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Trekking am Chimborazo

Drei Tage Wandern an der Nordseite des Chimborazo (Ecuador)

Chimborazo
Chimborazo

Der Chimborazo muss irgendwo dort in den Wolken stecken, über den grünen, geschwungenen Hügeln. Ich wandere mit einer Beschreibung aus „Trekking in the Central Andes“ (Lonely Planet) in der Tasche von der Panamericana los, an vereinzelten Höfen vorbei aufwärts. Nach etwa einer halben Stunde kommt ein Hund an, schnüffelt und läuft mir dann hinterher, unbeeindruckt, dass ich ihn wegschicken will. Es geht an einigen Weiden vorbei, auf denen schwarze Bullen stehen, der Hund kläfft wie ein Idiot einen Esel an und läuft dann doch weiter mit. Weiter oben geht es durch Büschel aus Puya-Gras, wenn der Hund durch diese einem Vogel hinterher hüpft, steigen kleine Staubwölkchen auf: das Gras ist voll mit Asche des aktiven Tungurahua. Abends, während ich mein Zelt neben einem winzigen See aufbaue, ziehen sich die Wolken zurück und über mir ragt der Chimborazo auf, den man lange für den höchsten Berg der Welt gehalten hatte (s.a. Bewegte Bergwelt). Aus dieser Perspektive, ganz nah an der riesigen Eiskuppel, sieht er merkwürdig in die Breite gezogen aus. Ich male mir aus, wie Alexander von Humboldt mit seinem Begleiter Aimé Bonpland dort oben herumstapften. Gegenüber der Nachbarvulkan Carihuairazo, von Gletschern zu einem felsigen Doppelgipfel zerlegt und in der anderen Richtung taucht auch die Felswand des El Altar auf, einst ein weiter riesiger Vulkan, von dem seit einem Flankenkollaps nur ein spektakulärer Grat übrig ist.

Merkwürdige Vegetation
Merkwürdige Vegetation
kalt!
kalt!

Am nächsten Morgen sitze ich im dichten Nebel, immerhin hört der Schneeregen bald auf. Der Hund liegt aufgerollt neben dem Zelt, obwohl ich am Abend ernsthaft versucht hatte, ihn zu vertreiben. Den ganzen Tag wandern wir durch dichte Suppe, meist durch weite Sümpfe oder Steilhänge hinauf, was mich sehr an Skandinavien erinnert…. Nur die kissenförmigen Pflanzen passen nicht dazu. Vom Pass zwischen Chimborazo und Carihuairazo steige ich einen Grat ein Stück den letzteren hinauf und versuche dann bei 20 m Sichtweite mit Kompass, Höhenmesser und Verstand einen kleinen See nach der vagen Beschreibung „30 Minuten weglos nach Osten“ zu finden. Natürlich zeigt die Kompassnadel mal ins Tal und mal zum Gipfel, irgendwann finde ich einen perfekten (flach und trocken) Platz am Ausfluss eines kleinen Tümpels und baue mein Zelt auf.

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Am nächsten Morgen ist mein Zelt mit einer Eisschicht bedeckt. Der Hund lag wieder neben dem Zelt, leicht zitternd, aber kaum kam ich heraus, sprang das Mistvieh auf und rannte einem Vicuña hinterher, das gerade noch neugierig zu uns herüber geschaut hatte. Etwas später lichtet sich der Nebel und gegenüber ragt der Eisdom des Chimborazo auf, ein grandioser Anblick. Den See finde ich jetzt auch, hinter einer kleinen Moräne etwas oberhalb. Nach einer Stunde zieht es schon wieder zu und im Nebel suche ich mit weiteren vagen Beschreibungen einen Weg nach unten. Der Hund ist nicht mehr so mutig und tappt fast immer bei Fuß neben mir her. Endlich sind wir wieder unterhalb der Wolken auf einem richtigen Weg und marschieren zurück zur Panamericana. Kurz vorher kreuze ich die alte Kopfsteinpflasterstraße, auf der ich den Hund zum ersten Mal getroffen hatte und diesmal bleibt er auf meine Gesten sitzen und schaut mir traurig hinterher. Vielleicht wartet er dort jetzt auf den nächsten Wanderer.


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Cotopaxi

Cotopaxi-Nationalpark in Ecuador: Wanderung am Rumiñahui und Besteigung des Cotopaxi

Cotopaxi
Cotopaxi

Er ist nicht gerade oft zu sehen, so wolkig es derzeit ist, der perfekte Kegel des Cotopaxi mit seinem immer kleiner werdenden Gletscher (s.a. Bewegte Bergwelt). Ich ließ mich im Cotopaxi-Nationalpark auf der Nordseite des Berges absetzen, wo es tendenziell besseres Wetter gibt, und erwischte den Kegel für vielleicht 10 Minuten fast ohne Wolken. Während ich den Hang des Nachbar-Vulkans Rumiñahui hinauflief, hüllte er sich wieder ein und knapp 500 m unter meinem Gipfelchen kehrte ich um, weil dort oben sowieso keine Sicht war…

Cotopaxi
Cotopaxi

Später saß ich im Nebel vor meinem Zelt und gerade während ich den Kocher anschmeißen wollte, riss es auf. Statt zu kochen lief ich auf einen Hügel und genoss die Avenue der Vulkane, das Hochtal von Ecuador mit Cotopaxi auf meiner und Ilinizas und Chimborazo auf der anderen Seite. Wenig später flammte der Cotopaxi im Licht der untergehenden Sonne rot auf.

Am nächsten Morgen wartete ich im strömenden Regen darauf, von meinem Bergführer abgeholt zu werden, er kam mit 2 Stunden Verspätung. An der Berghütte war das Wetter gleich viel besser, perfekt für einen Akklimatisierungsspaziergang auf dem Gletscher. Besonders gut schlafen konnte ich dann trotzdem nicht.

Auf dem Gletscher des Cotopaxi
Auf dem Gletscher des Cotopaxi

Um 1 Uhr, eine Stunde nach allen anderen, machten wir uns im Schein von Stirnlampe und Mond auf den Weg. Mein Bergführer war etwas übermotiviert und gönnte mir kaum Pausen, weil es so kalt war. Auf halber Strecke überholten wir alle anderen, aber je weiter wir kamen, desto müder wurden meine Beine und desto schneller schlug mein Herz. Immer wieder blieb ich wie ein störrischer Esel stehen und jedes Mal zerrte der Bergführer wie bei einem Esel am Seil und wollte weiter. Kurz nach Sonnenaufgang standen wir auf dem Gipfel, auf 5897 m. Genauer gesagt setzte ich mich sofort stöhnend in den Schnee, ohne einen Blick in den Krater oder auf die Nachbarberge (die sowieso fast alle in Wolken steckten) zu werfen. Kaum war ich fertig mit Verschnaufen und hatte doch noch ein paar Bilder geschossen, rannten wir wieder hinunter… Am Vormittag warf ich mich in Lacacunga ins Bett und schlief erst einmal aus.

Auf dem Gipfel des Cotopaxi
Auf dem Gipfel des Cotopaxi

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Laguna Quilotoa

Malerische Caldera mit „Kratersee“ in Ecuador

Ein wundervoller Calderasee: die Laguna Quilotoa. Als ich an der kreisrunden Caldera ankomme, gewittert es heftig, dafür habe ich bei Sonnenuntergang Glück, die Sonne scheint ein wenig (zum ersten Mal), das Wasser wird blau und im Hintergrund sind sogar die beiden Gipfel des Ilinizas zu sehen. Am nächsten Tag wandere ich in etwas mehr als 3 Stunden auf dem Kraterrand um den See herum, aber diesmal will die Sonne nicht herauskommen und das dunkelgraue Wasser wird vom starken Wind aufgepeitscht. Trotzdem will ich es als Nächstes mit dem Cotopaxi versuchen.

Laguna Quilotoa
Laguna Quilotoa
Illiniza von Quilotoa
Illiniza von Quilotoa

 

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Quito im Regen, Calderaseen und Markt in Otavalo

Reisebericht Ecuador: Markt in Otavalo und die Laguna Cuicocha, Kultur in Quito und die Caldera der Laguna Quilotoa

Fritada auf dem Markt von Otavalo
Fritada auf dem Markt von Otavalo

Bei strömendem Regen laufe ich die Gassen von Quitos Altstadt auf und ab und rede mir ein, dass ich lieber jetzt schlechtes Wetter habe, während ich noch nicht akklimatisiert bin. Diese Reise hat einen merkwürdigen Plan: Südamerika auf den Spuren von mir selbst, ich werde fast dieselbe Strecke zurücklegen wie vor 11 Jahren. Allerdings (auch wenn ich mit Barockkirchen in Quito anfange) mit einem anderen Schwerpunkt: mehr Berge und wenig Kultur. Dabei wird sicher auch das eine oder andere Foto für mein Buch über Gebirgsbildung hinzukommen…

Quito
Quito
Quito
Quito

Mit Vulkanen fange ich bei Otavalo an (nördlich von Quito), mit der Laguna Cuicocha. Steile, dicht bewaldete Dome ragen aus dem Calderasee heraus, in dem sich die dunkelgrauen Wolken spiegeln. Dann doch nochmal Kultur, ich schlendere über den Samstagsmarkt von Otavalo und finde ihn etwas touristisch…

Otavalo
Otavalo
Laguna Cuicocha
Laguna Cuicocha

Der nächste Calderasee südlich ist die Laguna Quilotoa südlich von Quito.


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Samuel Beckett: Murphy

Lesetipp

Alle suchen Murphy, ohne ihn je zu finden: seine ehemalige Geliebte, die Verehrer seiner ehemaligen Geliebten und schließlich auch seine Geliebte, nachdem sie ihn auf Arbeitssuche geschickt hat. Murphy, dessen größtes Glück es ist, mit sieben Schals an seinen Schaukelstuhl gefesselt in seinem inneren Universum zu versinken: „Murphys Geist stellte sich selbst als eine große hohle Kugel vor, die hermetisch vom äußeren Universum abgeschlossen war.

Wir beobachten Murphy, wie er sich an einem Metallgeländer entlanghangelt, auf der hoffnungslosen Arbeitssuche. Mit einer zitronengelben Fliege, weil das laut Horoskop seine Glücksfarbe ist. Doch während seine Geliebte, die bereits selbst am liebsten im Schaukelstuhl sitzt, auf ihn wartet, hat er doch Arbeit gefunden: Murphy wird Wärter in einer Psychiatrie. Mit den Insassen kommt Murphy besser aus als jeder Wärter vor ihm, aber auch hier findet die gesuchte Begegnung nicht statt: „Das Letzte, was Mr. Murphy von Mr. Endon sah, war Mr. Murphy ungesehen von Mr. Endon.“ Die Vorahnung des Endes…

Wer Becketts Realismus des Absurden mag, den man im „Endspiel“ und in „Warten auf Godot“ lieben lernt, dürfte auch seine Romane mögen. Murphy, sein erster, erschien 1938 in einer winzigen Auflage und verkaufte sich zunächst so gut wie gar nicht.

B. Traven: Das Totenschiff

Lesetipp

Ein amerikanischer Seemann, der eine Nacht bei einem Mädchen in Antwerpen verbracht hat, verpasst sein Schiff, auf dem auch seine Papiere sind. Damit wird er staatenlos, weil er nicht einmal mehr beweisen kann, dass er überhaupt geboren worden ist: „Man möchte manchmal bedauern, dass wir noch nicht aus Papiermaché gemacht sind; denn dann könnte man an dem Stempel sehen, ob man in der Fabrik USA oder in der Fabrik Frankreich oder in der Fabrik Spanien angefertigt worden ist.“

Mehrfach wird er von einem Land ins nächste abgeschoben, bis er auf der Yorikke anheuert, ein Schiff so alt, dass manche Teile wohl noch von Noah stammen. Yes, Sir. Ein Totenschiff, von dem es kein Entrinnen gibt, nur die Gewissheit, dass sie einmal auf Grund geht, damit die Kompanie die Versicherungsprämie kassieren kann. Die Gewissheit, zu sterben und unfassbar harte Arbeit.

Ein Seemannsroman ohne jede romantische Verklärung, aber mit umso mehr beißendem anarchischem Humor.

Wer sich hinter dem Pseudonym B. Traven verbarg, ist nicht ganz klar. Sicher ist, dass er 1925 in Mexiko auftauchte und dort 1969 starb. Das Totenschiff erschien 1926. Neben seinen sozialkritischen Abenteuerbüchern schrieb er auch für eine anarchosyndikalistische Zeitung. Vermutlich war er davor unter dem Namen Ret Marut einer der Akteure der Münchener Räterepublik. Fast wäre er darum standrechtlich erschossen worden, aber er konnte fliehen: ein Arbeitersohn, Schauspieler und aktiver Anarchist.

Arundhati Roy: Der Gott der kleinen Dinge

Lesetipp

„The laws that lay down who should be loved, and how. And how much.“

Eine Liebesgeschichte, in der die Liebe an Gesetzen, der traditionellen Moral und dem indischen Kastensystem scheitert. So wunderschön erzählt, voller schöner Worte, melancholischem Witz und Wortspielen, dass man sich geradezu in Ammu verliebt und ihre Kinder, die Zwillinge Rahel und Estha. Auch in den Gott der kleinen Dinge. Und nebenbei erfährt man mehr über Südindien, als wenn man selbst dort hinreist.

Ein Lieblingsbuch.

Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita

Lesetipp

Mephisto erscheint als „Professor der Schwarzen Magie“ in Moskau. Er und seine Gehilfen, darunter der riesige Kater Behemoth, treiben dort allerlei Schabernack, bei dem sie die Menschen an der Nase herumführen. Einem erfolglosen Schriftsteller, der Meister genannt wird, und dessen Geliebte Margarita, die zur Hexe wird, zeigt er den depressiv in Jerusalem sitzenden Pontius Pilatus…

Ich muss zugeben, dass ich an diesem Buch fast nicht über die Passionsgeschichte hinausgekommen bin, selbst wenn es an dieser Stelle niemand anderes ist als Mephisto, der erzählt, wie es wirklich war. Aber dann macht das Lesen immer mehr Spaß, je mehr man hineinfindet. Da geht es drunter und drüber, und zwischen all den Wundern und fliegenden Besen und Zaubertricks wird gleichzeitig ein scharfes satirisches Bild der Menschen gezeichnet. Ein Kultbuch und das zu Recht.

Adolf Muschg: Baiyun

Lesetipp

Eine etwas wahllos zusammengewürfelte schweizer Delegation reist in das maoistische China, kurz nach dem Abdanken der „Viererbande“. Prof. Stappung, eher zufällig der Reiseleiter, geht allen mit seiner unmöglichen Art auf die Nerven. Doch plötzlich stirbt er… wer ist der Mörder? Die Gruppendynamik samt Eifersüchteleien kommt so richtig in Gang. Während sie weiterhin die Umpflanzmaschinen, Pflüge, Strohzwirnmaschinen… einer Landkommune zählen und den Chinesen (deren Leistungen sie bewundern) kritische Fragen stellen, sind die Reisenden gleichzeitig wie Gefangene in Untersuchungshaft. Nur eine Frage interessiert scheinbar niemanden: wer es war.

Ein Buch zur Reise durch den Nahen Osten

Nahöstlicher Diwan von Florian Neukirchen

Sieben Monate durch den Nahen Osten und den Kaukasus… Ein Buch über diese Reise zu schreiben, war zunächst nur eine Schnapsidee. Dann war es viel mehr Arbeit als gedacht, irgendwann hatte ich schon gar nicht mehr dran geglaubt. Nach mehr als einem Jahr ist es jetzt doch noch erschienen, wenn auch in einem weniger seriösen Verlag, der einfach alles druckt, solange der Autor dafür bezahlt. Ob das eine gute Idee war oder ein großer Fehler, muss sich erst noch herausstellen. Ich tippe ja eher auf letzteres…

Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv

ISBN 978-3-89514-925-2
16,20 €, 264 Seiten, 93 Farbfotos

Das merkwürdigste ist, dass im Klappentext meine Biografie vor die Beschreibung des Inhaltes gestellt wurde: Der Autor ist interessanter als der Text, scheint das zu sagen. Darauf kann ich mir ja was einbilden…

Ich bin etwas enttäuscht, wie mittelmässig das Lektorat war und ärgere mich schon jetzt über die eine oder andere verunglückte Stelle, auch wenn ich mit anderen Passagen durchaus zufrieden bin. Die Fotos hätten von mir aus auch etwas größer sein können.

Die Sektflasche bleibt erst einmal im Kühlschrank und wartet auf mein nächstes Buch. Dieses hier zu verheimlichen, dafür ist es inzwischen allerdings zu spät. Ich glaube, es hat zumindest eine Chance verdient.

„Reisen, sich bei seinen Landsleuten Geltung verschaffen und, was man auswärts gesehen und gehört hat, ihnen ewig vorprunken, das tut der Mensch gern.“ (Voltaire, Candide)