Ein Blick in den Krater des Villarrica und eine Wanderung zu Seen und Araukarien (Seengebiet in Patagonien, Chile)
Vom Touriort Pucon aus lasse ich mich auf den Zirkus am Vulkan Villarrica ein: in einer Gruppe mit Führern steigen wir im Schneckentempo über Schnee zum Gipfel auf, als Teil einer endlos langen Ameisenstraße. Der Blick von oben ist es auf jeden Fall wert. Das Besondere ist, dass der Krater offen ist, irgendwo dort unten im senkrechten Schlund, aus dem giftige Wolken quellen, wabert das flüssige Magma (s.a. Bewegte Bergwelt). Die Aktivität ist derzeit gering, in anderen Zeiten konnte man sogar herauf spratzende Lava sehen. Die Führer erzählen mir, mit welchen abenteuerlichen Aktionen Vulkanologen hier Gasproben genommen haben …
Auch sonst kann sich der Blick sehen lassen. Im Norden ist während des ganzen Aufstiegs der Vulkan Llaima zu sehen. Nach Osten sieht man zwei Vulkane, den relativ flachen Quetrupillan und dahinter den hohen Kegel des Lanin. Und im Süden stecken El Mocho und Choshuenco in den Wolken, die ich bereits vom Puyehue aus gesehen habe.
Etwas unkonventionell ist dann der Abstieg: Wir schnallen uns Nylon an den Hintern, setzen uns auf ein löffelförmiges Stück Plastik und rutschen in einer regelrechten Bobbahn den Hang hinunter.
Als Tagesausflug bin ich zuvor bereits durch den Huerquenes Nationalpark gewandert, von dem aus der Villarica immer wieder zu sehen ist. Der Weg schraubt sich von See zu See, der anfangs noch dichte Wald wird nach oben lichter und immer mehr der merkwürdigen Araukarien mischen sich unter die Bäume. Diese „lebenden Fossilien“ sehen wirklich nach einer anderen Zeit aus.
Auf den Spuren der jüngsten Vulkaneruption in Chile
Puyehue ist ein weiterer Vulkan im Seengebiet (s.a. Bewegte Bergwelt). Wegen der Gipfelcaldera kein perfekter Kegel wie Osorno oder Villarrica und etwas niedriger ist er auch, aber er ist in einer schönen Wanderung zu erreichen und in seiner Nachbarschaft ist noch mehr zu entdecken …
Der Ausgangspunkt, El Caulle, besteht nur aus ein paar Häusern. Mit einem Bus komme ich bis Aguas Calientes und trampe von dort das letzte Stück. Erstmal muss ich in einem Restaurant Eintritt bezahlen und steige dann durch anfangs dichten Wald auf. An der Waldgrenze liegt eine einfache Holzhütte, neben der ich mein Zelt aufschlage.
Am nächsten Morgen lasse ich den Rucksack 100 m höher liegen und steige dann über den noch harten Schnee zum Gipfel auf. Leider hängt dort inzwischen eine Wolke, sodass ich nur wenige Meter Sicht habe. Nachdem ich 500 m wieder abgestiegen bin, ist die Wolke wieder weg. Die Entscheidung ist schnell gefällt, natürlich steige ich wieder auf, es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig! Ich bereue es nicht, der Blick ist wirklich großartig.
Zurück am Rucksack quere ich zur anderen Seite des Vulkans, wo ich heiße Quellen und ein Geothermalfeld erreichen wollte. Die meiste Zeit stapfe ich durch Schnee, was es nicht gerade einfach macht, den Weg zu finden. Hin und wieder entdecke ich eine Stange als Markierung.
Irgendwann kommt der Cordon Caulle in Sicht, die aktivste Zone mit Tuffhügeln und Fumarolen. Ich wundere mich über einen Lavastrom in der Ebene, in der die heißen Quellen sein sollten, weil er im Führer nicht erwähnt wird. Ich steige über gewellte Tuffhügel mit regelmäßig eingeschnittenen Erosionsrinnen ab und stehe schließlich vor der steilen, vielleicht 10 m hohen Wand des blockigen Lavastroms. Von den im Führer beschriebenen Bächen ist nichts zu sehen. Nach etwas Sucherei habe ich den Verdacht, dass der Lavastrom jünger sein könnte als die Beschreibung …
In mühsamem auf und ab gehe ich um den Strom herum. Hier dampft es überall heftig und kurzfristig denke ich, dass es sich vielleicht bei einer der dampfenden Stellen um die heißen Quellen handeln könnte, was natürlich nicht der Fall ist. Irgendwann ist die Sonne untergegangen und ich habe weder einen Platz zum Zelten noch Wasser zum Kochen, da die Bäche nicht mehr existieren, also steuere ich die benachbarte Hochebene mit ihren Schneeresten an. An der tiefsten Stelle des Lavastroms sehe ich dann zwischen den Blöcken des Lavastroms ein leichtes rotes Glühen! Hin und wieder poltern größere Blöcke herunter. Dass der Strom so jung ist, hatte ich dann doch nicht erwartet.
Inzwischen weiß ich, dass der heftig dampfende Hügel neben dem Lavastrom das Zentrum der Eruption vom Juni 2011 ist, bei der es heftige Ascheeruptionen, pyroklastische Ströme und eben einen Lavastrom gab. Der glühende Teil scheint aber ein zweiter Strom zu sein, der erst kürzlich neben den anderen geflossen ist.
In respektvoller Entfernung baue ich endlich mein Zelt auf und fülle den Topf mit Schnee. Zurück nach El Caulle ist es noch ein halber Tag.
Gegenüber ragt der perfekte Vulkankegel des Osorno auf, wie mit Zuckerguss weitgehend von einem Gletscher bedeckt. Eigentlich wollte ich auf den Gipfel, aber der stolze Preis der Bergführer lässt es mich anders überlegen. Bleibt mir nur der sehnsüchtige Blick über den See hinüber.
Das Seengebiet mit seinen grünen Feldern, dichten Regenwäldern, unzähligen Seen in allen Größen und darüber aufragenden Vulkanen und Bergspitzen (s.a. Bewegte Bergwelt) ist für Südamerika sozusagen das südliche Ende der Zivilisation: Etwas weiter beginnt die dünn besiedelte Wildnis von Patagonien.
Ich fliege nach Puerto Montt und fahre zum hübsch an einem See gelegenen Ort Puerto Varas. Gegenüber ragt der perfekte Vulkankegel des Osorno auf, wie mit Zuckerguss weitgehend von einem Gletscher bedeckt. Eigentlich wollte ich auf den Gipfel, aber der stolze Preis der Bergführer lässt es mich anders überlegen. Bleibt mir nur der sehnsüchtige Blick über den See hinüber …
Von Petrohue, das am Fuß des Vulkans am Ufer eines weiteren Sees liegt, wandere ich zum Paso de la Desolacion hinauf. Vor allem im mittleren Teil der Wanderung sind die Blicke sehr schön, dann geht es etwas eintönig über eine Hochebene. Der Blick auf die andere Seite vom Pass selbst ist etwas enttäuschend, daher steige ich noch auf den benachbarten Grat auf, von dem aus wenigstens etwas mehr zu sehen ist. Auf dem Rückweg nach Puerto Varas mache ich am Wasserfall Saltos del Petrohue halt. Das Schöne ist vor allem der Vulkan im Hintergrund … Schließlich erwische ich gerade noch den letzten Bus zurück.
Fussabdrücke der Reptilien in den Südalpen (Trentino, Italien)
Dinos! Als Kind hatte wahrscheinlich jeder einmal eine Phase, während der Dinosaurier das faszinierendste der Welt waren. Auch wenn die Begeisterung seither etwas abgeklungen ist, als Geowissenschaftler finde ich es spannend, einmal Spuren dieser Reptilien in situ zu finden. Auch wenn „finden“ nur bedeutet, dass ich einem Wegweiser hinterherlaufe…
In den Südalpen gibt es mehrere Orte mit Spuren von Dinosauriern. Gleich um die 350 Fußabdrücke ganz unterschiedlicher Saurier hat man an einem Hang bei Rovereto gefunden, einem Städtchen, das nur wenig südlich von Trento im Etschtal liegt und entsprechend leicht zu erreichen ist. Viele Spuren sind einfach eine Reihe von runden Eindrücken, die aussehen, als sei ein Elefant durch Matsch gelaufen. Vereinzelt gibt es Abdrücke eines zweibeinigen Dinosauriers mit jeweils drei Zehen, ein Fleischfresser laut Tafel. Die große Mehrzahl der Spuren ist allerdings nur mit Phantasie zu erkennen. Interessanterweise finden sich die Spuren in der Abrissnische eines Bergsturzes, der sogar von Dante in der Göttlichen Komödie besungen wird. Die schräg gestellten Schichten sehen durchaus so aus, als ob hier wieder einmal etwas abrutschen könnte.
Vor etwa 200 Millionen Jahren (im Lias) war die Trentino-Plattform eine Region mit einem flachen Meer, mit großen Sandbänken und vielen Inseln. Nach der Anzahl der Spuren zu Urteilen muss Rovereto damals ein beliebter Strand gewesen sein.
Ein paar Erläuterungsschilder (auf Italienisch und Englisch) machen das ganze zu einem netten geologischen Lehrpfad. Allerdings ist die Ausschilderung des Wegs verbesserungswürdig (drei, vier Wegweiser mehr würden schon ausreichen), man sollte sich vorher am Parkplatz das Luftbild gut einprägen.
Das kaum befahrene Sträßchen zum Parkplatz ist gut ausgeschildert. Wer ohne Auto unterwegs ist, kann ihn auch zu Fuß erreichen, ich habe 1 h 30 min gebraucht. Am schönsten durchquert man die Altstadt bis zur Festung (im Ort hängen mehrfach Stadtpläne), überquert dort die Brücke und biegt ein paar Meter weiter bei einer Kirche links in einen Fußweg ein. Auf diesem gelangt man auf die Via Madonna del Monte, der man um die 6 km bis zum Ende folgt (ab dem Castel Dante heißt sie Strada degli Artiglieri).
Auf der Via Ferrata delle Bocchette (Schartenweg) entlang der Felstürme der Brenta (Italien)
Die Brenta, die Fortsetzung der Dolomiten jenseits des Etschtals, ist für den Klettersteig bekannt, der über sie hinwegführt: die Via Ferrata delle Bocchette, der Schartenweg. „Über“ stimmt nicht ganz, denn die Gipfel werden konsequent umgangen, es geht jedoch schön ausgesetzt über Felsbänder und auf Leitern auf und ab von Hütte zu Hütte. Er besteht aus mehreren Abschnitten, die bei einem durchschnittlichen Tempo jeweils einen halben Tag dauern.
Ich starte am Grostépass, der mit einer Seilbahn erreicht werden kann. Die Seilbahnstation ist 15 Gehminuten oberhalb von Madonna di Campilgio, wer in Trento um 8 Uhr in den Bus steigt, schafft es noch vor der Mittagspause zur Seilbahn. Ich war später dran, die erste Etappe war aber trotzdem problemlos zu schaffen.
Die erste Etappe ist der Sentiero Benini, der recht kurz und leicht ist, abgesehen von ein paar Leitern im Abstieg zur Tuckettscharte muss man sich kaum einmal festhalten. Er ist aber eine schöne Einstimmung auf das Folgende. Von der Tuckettscharte zur Tucketthütte ist ein Abstieg von 400 Höhenmetern über einen Gletscherrest, den man am nächsten Tag wieder hinauf muss.
Es folgt der Bocchette Alte, die anspruchsvollste Etappe, die auf und ab an der Cima Brenta entlangführt. Aber selbst dieser ist nicht wirklich schwer und da ich kurz nach Mittag schon am Ausstieg bin, steige ich nicht wie geplant zur Alimonta-Hütte ab, sondern gehe gleich weiter.
Der Bocchette Centrale ist der berühmteste Abschnitt. Die meiste Zeit geht es einfach, aber schön ausgesetzt über Felsbänder hinweg, und zwar landschaftlich so großartig, dass es einen geradezu umhaut. Überall wilde Türme und Zinnen und dann passiert man die gewaltige Felsnadel Guglia (Campanile Basso). Leider war die Pedrotti-Hütte total überfüllt (kein Wunder, Samstag und dann noch das erste perfekt schöne Wetter), aber ich finde ein schönes Plätzchen zum biwakieren… Und am nächsten Morgen bin ich sogar motiviert, nochmal auf den Bocchette Centrale zu gehen, um die Guglia mit Sonne im Rücken zu sehen.
Von der Pedrotti-Hütte geht es über zwei kurze Steige, Sentiero Brentari und Sentiero dell’Ideale, zur Zwölfapostelhütte. Der erste ist hinauf ein Pfad, der sich durch Geröll schraubt, der Steig ist daher eher ein hinabklettern. Der unterste Teil ist etwas knifflig, da der Gletscher inzwischen derart abgeschmolzen ist, dass man über eine Felsplatte und eine improvisierte Aluleiter absteigen muss. Der Aufstieg auf dem Gletscher hinauf zum Einstieg des dell’Ideale ist meistens nur mit Steigeisen möglich, bei mir war die Oberfläche aber so aufgefirnt, dass es auch ohne ging. Der folgende Klettersteig ist landschaftlich hübsch, klettermäßig fand ich ihn nicht so toll. Statt dem dell’Ideale könnte man auch zur Agostini-Hütte hinunter und von dort über die Via ferrata Ettore Castiglioni (die wohl überwiegend aus Leitern besteht) zur Zwölfapostelhütte.
Das wars schon. Statt direkt ins Tal abzusteigen, wandere ich zur wirklich schön gelegenen Brentei-Hütte und von dort hinab nach Madonna di Campiglio. Dort steige ich noch auf der gegenüberliegenden Talseite zum Lago Ritort auf, von dem man einen tollen Blick auf die Felstürme der Brenta hat. Die Gesteine sind auf dieser Seite keine Karbonate, sondern Granit oder genauer gesagt Tonalit (der seinen Namen übrigens vom nicht weit entfernten Tonalepass hat). Hier befindet man sich bereits in der Adamello-Intrusion, die neben dem Bergell die einzige große Granitintrusion ist, die während der alpinen Gebirgsbildung entstanden ist. Durch das Tal verläuft eine der großen Störungszonen der Alpen (Judikarien-Linie).
Die zehn Dolomiten-Höhenwege, die alle entlang eines Gratzuges von Berg zu Berg die kompletten Dolomiten in jeweils knapp 2 Wochen durchqueren, gehören sicher zu den schönsten Treks der Alpen. Am häufigsten begangen ist der Höhenweg Nummer 1, der Klassiker. Ich wähle stattdessen die Nummer 9, den einzigen Weg, der die Dolomiten nicht von Nord nach Süd, sondern von West nach Ost durchquert.
Eine gute Wahl, der Weg ist wirklich durchweg schön. Mal sind es aussichtsreiche Spazierwege, an anderer Stelle muss man sich auch mal festhalten, dabei ein ständiger Wechsel beeindruckender Aussichten. Keine einzige Etappe ist langweilig.
Der Weg führt durch die bekanntesten Teile der Dolomiten und ist daher vor allem schön für Wanderer, die die Dolomiten erst noch kennenlernen wollen. Wer hingegen schon einmal in der Region war und zum Beispiel die Klettersteige abgegrast hat, kennt das meiste schon und sollte sich eher einen abgelegeneren Höhenweg aussuchen. Ich war schon mal als Kind in der Gegend und es war spannend, meine wenigen Erinnerungen mit der Realität zu vergleichen. Auch geologisch ist der Weg ganz nett, da man quasi von den älteren zu den jüngeren Einheiten läuft (siehe meinen Artikel Geologie der Dolomiten und mein Buch Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen).
Auf jeden Fall sollte man ein Klettersteig-Set mitnehmen. Die schwerste Stelle des Höhenwegs ist zwar eher „gesichertes Wandern“ auf einem ausgesetzten Band als ein Klettersteig, aber man kommt unterwegs an einigen lohnenden Klettersteigen vorbei, die man als Abstecher „mitnehmen“ kann. Wer in den Dolomiten ganz auf Klettern verzichtet, verpasst jedenfalls einiges.
Zelten (ich hatte eines dabei) ist kaum möglich, da weite Strecken durch Naturschutzgebiete führen. Man wandert also besser von Hütte zu Hütte, die in kurzen Abständen aufeinander folgen.
Ich fange meine Wanderung gleich mit einer Variante an, statt in Tiers (einem Dorf bei Bozen) zu starten, beginne ich mit einer Durchquerung der Rosengartengruppe (dem schönsten Abschnitt des Höhenwegs 8). Dazu nehme ich von Bozen einen Bus zum wunderschönen, aber nicht gerade einsamen Karersee und dann vom Ort die Seilbahn zur Paolinahütte. Nach einer kurzen Wanderung zur Rosengartenhütte kommt der erste leichte Klettersteig, der aussichtsreich über einen Pass ins Herz der Rosengartengruppe führt. Hier duckt sich die Gartlhütte unter den beeindruckenden Vajolettürmen.
Vom nächsten Pass aus mache ich einen Abstecher über den Klettersteig auf den Kesselkogel, mit einem großartigen Ausblick auf die Rosengartenspitze. Dann durchquere ich den von hohen Felswänden umgebenen Grasleitenkessel, in dem ich auf den Höhenweg Nummer 9 treffe, der ein Stück talabwärts beginnt.
Sobald man den Kessel und damit die Felsenwelt des Rosengartens verlässt, verändert sich die Landschaft zu sanften grünen Hügeln, auf denen hin und wieder kleinere Felsspitzen sitzen — mit Ausblick auf die großen im Hintergrund. Ein Spazierweg führt hinüber zur Langkofelgruppe, an deren Südseite vorbei bis zum Sellajoch.
Hier entschließe ich mich für die Variante über den Pößnecker-Klettersteig. Mit einem schweren Rucksack keine gute Idee, ich bin nicht nur sehr langsam, sondern bleibe im Kamin fast stecken. Oben angekommen geht es über das Plateau der Sella hinüber zum Piz Boè, der wie eine Pyramide am Rand des Plateaus sitzt. Leider werden die Wolken dabei immer dunkler und auf dem Gipfel sehe ich überhaupt nichts. Am nächsten Tag warte ich nur ab, es regnet und hagelt durchweg, bis es bei Sonnenuntergang aufreißt. Am Morgen danach stürme ich dann doch noch mal auf den Boè.
Es folgt eine Wanderung über die Almen der Pralongia, auf der es nur so von Ausflüglern wimmelt. Der Führer beschreibt die Hügel treffend als „Mittelgebirge“, nur sind in diesem Fall als Kulisse rund herum felsige Gipfel drapiert.
Zum Sonnenuntergang stehe ich auf dem Aussichtsberg Lagazuoi Piccolo und beobachte das wechselnde Licht auf den rings herum aufflammenden Bergen.
Dann mache ich einen Abstecher über den wirklich wunderschönen Tomaselli-Klettersteig auf die südliche Fanisspitze. Der Klettersteig gilt als eher schwierig, was aber vor allem die Schlüsselstelle ganz am Anfang betrifft, über die man sich schlicht am Seil hinweg hangelt. Der Rest ist wunderschöne Kletterei, zum Teil sehr ausgesetzt, aber immer mit sehr guten Griffen. Skurril wirken die Holzleitern, die noch immer seit dem 1. Weltkrieg in der Wand hängen.
Es folgt eine Wanderung unter den Felswänden der Tofana und dann der Abstieg nach Cortina d’Ampezzo. Hier (auf halbem Weg) kann man die Vorräte auffüllen. Mit dem Sessellift mogel ich mich zur Miètres-Hütte, winde mich hinauf zur Basis des Cristallo und umrunde diesen via Passo Tre Croci zur Hälfte. Gerade zum Sonnenuntergang stehe ich aussichtsreich an der zerstörten Popenahütte oberhalb von Misurina.
Das wars dann erstmal mit gutem Wetter. In Misurina sitze ich tagelang im Zelt auf dem Campingplatz, der sich in ein Netz aus Bächen verwandelt, am schlimmsten Tag mache ich nur einen Spaziergang zu einem Cafe und in der Hoffnung auf eine gute Nachricht zum Wetterbericht, der in der Touristeninfo aushängt. Die Prognose wird aber immer pessimistischer und verschiebt das Ende der Sintflut immer weiter hinaus. Bei einem Ausflug auf den im 1. Weltkrieg heftig umkämpften Monte Piana, eine surreale Hochebene voller Gräben und rostigem Stacheldraht, erwische ich sogar ein Wolkenloch, das überraschende Ausblicke beschert.
Auf den letzten Etappen durch die Sextener Dolomiten werde ich jeden Tag mindestens einmal nass und die Berge sind oft verhüllt, aber hin und wieder reißt es dann doch mal auf. Zunächst wandere ich zwischen den Türmen der Cadini-Gruppe zur Basis der Drei Zinnen. Vom Paternsattel lohnt sich ein Abstecher zur Dreizinnenhütte, damit man die Berge auch aus der klassischen Perspektive sieht. Von dort nehme ich den Klettersteig durch einen langen Stollen hindurch und dann hinauf zum Paternkofel. Ich sehe gerade noch, wie die Drei Zinnen hinter einem Wolkenvorhang verschwinden und schon fängt es an zu schütten. Ich will in einer der Kavernen im Sattel unterschlüpfen, doch der Abstieg verwandelt sich in einen regelrechten Wasserfall und ich habe auch noch eine langsame Gruppe vor mir, sodass ich wirklich tropfend dort ankomme. Später steige ich auf und ab zum Büllejoch, wo schon wieder die Sonne scheint.
Über einen sichtlich wenig begangenen Weg gehe ich weiter zum in einer einsamen Felswelt thronenden Bivacco de Toni. Dabei weiß ich noch nicht, dass die folgende Etappe seit 15 Jahren gesperrt ist. Von dort kraxel ich über den kaum sichtbaren Weg zur Carducci-Hütte, wo mir das nagelneu erneuerte Schild auffällt, dass der Weg, den ich gerade herkomme, gesperrt ist. Und der Hüttenwirt schnallt gerade das identische Schild auf eine Kraxe, um es am anderen Ende aufzustellen!
Es folgt eine „gesicherte Wanderung“ über Felsbänder auf der Strada degli Alpini. Von der Sentinella-Scharte rassel ich noch eine Runde über den Zandonella-Klettersteig, bevor ich zur Berti-Hütte absteige.
Schließlich beende ich den Trek mit einer einsamen Wanderung unterhalb der Wände der südöstlichen Sextener Dolomiten entlang, gegenüber als Kontrast die niedrigen Ausläufer der Karnischen Alpen. Zu einem späten Mittagessen erreiche ich den Zielort Santo Stefano di Cadore. Ich habe tatsächlich exakt 14 Tage gebraucht, einschließlich der Umwege und der Tage, die ich auf besseres Wetter gewartet habe. Ausgerechnet jetzt macht das Wetter anstalten besser, nein, richtig gut zu werden. Klar, dass ich noch etwas dranhänge: ich mache mich auf den Weg in die Brenta.
Die Dolomiten sind gut erhaltene Riffe einer triassischen Karbonatplattform — trotz der langen Forschunggeschichte gibt der Ursprung des Dolomits den Geologen noch immer Rätsel auf
Mit dem abrupten Wechsel von sanft gewellten Almen und darüber aufragenden senkrechten Türmen und Zinnen sind die Dolomiten eine ganz eigentümliche Berglandschaft. Die außergewöhnliche Landschaft geht, wie sollte es anders sein, auf ihre geologische Geschichte zurück. Bei den Bergen handelt es sich um recht gut erhaltene ehemalige Korallenriffe, die durch tiefe Meeresbecken voneinander getrennt waren. Die Riffe befinden sich quasi in ihrer ursprünglichen Geometrie, da sie nur wenig von der Gebirgsbildung der Alpen erfasst wurden und nur leicht erodiert sind.
Fossile Riffe
Freilich sind nicht die einzelnen Türme und Zinnen einzelne Riffe, sondern die jeweiligen Berggruppen, wie Sella, Rosengarten und so weiter. Als eines der am besten erhaltenen Riffe gilt der Schlern bei Bozen, ein massiges Plateau, das rundum von steilen Hängen umgeben ist. Nach außen gehen die Gesteine der Riffhänge in die in tiefen Meeresbecken abgelagerten Gesteine über. Dass der Schlern ein Korallenriff ist, stellte der Baron von Richthofen 1860 fest. Erst zwei Jahrzehnte zuvor hatte Darwin die Korallenriffe des Pazifiks beschrieben.
Mehr über die Geologie der Alpen und anderer Gebirge findet sich in meinem Buch Bewegte Bergwelt.
Genauer gesagt waren die Dolomiten in der Trias eine tropische Karbonatplattform, ganz ähnlich wie heute die Bahamas: eine Region mit flachen Lagunen, Riffen, ein paar Inseln und dazwischen tiefe Meeresbecken, in denen nur sehr langsam sedimentiert wird. Lebewesen wie Korallen, Schwämme, Muscheln und andere produzieren Skelette aus Karbonat, die sich zu immer dickeren Sedimenten ansammeln. In den flachen Lagunen kann es durch Verdunstung auch zu einer Übersättigung des Wassers an Kalzit kommen, was eine direkte chemische Ausfällung auslöst. Auf das Aussehen des Gesteins wirkt sich noch die Tiefe der Lagune aus, in sehr flachem Wasser wird der Schlamm des Meeresbodens regelmäßig durch Wellengang aufgewirbelt.
Entgegen der Vorstellung eines Korallenriffs sind fossile Korallen und Schwämme in den Dolomiten erstaunlich selten und nicht leicht zu finden. Wer schöne Exemplare sehen möchte, besucht am Besten das paläolontologische Museum in Cortina d’Ampezzo. Dort finden sich auch Megalodonten, eine große Muschelart, die merkwürdige Formen haben kann. Der weitaus größte Teil des Gesteins ist jedoch arm an mit bloßem Auge sichtbaren Fossilien und geht auf die Aktivität von Einzellern zurück. Zur Frage, warum wir es hier mit dem Gestein Dolomit zu tun haben und nicht mit Kalkstein, wie es bei modernen Riffen der Fall ist, komme ich später.
Im Idealfall hält die Karbonatproduktion genau mit dem Absinken des Meeresbodens mit, sodass die Plattformen immer höher werden. Ist die Karbonatproduktion schneller als das Absinken, wachsen die Plattformen nach außen, in die Becken hinein. Dabei wird vor allem auf den steilen, in die Becken abfallenden Hängen abgelagert. Im Rosengarten und in der Sella ist sehr schön zu sehen, dass die Schichten im Zentrum flach liegen — die Lagune — und zum Rand der Berggruppe steil nach außen einfallen — der Riffhang (schrägliegende Sedimentschichten wurden also nicht immer nachträglich schräg gestellt). Am steilen Hang kann es zu Rutschungen kommen, die im Becken abgelagert werden (Kalkturbidite).
Die einzelnen Riffe der Dolomiten sind nicht gleichzeitig und gleichmäßig gewachsen. Das Absinken des Meeresbodens war unregelmäßig und während eine schnell sinkende Plattform schnell in die Höhe wuchs, konnte gleichzeitig eine andere Plattform bei langsamer Absenkung eher in die Breite wachsen. Hin und wieder fiel der Meeresspiegel so stark, dass die Plattformen als Inseln aus dem Wasser ragten.
Vulkane und Gräben
Das Absinken des Meeresbodens wird zum einen durch das Gewicht der abgelagerten Sedimente verursacht, zum anderen durch die Dehnung der Kruste. So sind die Spuren kleiner tektonischer Gräben und Halbgräben zu finden. Tatsächlich kam es erst zu einem nennenswerten Höhenwachstum einzelner Plattformen (Schlerndolomit), nachdem eine größere, langsam wachsende Plattform durch Tektonik zerbrochen worden war. Die weltweiten Meeresspiegelschwankungen kommen natürlich noch dazu.
Bei Dehnung kann es auch zu Vulkanismus kommen. Zeitweise (im späten Ladin) war der Vulkanismus besonders stark. Insbesondere in den Becken zwischen den Riffen lagerten sich Pillowlaven und hyaloklastische Brekzien ab. Es entstanden Vulkaninseln, die zum Teil auch Teile der Karbonatplattformen zuschütteten (an der Marmolata) und deren Abtragungsschutt ebenfalls in den Becken landete (Wengener Schichten). Am Latemar durchschlugen Basaltgänge und Diatreme auch die Karbonatplattform selbst. Da die Gänge leichter verwittern, bilden sie heute die Scharten zwischen den einzelnen Felstürmen.
Eine wechselhafte Geschichte
Schon früher hatte Vulkanismus die Region beeinflusst. Im Perm wurde das variszische Gebirge abgetragen und es setzte eine weiträumige Dehnung ein, die zur Bildung tektonischer Gräben führte. Dabei brachen Vulkane aus, das insbesondere entlang von Spalten geförderte Magma breitete sich als Glutwolken aus, deren Ablagerungen (Ignimbrit) zu einem festen Gestein verschweißt wurden. Besonders mächtig ist der sogenannte „Granitporphyr“ bei Bozen.
Im späten Perm wurde die Region vom Osten her vom Meer überflutet. Erst wurde Sandstein abgelagert (von der Erosion des Granitporphyrs, Grödener Sandstein), dann mehrere Zyklen mit Evaporiten und Flachwassersedimente (Bellerophon Formation).
In der frühen Trias (im Skyth) wurden im flachen Meer vor allem Mergel abgelagert, weil vom Land noch viel klastisches Material geliefert wurde (Werfener Schichten). Im Flachmeer entwickelten sich (im Anis) die ersten Karbonatplattformen, die zunächst eine große Fläche und geringe Mächtigkeit hatten. Durch tektonische Bewegungen und (vor allem im Westen) regionale Hebung zerbrach die Plattform zu Inseln, tiefen Becken und kleineren aktiven Karbonatplattformen.
Schließlich senkte sich ganze Region und soff geradezu ab (im späten Anis und im Ladin). Nur an den höchsten Stellen konnte die Karbonatproduktion mithalten: es entstanden (vor allem im Westen) die ersten aus einem tiefen Meer hoch aufragenden Plattformen, der Schlern, Rosengarten, Latemar und Marmolata (Schlerndolomit bzw. Marmolatakalkstein) während in den tiefen Becken dazwischen nur geringe Sedimentation stattfand (Buchenstein Formation).
Nun setzte der schon genannte starke Vulkanismus ein, mit Kissenlaven in den tiefen Becken, hyaloklastischen Brekzien, Gängen und Diatremen und einzelnen Vulkaninseln. Die Abtragung der Vulkane füllte die Becken (Marmolata-Konglomerat und dunkle Sand- und Tonsteine der Wengen-Formation), wie es zum Beispiel gut am Sellajoch zu sehen ist.
Auf dem mehr oder weniger eingeebneten Meeresboden ging es mit weiteren Karbonatplattformen weiter: der Cassianer Dolomit, der zum Beispiel die untere Hälfte der Sella ausmacht. Die Riffe wuchsen nun vor allem nach Außen in die Becken hinein (die Sedimente des Riffhangs sind wesentlich mächtiger als die Lagunensedimente).
Im Karn, als die Becken bereits weitgehend mit Karbonat und Tonsteinen aufgefüllt waren, senkte sich der Meeresspiegel. Nun wurden selbst die tiefsten Becken mit Karbonat gefüllt (Dürrenstein-Formation). Die Dolomiten waren nun ein flaches, küstennahes Meer mit vielen Inseln und einer sich ändernden Küstenlinie. Es kam (insbesondere im Osten) zur wechselnder Sedimentation von Kalkstein, Dolomit, Tonstein, Sandstein und Gips (die bunt gefärbten Raibler Schichten). Diese leicht zu erodierende Schichten bilden die flache Basis, auf der viele der bekannten Felstürme stehen (Tofane, Drei Zinnen); an der Sella bilden sie das flache Ringband auf halber Höhe.
Nun stieg der Meeresspiegel wieder und der gesamte Südalpenraum (und darüber hinaus) entwickelte sich zu einer riesigen Karbonatplattform mit unzähligen flachen Lagunen, Inseln und Sandbänken — mit ähnlichen Verhältnissen über hunderte Kilometer hinweg (oberes Karn und Nor). Es entstand der weiße oder hellgraue Hauptdolomit (auch Dachsteindolomit genannt), der die meisten der bekannten Steilwände ausmacht. Bei Cortina d’Ampezzo ist er mehr als 800 m mächtig, bei Belluno sogar 2000 m, an der Sella nur 200 m. Die Ablagerungen bestehen aus einer zyklischen Wiederholung (jeweils ein paar Meter mächtig) von erst in einer Lagune (subtidal) abgelagertem massivem Dolomit mit vereinzelten Muscheln und Schnecken, gefolgt von dünn laminiertem Dolomit (peritidal), Ablagerungen von Cyanobakterien (sogenannte Algenmatten), die im sehr flachen oder sogar nur bei Flut überspülten Bereich leben. Zum Teil gibt es auch fossile Trockenrisse (wie sie in ausgetrockneten Schlamm entstehen) und hin und wieder ist sogar ein Dinosaurier am Ufer entlang gelaufen und hat seine Spur im Matsch hinterlassen.
Seit dem frühen Jura brach der Kontinent Pangäa, auf dessen Schelf wir uns befinden, auseinander und es entstanden der Zentralatlantik und der (in den Alpen später wieder verschwundene) Penninische Ozean. Die Dolomiten (am passiven Kontinentalrand südöstlich des Ozeans) sanken in größere Wassertiefe ab, nur an den westlichen und östlichen Rändern (Trentino, Friuli) blieben Karbonatplattformen erhalten, die ebenfalls aus unterschiedlich schnell absinkenden Bereichen bestanden (Grauer Kalk). Letztlich soff die ganze Region regelrecht ab (in einigen Millionen Jahren auf mehr als 1000 m Wassertiefe). Dabei entstand noch der Rosso Ammonitico, ein geringmächtiger pelagischer Kalkstein mit vielen Ammoniten.
Sekundäre Dolomitisierung oder primäre Ablagerung?
Organismen wie Korallen und Schwämme, Muscheln, Schnecken und Ammoniten und diverse Einzeller bauen ein Skelett aus Kalzit oder Aragonit auf. Beide Minerale haben die Zusammensetzung CaCO3, zu einem Gestein verfestigt gibt das einen Kalkstein.
Nun bestehen die Dolomiten jedoch weitgehend aus dem Gestein Dolomit, das wiederum aus dem Mineral Dolomit, CaMg(CO3)2 besteht. Das Gestein ist in älteren Gesteinsschichten recht häufig anzutreffen, aber nicht an modernen Riffen. Nicht alle Berge der Dolomiten bestehen aus Dolomit: ein paar, darunter Latemar und Marmolata, bestehen aus Kalkstein.
Nach der klassischen Theorie kam es zu einer nachträglichen Umwandlung von Kalzit zu Dolomit — die sogenannte Dolomitisierung — durch einen Austausch mit Mg2+ aus dem Wasser.
2 CaCO3 + Mg2+ → CaMg(CO3)2 + Ca2+
Zunächst dachte man da an hydrothermale Lösungen. Das vermutete bereits Giovanni Arduino, der 1779 als Erster das Mineral Dolomit beschrieb. Der Geologe von Buch war der Ansicht, dass eine Gebirgsbildung durch aufwärts drückendes Magma verursacht wird und meinte, dass bei dieser Gelegenheit magnesiumreiche Dämpfe vom Magma abgeben wurden. Allerdings sind in den Dolomiten ausgerechnet diejenigen Berge, die aus Kalkstein bestehen auch die, die unmittelbar dem Vulkanismus ausgesetzt waren.
Ein halbes Jahrhundert später (1872) beschrieb J. D. Dana eine Insel im Pazifik, deren gehobener Teil der Lagunensedimente aus Dolomit bestanden. Er folgerte, dass Magnesium bei geringer Temperatur aus dem Meerwasser der Lagune aufgenommen worden ist. Allerdings läuft diese Reaktion unter normalen Bedingungen nicht ab. Daher wurde vorgeschlagen, dass die Umwandlung erst unter einer höheren Temperatur abläuft, wenn die Gesteine durch andere überdeckt worden sind.
Inzwischen wissen wir, dass sulfatreduzierende Bakterien in sehr salzreichem Wasser direkt zur Ablagerung von Dolomit führen (McKenzie & Vasconcelos 2009, Krause et al. 2012). Beispiele kennen wir aus Sabkhas und Salzseen in den Arabischen Emiraten, in Australien und in Küstenlagunen von Brasilien. Neben der direkten Ausfällung von Dolomit in den sogenannten Algenmatten führen die von den Bakterien verursachten chemischen Bedingungen (Übersättigung von Dolomit, Untersättigung von Kalzit) auch ein paar Zentimeter tiefer zur Dolomitisierung.
Das Mineral Dolomit, das gleichnamige Gestein und die Dolomiten sind alle drei nach dem französischen Geologen Déodat de Dolomieu benannt. Dieser soll auf der Durchreise ein Stück Dolomit aufgesammelt haben, ein Gestein, das zu seiner Überraschung kaum auf Säure reagiert. Er schickte dem Schweizer Mineralogen de Saussure eine Probe, der es analysierte und das „neue“ Mineral nach Dolomieu benannte. (Die etwas ältere Beschreibung des Bergbauingeneurs Arduino hatte sich noch nicht herumgesprochen). In der Folge etablierte sich der Name Dolomiten für die Berge, die vorher als „Bleiche Berge“ oder einfach als Südtirol bekannt waren.
Neptunisten und Plutonisten
In einer der größten Debatten in der Geschichte der Geologie, im Streit zwischen den „Neptunisten“ und den „Plutonisten“, spielten die Dolomiten ebenfalls eine Rolle. Die Neptunisten hielten alle Gesteine einschließlich Granit und Basalt für marine Ablagerungen, Granite waren für sie die ältesten Gesteine, das „Urgebirge“. Der wichtigste Vertreter war der bedeutende Freiberger Geologe Abraham Gottlob Werner. Die Plutonisten hingegen glaubten an Magmatismus (darunter übrigens Déodat de Dolomieu).
Auf einer Rückreise von den Vulkanen Süditaliens machten Alexander von Humboldt und Leopold von Buch einen Abstecher nach Predazzo, um einen genaueren Blick auf den dortigen Granit zu werfen (ein kleiner Alkaligranit, der in der magmatischen Phase des Ladin in die Karbonatplattform des Anis intrudiert ist). Sie stellten fest, dass hier Karbonate und Granite nebeneinander vorkommen, dass der Granit teilweise sogar über den Karbonaten liegt. Ein harter Schlag für die Neptunisten. Der Aufschluss wurde daraufhin zu einem regelrechten Pilgerort der damaligen Geologen.
Dolomiten und die alpine Gebirgsbildung
Die Schließung des penninischen Ozeans und die anschließende Kollision zwischen Europa und der adriatischen Platte ließ die Alpen entstehen. Dabei wurden Gesteinsdecken über dutzende Kilometer verschoben und übereinander gestapelt, manche nachdem sie zuvor in hundert oder zweihundert Kilometer Tiefe abgetaucht waren. Die Gesteine der Südalpen wurden davon jedoch kaum beeinflusst, sie sind auf der oberen Platte „geritten“ und daher noch fast in der ursprünglichen Geometrie erhalten. Lediglich in der späten Phase der Gebirgsbildung kam es in diesem Raum zu kleineren nach Süden gerichteten Überschiebungen (dabei landete zum Beispiel die Felspyramide des Piz Boé auf dem Plateau der Sella) und einzelne Blöcke wurden an Seitenverschiebungen leicht gegeneinander versetzt.
Die Gebirgsbildung führte natürlich zu einer Hebung, in deren Folge vor allem die weichen Gesteine der ehemaligen Becken von Flüssen und Gletschern abgetragen wurden, während der harte Dolomit weitgehend der Erosion stand hielt. Dadurch wurden die ehemaligen Riffe von der Erosion säuberlich freipräpariert.
Im Meer der Kreidezeit lebten massenhaft Kalkalgen. Diese Einzeller haben ein Skelett aus Kalkplättchen, die zu einer winzigen Kugel zusammengesetzt sind. Unzählige dieser Kalkalgen sanken nach ihrem Tod auf den Meeresgrund ab und bildeten dort einen bröseligen Kalkstein, der gemeinhin als Kreide bezeichnet wird.
Später wurde das Gestein kaum überdeckt (ein wenig Gletschergeschiebe, das war’s), entsprechend kam es nur zu einer leichten Diagenese. Ansonsten hätte eine Rekristallisation des Kalzits vielleicht ein festeres Mineralgefüge erzeugt. Immerhin hat die Diagenese ausgereicht, um die Reste von Kieselalgen und anderen Organismen zu Bändern aus Feuerstein zu verwandeln.
Klar, dass ich auf Rügen vor allem die Kreideküste im Nationalpark Jasmund sehen wollte. Besonders schön war der Hochuferweg (mit kleinen Abstiegen zum Ufer) am frühen Morgen, in Einsamkeit und im Licht der tief stehenden Sonne. Der schönste Abschnitt ist sicherlich das mittlere Drittel zwischen Waldhalle und Kollicker Ort.
Im Gegensatz dazu halte ich den Königsstuhl für völlig überbewertet. Hier sind die Felsen zwar am höchsten, aber es sind eben nur zwei schmale Felsen am bewaldeten Steilhang. Allerdings weiß ich nicht genau, was ich verpasst habe, da ich mir den nicht ganz billigen Eintritt gespart habe. Der Blick von der Victoria-Sicht hat mir gereicht.
Aber auf Rügen gibt es nicht nur Kreidefelsen. Mit dem Rad rapple ich über Kopfsteinpflasterstraßen und Betonplattenwege über die Hügel, vorbei an Feldern mit reifem Getreide und immer wieder wechselnde Ausblicke auf die Ostsee und den Jasmunder Bodden. Hin und wieder passiere ich ein jungsteinzeitliches Großsteingrab, drehe eine Runde zu den Leuchttürmen auf dem Kap Arkona und sonne mich auf dem 12 km langen Sandstrand der Schaabe.
Wie kommt es in der kapitalistischen Gesellschaft zur „lustvollen Unterwerfung“ unter Autoritäten? Der Politikwissenschaftler Jens Benicke nimmt die Aufdeckung der NSU zum Anlass, die Überlegungen der Kritischen Theorien zum autoritären Charakter aus der Versenkung zu holen. In einem schmalen Bändchen spannt er in sehr kurz gefassten Kapiteln einen Bogen von den theoretischen Grundlagen über die Thesen und Studien von Reich, Fromm, Adorno und Kollegen bis hin zu Kritikern und jüngeren Forschern, die, so legt es der Autor nahe, zuviel über Bord geworfen haben. Das Büchlein ist eine interessante Einführung zu diesem Thema, das nicht nur für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus relevant ist, sondern auch zu Gedanken über den kapitalistischen Alltag anregt.
Benicke, Jens, 2012. Autorität und Charakter. Freiburg. ISBN 978-3-86226-167-3.
Valle Gran Rey, Garajonay und Roque de Ojila (Kanarische Inseln, Spanien)
La Gomera unterscheidet sich völlig von den Nachbarinseln. Während La Palma und El Hierro aktive Schildvulkane sind und sich auf Teneriffa der Stratovulkan Teide über älteren Schildvulkanen aufgebaut hat, war La Gomera schon lange nicht mehr aktiv, im ganzen Quartär gab es keine einzige Eruption. Das ist erstaunlich, weil sich angeblich der Hotspot direkt westlich befindet und die Vulkane von La Palma und El Hierro füttert, ein gutes Argument der Zweifler an der Hotspot-Theorie (über die ich im Artikel über Teneriffa geschrieben habe, mehr dazu in meinem Buch Bewegte Bergwelt).
Jedenfalls ist die Insel ein stark erodierter Schildvulkan, ein Musterbeispiel für das Schicksal, das eine durch Hotspot gebildete Insel nach ihrer aktivsten Phase durchmacht. Radialstrahlig haben sich tiefe Täler eingeschnitten, in deren Felswände alten Lavaströme auszumachen sind. Während in den Tälern Palmen, Kakteen und Büsche wachsen, sind die steilen Hänge relativ kahl.
Ganz anders wirkt das Zentrum der Insel rund um den höchsten Gipfel Garajonay. Die Hänge sind relativ flach, quasi ein Plateau, und von einem dichten Wald bedeckt. Dieser Lorbeerwald mit seinen subtropischen Arten ist sozusagen ein „lebendes Fossil“, ähnliche Wälder hat es in Europa vor den Eiszeiten gegeben.
Der Wald befindet sich genau in der Höhe der Wolken, die durch den Passat über die Insel getrieben werden. Die Feuchtigkeit kondensiert an den Pflanzen und sorgt so für das notwendige Wasser an einem Ort, an dem es kaum Niederschläge gibt. Allerdings habe ich ausgerechnet bei meiner Wanderung durch diesen Nebelwald den ersten wolkenfreien Tag der ganzen Reise erwischt…
Der Grund für das Plateau ist ein dickes Paket aus horizontalen Lavaströmen, die das Zentrum der Insel ausmachen. Diese sind innerhalb einer Caldera ausgeflossen, die sie aufgefüllt haben. Sie gehören damit zu den jüngsten Einheiten der Insel.
Als Geologen haben es mir am meisten die Felsen rund um den Aussichtspunkt Roque de Ojila angetan. Bei den kuppelförmigen Felsen handelt es sich um Phonolithintrusionen, die durch Erosion freigelegt worden sind.
Man kann sich gut vorstellen, wie das Magma aufgestiegen und knapp unter der Erdoberfläche steckengeblieben ist. Der schönste, Roque de Agando, erinnert mich sehr an den Felsen hinter der Inkastadt Machu Picchu.