ohne unterbrochen zu werden. Ein interessantes Detail ist, dass auf die Frage, warum jetzt ein vor Monaten geschriebener Text auf den Tisch gebracht werde, behauptet wurde, man sei erst durch die Verlinkung von der Bewohner-Homepage vor drei Tagen darauf aufmerksam geworden. Eine dreiste Lüge, schliesslich wird meine Seite schon in den „Vorletzten Worten“ im Bundesblatt erwähnt und ich habe durchaus beobachtet, wieviele sich mit Suchbegriffen wie „Tübinger Lichtenstein“ auf meine Seite verirrt hatten. Der Link auf der Bewohnerseite tauchte erst auf, nachdem uns ein Hinweis darauf erreichte, es solle mir deshalb an den Kragen gehen!

Inzwischen bin ich von vielen gefragt worden, was denn an meinem Text so schlimm sein soll, es sei doch eine sehr nette und realistische Beschreibung. Schlimm sind natürlich Worte wie „Verbindungs-Klimbim“, „Nostalgie Bubble“ (versucht einmal, „Bubble“ so deutsch wie möglich auszusprechen, hihi) und „Verbindungsunwesen“, aber auch Tucholsky-Zitate (obwohl ich das Zitat gar nicht auf die Lichtenstein bezogen hatte). Schlimm ist übrigens auch, „das Lichtenstein“ statt „der Lichtenstein“ zu sagen.

In der Diskussion wurde zwar immer wieder vom „Ende des Generationenvertrages“ usw. geredet, aber es war erstaunlich, dass alle sich auf mich eingeschossen hatten und die angedrohte „Auflösung der Aktivitas“ zunächst unter den Tisch fiel. Ein Alter Herr bemerkte immerhin, das Thema sei lediglich um ein Jahr verschoben. Und der Vorsitzende wischte die versöhnlichen Beiträge der BewohnerInnen beiseite: „so, ihr seid also nicht an Konfrontation interessiert? Also ich bin sehr an Konfrontation interessiert!“

Die wie erwähnt vom Ausschuss ausgearbeitete Hausordung wurde „zur Kenntnisnahme“ ausgeteilt, es wurde explizit festgestellt, dass diese nicht zur Debatte stehe. Die einzige Bemerkung zum Inhalt war der betonte Hinweis darauf, dass sie auch Konsequenzen beinhaltet. Das hatte ich mir schon gedacht, es ging auch diesmal nicht um die Substanz, sondern darum, den grauen Eminenzen unliebsame BewohnerInnen auf die Straße zu setzen.

Ich verstehe nicht, warum im Lichtenstein Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander klaffen. Da wird beklagt, dass zu wenige in den Verein eintreten und gleichzeitig wird der Eintritt so bürokratisch und unangenehm wie nur möglich gemacht. Der Konvent ist jedes mal einfach nur abschreckend, es ist doch eher bewundernswert, dass trotzdem einige Leute eintreten! Alle freuen sich auf das Programm an Weinabend und Stiftungsfest, das aber unter so motivierenden Drohungen wie „Auflösung der Aktivitas“ vorbereitet werden muss. Die BewohnerInnen sollen Veranstaltungen machen, dann wird ihnen aber über Monate hinweg die Nutzung des Saales untersagt. Und wenn von mir ein freundschaftlicher Umgang erwartet wird (wie peinlich, so etwas in die Hausordnung zu schreiben!), erwarte ich das selbe von der anderen Seite (auch z.B. von einer gewissen Person, die regelmäßig im Gästezimmer residiert). Auch finde ich es schade, dass immer wieder übergangen wird, dass die Bewohner nur 2 bis 3 Jahre im Haus leben und folglich mit weiter zurückliegenden Vorwürfen nicht viel anfangen können. Wer hier einzieht, braucht auch einige Zeit, um all die im Haus herumstehenden Fettnäpfchen, von denen es mehr als genug gibt, kennen zu lernen.

Es tut mir leid, dass ich in diesem Artikel kein schöneres Bild vom Lichtenstein zeichne, das liegt auch daran, dass mich die letzten Monate sehr mitgenommen haben. Dabei halte ich doch die Idee des Generationenvertrages, den fakultätsübergreifenden Freundeskreis (so die „Grundzüge des Lichtensteinhauses“) für sehr schöne Ideen. Ich werde die vielen Freundschaften, die ich in diesem märchenhaften Haus geschlossen habe, nicht vergessen. Auch nicht all die schönen Momente, wie zusammen gefeierte Feste, die auf dem Stocherkahn verbrachten Stunden, ein Brunch im Garten oder das gemeinsame Abendessen. Ich habe das (von mir aus auch den) Lichtenstein durchaus lieb gewonnen und hoffe, dass das Lichtenstein, wie ich es liebe, eine Zukunft hat. Aber ich kann in einem Punkt dem Großen Vorgesetzten, wenn auch unter entgegengesetzten Vorzeichen, nur zustimmen: es muss sich einiges ändern, damit ich stolz sein könnte, Lichtensteiner zu sein.


(Update 01.03.08 und 23.04.08)

Die Mächtigen im BATL machen sich inzwischen wirklich lächerlich: da wurde von Konvent zu Konvent beklagt, dass zu wenige Junge in den Verein eintreten und jetzt kann man es sich plötzlich leisten, sämtliche BewerberInnen einfach abzulehnen! Man wollte sogar die letzten 4 Aufnahmen rückgängig machen, da sie Satzungswiedrig waren.

Auch wurde immer wieder beklagt, dass die Veranstaltungen nicht so wären wie „damals“. Aber zum Schattentheater oder Vorträgen bemüht sich dann auch niemand.

Ende April 2008 wurde in einem Sonderkonvent tatsächlich entschieden, dass bis Ende Dezember alle ausziehen müssen. Endlich wurde zugegeben, dass es nicht um Katzenscheiße geht, sondern darum, das sich der Laden über Jahrzehnte hinweg von einer Verbingung zu einer ganz normalen WG entwickelt habe. Eine gute Sache, sollte man meinen, aber die AHs sind nun einmal hoffnungslos im 19. Jh hängen geblieben. Ist das Lichti bald eine ganz normale Verbindung? Oder ein leerstehendes Haus? Gibt es für die BewohnerInnen noch einen Grund, sich für den ach so bedeutenden Lichtenstein, der sie seit Monaten mit Frust überschüttet, einzusetzten?