Update: Dieses Bild wurde beim Wettbewerb International Photography Awards 2010 ausgezeichnet.
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Generation Backpacker
Etwas Selbstkritik…
Auf dem Banana Pancake Trail, von Hängemattenparadies zu Hängemattenparadies. Alle mit demselben Reiseführer in der Hand, einer Art Bibel, mit der man bestimmt niemals einsame Planeten betritt. Von Abenteuer keine Spur, Reisen war im letzten Jahrzehnt so einfach wie noch nie. Und auch noch bezahlbar. Du bist zwischen Zwanzig und Vierzig und noch nicht in Thailand oder Australien gewesen? Dann gehörst du schon zu einer Minderheit und bist fast zu bedauern. Aber vermutlich warst du dort oder an anderen Orten, ein Backpacker unter vielen. Und einmal angefixt, zieht es dich immer wieder weg. Durch all die Billigflüge kommt man ja auch schnell weg, man braucht nicht mehr wie die Hippigeneration mit einem bunt bemalten VW-Bus den abenteuerlichen Landweg nach Indien nehmen. Die Weltreisenden von heute haben längst den Geruch des Aussteigers verloren, eine lange Reise gilt auch im Lebenslauf nicht mehr als ein katastrophales Loch, sondern als Erwerb von soft skills.
Manchmal frage ich mich trotzdem, ob diese Massenbewegung bald ein Ende findet. Die Preise steigen und wer weiß schon, wie viel Geld man nach der Wirtschaftskrise noch in der Tasche hat? Immer weniger sogenannte Backpacker gehören zu den wirklichen Budgetreisenden, immer mehr wollen den etwas besseren Bungalow, eine Steckdose für den Laptop und wären vermutlich vor fünf Jahren noch in ein Mittelklassehotel abgestiegen. Allerdings haben diese auch immer häufiger einen Rollkoffer, statt einem Rucksack, es ist nur eine Frage der Zeit, dass sie ein neues Wort erfinden. Vielleicht werden wir irgendwann zurückblicken und sagen: Wir waren die Generation Backpacker.
Das Standardwerk für jeden Sammler…
Meine Fotos im Großen BLV Steine- und Mineralienführer
Ich habe gerade ein Päckchen mit der druckfrischen Neuauflage des BLV Steine- und Mineralienführers bekommen. Das wird die uralte Ausgabe desselben Buches ersetzen, die schon in meinem Regal steht. Der Klappentext verspricht, dass damit das Bestimmen leicht und zweifelsfrei gelingt! Das Buch ist also besser als ein Röntgendiffraktometer (dessen Peaks nicht immer so zweifelsfrei zu interpretieren sind).
Die schönsten Minerale darin sind natürlich der prachtvolle Melilith vom Oldoinyo Lengai (Tansania) und der Arfvedsonit aus Ilimaussaq (Grönland). Warum? Weil ich die beiden selber gefunden habe! Jetzt werden also Generationen von Sammlern und Geologiestudenten mit Bildern von meinen Steinen durch die Gegend laufen. Zumindest mir wird das Buch eine zweifelsfreie Bestimmung dieser beiden ermöglichen …
Merkwürdigerweise sind die Bilder nicht wie behauptet in Originalgröße, der Arvfedsonit ist in Wirklichkeit viel größer (und hätte eine komplette Seite für sich alleine gebraucht), während der Melilith, ich gebe es zu, deutlich kleiner ist (ca. 1,4 cm). Trotzdem ist er viel größer als jeder Melilith, den man sonst so finden kann, wenn man gerade nicht am Lengai sucht. Normalerweise sind die nur ein paar mm groß und würden sich in einem Bestimmungsbuch nicht gut machen…
Tamazeght Carbonatites
Lange hat es gedauert: Michel Marks hat zu meinen Karbonatiten aus dem Tamazeght-Komplex in Marokko noch einen Haufen Isotopendaten für Silikatgesteine dazugegeben, das ganze kräftig umgerührt und so eine schöne Story draus gemacht, die endlich auch gedruckt wurde.
Marks MAW, Neukirchen F, Vennemann T, Markl G (2009). Textural, chemical, and isotopic effects of late-magmatic carbonatitic fluids in the carbonatite–syenite Tamazeght complex, High Atlas Mountains, Morocco. Mineralogy and Petrology, vol. 97, p. 23-42.
Norwegische Fjorde
Die schönsten Fjorde in Norwegen: Aussichtspunkte wie Preikestolen am Lysfjord, Blicke auf den Geirangerfjord, Wanderungen hoch über Eidfjord und Nærøyfjord
Die norwegischen Fjorde zählen sicher zu den faszinierendsten Landschaften der Erde (s.a. mein Buch Bewegte Bergwelt). Unglaublich, zu was die Gletscher der Eiszeiten fähig waren. Mein erster war der Geirangerfjord, der bekannteste und voller Kreuzfahrtschiffe, vermutlich wegen seiner Wasserfälle und der S-förmigen Biegung.
Der Wetterbericht zwang mich, mein Programm von zwei Tagen auf einen Tag zu kürzen. Also lieh ich für den Vormittag ein Mountainbike und radelte zur Ørnesvingen hinauf, die oberste Kurve der nach Norden führenden Straße mit einer der Postkartenansichten des Fjords. Dann raste ich in den Ort hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf, um auch das Foto vom Flydalsjuvet zu bekommen…
Am Nachmittag reichte die Zeit noch, um zum Preikestolen und dem kleinen, hoch über dem Fjord klebenden Hof Skageflå zu wandern.
Am nächsten Tag war das Wetter dann doch nicht so schlecht. Um so besser, um die Fährfahrt nach Hellesylt zu genießen. Vom Ende des Nordfjords wanderte ich am späten Nachmittag auf Meeresniveau los, baute mein Zelt an einem Bergsee auf und stand letztlich pünktlich zum Sonnenuntergang auf dem Gipfel Skåla (1843 m). Dort oben hatte ich einen phantastischen Blick auf die Gletscherwelt des Jostedalsbreen, des größten Gletschers auf dem europäischen Kontinent. Im Schein der Kopflampe suchte ich meinen Weg zum Zelt zurück.
Der nächste Fjord war auf der anderen Seite des Jostedalsbreen der Fjærlandfjord, ein Seitenarm des Sognefjords. Die Radtour zum wenig spektakulären Gletscherarm Bøyabreen hätte ich mir sparen können, die Bootsfahrt durch das weit verzweigte Fjordsystem nach Flåm war aber nett. Von hier machte ich die obligatorische Fährfahrt durch den Nærøyfjord nach Gudwangen, die Fahrt ist so beliebt, dass es touristische Hinweise in diversen Sprachen, einschließlich Chinesisch und Japanisch gibt.
Kaum angekommen, stürmten fast alle in die wartenden „Norway in a Nutshell“-Busse, ich wanderte stattdessen am Fjord entlang nach Bakka, von wo ein steiler Pfad mit spektakulären Blicken in die Berge hinauf führt. Leider reichte mir die Zeit nur bis zum oberen Ende des Wasserfalls.
Nach einer Wanderung durch das wilde Aurlandsdalen bei pervers gutem Wetter (es war Regen angesagt), machte ich mich bei Regen auf zum nächsten Fjord: mit dem Zug bis Finse und dann zu Fuß in 2 1/2 Tagen über die Hardangervidda zum Vøringfossen bei Eidfjord. Das raue Hochplateau der Hardangervidda, das größte Nordeuropas, ist eine Landschaft aus felsigen Buckeln, Moosen und unzählbaren Seen und Tümpeln, deren Charakter sich mit dem wechselhaften Wetter ständig wandelt.
Die erste Nacht verbrachte ich am Fuß des Gletschers Hardangerjokulen. Gerade als ich mein Zelt abbauen wollte, hob dieses in einer heftigen Windböe wie ein Ufo ab, die Heringe fielen aus dem steinigen Boden und es flog in großen Sprüngen davon. Ich stürmte hinterher und konnte es nach einiger Zeit in einer windstillen Mulde einholen, nur fing es inzwischen an zu regnen und bis ich zurückkam waren meine ganzen Sachen, die ich zum Einpacken schön ausgebreitet hatte, klatsch nass. Guten Morgen! Immerhin hat das Zelt den Flugversuch bis auf kleinere Risse erstaunlich gut überstanden. Kaum marschierte ich los, hörte der Regen wieder auf. Der Wind legte dafür einen Zahn zu, ich konnte mich mit samt Rucksack dagegen lehnen und meine Augen begannen zu tränen.
Aber es blieb trocken und so entschied ich mich einen Abstecher zum postkartenschön gelegenen Hof Kjeåsen zu machen. Auch wenn auf der Karte kein Weg eingezeichnet ist, gibt es einen, der sogar hin und wieder mit einem Steinmännchen markiert ist, das allerdings so klein ist, dass man wirklich danach suchen muss. In luftiger Höhe näherte ich mich dem Eidfjord, der Hof liegt irgendwo dort unten auf halber Höhe.
Ich hatte Touristenrummel erwartet, der Blick über den Hof auf den Fjord ist eine der Postkartenansichten Norwegens und immerhin führt eine Strasse hinauf. Die alte Frau, die noch immer hier oben wohnt, erzählt, dass vor drei Tagen zwei Reisebusse hier waren. Jetzt ist es ruhig, sie ist beeindruckt, dass ich zu Fuß von den Bergen gekommen bin, schenkt mir eine Cola und steckt mir dann sogar noch Waffeln als Wegzehrung zu.
Auf dem Weg hinauf regnet es mal wieder und der Fjord füllt sich mit Nebel wie das Schaumbad in einer Badewanne. Natürlich beeile ich mich, mein Orientierungssinn funktioniert wie ein GPS und ich bin schneller wieder oben, als ich herunter gebraucht habe. Ironischerweise scheint Abends nochmal die Sonne, trotzdem ist das Wetter am nächsten Tag so schlecht, dass es nicht zu beschreiben ist. Im Regen packe ich mein Zelt zusammen, esse im Regen zu Mittag (das Brot verwandelt sich in meinen Händen zu Brei) und baue mein Zelt im Regen wieder auf. Inzwischen ist in meinem Rucksack wirklich nichts mehr trocken, selbst meine Kamera tropft. Wie geplant, nur ohne Sicht erreichte ich den Vøringfossen und marschierte sogar noch ins Tal hinunter, weil an Wochenenden die Busfahrpläne eine Katastrophe sind.
Als letzten Fjord besuchte ich noch den Lysefjord bei Stavanger. Der Preikestolen ist leicht zu erreichen und wirklich einer der fasziniersten Aussichtspunkte. Etwas mehr als 600 m schwebt die an drei Seiten von senkrechten Felsen begrenzte Plattform über dem Fjord. Durch den ständigen Wechsel von Regen und Sonnenschein machte der Lichtfjord seinem Namen wirklich alle Ehre.
Jetzt könnte ich noch einen Post über das Ölmuseum in Stavanger, die krummen und schiefen Häuser auf der Brygge in Bergen und über den Nidarosdom in Trondheim schreiben, aber ich habe keine Lust mehr.
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Rondane und Jotunheimen
Wanderung zum Storronden im Rondane-Nationalpark und eine weitere über den Besseggen-Grat und quer durch den Jotunheimen-Nationalpark zur Fannaråken-Hütte (Norwegen)
Rund 1000 m über der Hochebene liegen die Gipfel der kuppelförmigen Berge von Rondane, zwischen die ein schmaler, langgestreckter Bergsee eingeklemmt ist. Vom Storronden genoss ich den Ausblick auf die steinige Landschaft, grau in grau.
Jotunheimen fiel ins Wasser oder genauer das Wasser auf mich, und zwar kübelweise. Dabei ging es in perfektem Wetter los, über Norwegens beliebtesten Wanderweg, den Besseggen-Grat, der in Wirklichkeit eher ein breiter Rücken ist, der steil abfällt. Tief unten liegen links und rechts zwei Seen, der eine blau, der andere grün.
Dann ging die Sonne unter und ward nie wieder gesehen… Die nächsten Tage war das Wetter wirklich garstig, Regen, Schnee, Regen. Ich habe so gut wie keinen Berg gesehen. Einmal blieb ich einen halben Tag im Zelt liegen, langweilte mich dann aber so sehr, dass ich doch noch loslief.
Erst am letzten Tag wurde es wieder besser, die Tour endete mit einem grandiosen Sonnenuntergang an der Fannaråken-Hütte, der die schroffe Nordwand der Hurrungane beleuchtete.
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Røros
In Røros lauert das Idyll hinter jeder Ecke. All die schnuckligen bunten Holzhäuser, die Hügel der Schlackenhalde hinter der Kupferhütte… Man vergisst wirklich, was für harte Arbeitsbedingungen hier geherrscht haben. Das Museum ist sehenswert, unglaublich, was für Holzmengen der Bergbau verschlungen hat. Nur schade, dass kein einziges Mineral ausgestellt ist und niemand mir sagen kann, was für ein Kupfererz denn abgebaut worden ist und um was für einen Lagerstättentyp es sich handelt. Ziemlich Mau für einen der wenigen Bergwerksorte der Welt, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden.
Update: Es handelt sich um eine VMS-Lagerstätte.
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Sarek
Wanderung quer durch den unzugänglichen Sarek-Nationalpark im Herzen Lapplands, Schweden
Lappland im höchsten Norden von Schweden gehört zu den wenigen richtig wilden Landschaften Europas. Große Seen, vergletscherte Berge, Hochebenen und Täler mit wild verflochtenen Flüssen prägen die Landschaft (s.a. Bewegte Bergwelt). Hier grenzt ein riesiger Nationalpark an den nächsten und Sarek ist das abgelegene Herz des ganzen. Dieser Nationalpark hat keine Infrastruktur wie Hütten, die nächste Straße ist 2 Tage Fußmarsch entfernt. Es gibt nicht einmal Wanderwege, abgesehen von zwei sich kreuzenden Routen, doch selbst diese sind nicht markiert. Und Brücken gibt es nur, wo es wirklich absolut notwendig ist.
Es ist unglaublich, wie viel Wasser auf einem einzigen Fleck Erde sein kann. Von allen Seiten kommen wilde Bergflüsse herunter, immer wieder gibt es heftige Regenschauer und nicht nur die Täler, sondern selbst steile Hänge sind ein einziges Moor. Kein Wunder, dass viele der Einheimischen hier mit Gummistiefeln wandern (und das nicht etwa, weil dies die diesjährige Sommermode ist). In den Sümpfen brüten Armeen von Moskitos, eines Nachts wache ich von einem Geräusch auf, das wie Regen klang, der auf die Zeltplane platscht. Es waren jedoch tausende Moskitos, die einen Weg ins Innere suchten.
Um in diese wilde Gegend zu kommen, marschierte ich im norwegischen Minenort Sulitjelma los, weil das von den Lofoten aus via Fauske mit Fähre und Bus zu erreichen ist. Im Rucksack hatte ich genug Essen für 13 Tage. Ich weiß nicht, wie viel mein Rucksack wog, auf jeden Fall wog er zu viel. Allein das Ding auf den Rücken zu hieven war schon eine Qual. Und jetzt loslaufen, über einen hohen Pass nach Schweden hinüber. Bei Regen, der immer stärker wurde. All die Bergbäche waren so angeschwollen, dass ich wirklich bei jedem die Schuhe ausziehen musste, was einem bei kaltem Regen irgendwie verkehrt vorkommt. Am Abend war ich froh, dass ich meine Kleider am Ofen der Berghütte Sørhus trocknen konnte. Während draußen der Sturm um die Hütte fegte, erzählte der Hüttenwirt, dass vor wenigen Jahren ein Blizzard die gesamte Hütte über den See geweht hatte. Dort könne man noch immer Trümmer finden. Die neue sei besser verankert, beruhigte er mich. Am nächsten Tag blinzelte hin und wieder die Sonne heraus und ich konnte beim Überschreiten der Grenze auf die Berge zurückblicken.
Hier war ich im Padjelanta Nationalpark. Ich passierte die wunderschön gelegene Hütte Sårjåsjaurestugan und baute mein Zelt zum nächtlichen Sonnenuntergang mit Blick auf den See Virihaure auf. Durch diese Gegend führt der gut ausgebaute Wanderweg Nordkalottleden, sodass ich immer mal wieder auf Wanderer traf. Jedoch so wenige, dass man immer ein paar Worte wechselt. Die einzige Ausnahme war ein Typ, an dessen Rucksack ein Rengeweih baumelte, ohne meinen Gruß zu erwidern stürmte er an mir vorbei und machte einen Hügel weiter ebenfalls Rast.
Dies ist leider auch eine Geschichte von versagendem Material. Die Sohle meiner Wanderstiefel, die erst kurz vor der Reise neu besohlt worden waren, löste sich wieder. Ab jetzt war ich jeden Abend mit einer Tube Kleber beschäftigt, doch im Laufe des nächsten Tages löste sie sich jedesmal wieder, noch etwas mehr.
Meine nächste Etappe brachte mich zur Hütte Tarraluoppalstugorna, wo ich den Wanderweg verließ und weglos in die Bergwelt von Sarek eintauchte. Die nächsten Tage traf ich keine Menschenseele, ich war allein mit den Bergen und den Rentieren. Anfangs machte ich große Umwege, um einen Sumpf zu umgehen, nur um dann doch noch nasse Füße zu bekommen. Dann vertauschte ich die Stiefel mit meinen Sandalen und machte nur noch kleine Umwege um die tiefsten Stellen. Quatsch, quatsch, der Schlamm schlatzte mit jedem Schritt gegen meine Regenhose. Ich saute mich völlig ein, der Schweißgeruch mehrerer Tage mischte sich mit dem modrigen Geruch des Moores. Aber das Wasser der Moore ist gar nicht mal so kalt und ich kam wieder schnell vorwärts. Dann riss der Riemen meiner Sandale (1 Jahr alt). Kurz entschlossen schnitt ich die Hosenträger meiner Gore-Hose ab und knotete mir einen neuen. Doch bald musste ich feststellen, dass es etwas Schlimmeres gibt als Sümpfe, nämlich schier undurchdringbares Gestrüpp, das den Talboden der Sarvesvagge versperrt. Ich folgte den Pfaden der Rentiere, brauchte aber einen halben Tag für wenige Kilometer. Endlich konnte ich einen steilen Hang hinauf krabbeln, um zum Bergsee Dielmajavrasj aufzusteigen.
Am nächsten Morgen erschreckte ich einige Rentiere, als ich aus meinem Zelt krabbelte. Doch mit der Zeit waren sie eher neugierig. Das perfekte Wetter nutzte ich für einen Abstecher auf den Kanalberget, einem der Gipfel dieser Gegend. Ein Rentier lief mir streckenweise hinterher und stapfte dann über den flachen Gletscher.
Ich stieg in das Rapadalen hinunter. Einmal rutschte ich in einem steilen Moor aus, bei einem der Stöcke versagte die Arretierung, er zurrte zusammen und ich sass in einem Tümpel. Der Rucksack tropfte zwar nach dem Aufstehen, war aber innen relativ trocken geblieben. Ab jetzt hatte ich einen Stock, der etwas kürzer war als der andere.
Auf der anderen Seite des Tales verläuft eine der Hauptrouten durch den Nationalpark, aber der reißende, weit verzweigte Fluss ist absolut nicht zu durchqueren. Daher musste ich auf der „falschen Seite“ zur Brücke Skarja, nur um 2 Tage später am anderen Ufer anzukommen….
Die falsche Seite war eine Qual, Matsch und Büsche wechselten sich ab. Einer der unzähligen Bäche, die ich durchwaten musste, war so reißend, dass meine Stöcke wie die Seite einer Gitarre zu schwingen begannen. Fast bis zur Unterhose im eiskalten Wasser überlegte ich, ob so ein Stock vielleicht bricht oder ob man von dem kalten Wasser einen Krampf bekommen kann und was das wohl für Folgen hat…
Inzwischen fing ich an, mit mir selbst zu reden. Nur einzelne Sätze, mal ein „das hat sich aber mal gar nicht gelohnt“ und was man sonst so leise denkt, aber die Tage der Einsamkeit zeigten ihre Wirkung.
An der Brücke Skarja war plötzlich einiges los. Aus allen Richtungen kamen sie angewandert und es standen schon mehrere Zelte da. Besonders gesprächig war ich nicht, vielleicht gab ich ein ähnliches Bild ab wie dieser Typ mit dem Ren-Geweih. Ich folgte nun der Hauptroute durch das Rapadalen, in Sandalen, sodass ich in Sümpfen und an den Flüssen allen anderen überlegen war. Während die anderen sich umständlich für eine Flußdurchquerung umzogen, lief ich ohne abzubremsen hindurch. Nicht mal die Hose krempelte ich hoch, die wurde dann wenigstens wieder sauber… Und verglichen mit dem einen Bach waren diese ein Kinderspiel. Viel schlimmer waren die Moskitos, die immer mehr wurden. Am zweiten Tag wanderte ich in einer Wolke von Plagegeistern, die mich so nervten, dass ich bei der ersten Gelegenheit auf das Hochplateau aufstieg. Dort waren die Blicke sowieso besser und ich konnte den Skierffe von hinten erreichen.
Der Skierffe ist eine 700m hohe Felsklippe über dem Delta, in dem der Fluss in einen See mündet. Die auf beiden Seiten von Felsen eingeklemmte grüne Fläche mit verzweigten Flussarmen und Seen ist so grandios, dass ich einen Tag später auch noch auf den gegenüber liegenden Berg stieg.
Doch zuerst entspannte ich mich an der Hütte Aktse, wo ich auch meinen Proviant auffüllen konnte. Vor allem Schokolade und Käse waren schon länger ausgegangen.
Von hier lief ich auf dem Kungsleden nach Norden. Inzwischen hatte sich an der Schuhspitze, wo einmal die Sohle war, ein Riss gebildet, durch das das Moor direkt hinein quatschte. „Hallo Moor“, sagte mein Fuß. „Hallo Fuß“, antwortete das Moor. Die beiden verstanden sich ganz gut und mit der Zeit bildete sich ein angenehmes Mikroklima. Bleibt zu erwähnen, dass ich keine Blasen bekommen habe. Der breite Wanderweg kam mir wie die reinste Autobahn vor, es wimmelte nur so von Menschen. Ausgerechnet als ich über den See Sitojaure wollte, war ich allein. Man kann entweder am Morgen das Motorboot nehmen oder sich in eines der Ruderboote setzen. Allerdings muss danach an jedem Ufer mindestens ein Ruderboot liegen. Da an meinem Ufer nur eines war, musste ich also hinüberrudern, ein Boot in Schlepptau nehmen und zurückrudern, bevor ich endgültig zum neuen Ufer aufbrechen konnte. Das beschäftigte mich drei Stunden lang, bei der letzten Fahrt ruderte ich in den Sonnenuntergang hinein. Bei uns muss man dafür bezahlen, um auf einem Ententeich herumzudümpeln und hier bekam ich 3 Stunden umsonst. Eine einzige Überfahrt hätte mir allerdings auch gereicht.
Einen Tag später kam ich in Saltoluokta an, dem Endpunkt meiner Wanderung. Hier ließ ich es mir gut gehen, das Buffet mit Rentier und Salaten war phantastisch und die Sauna mit Panoramafenster und Blick auf Berge und See waren ein passendes Ende dieses fünfzehntägigen Abenteuers.
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Lofoten
Reise zu den Lofoten, Inseln in Norwegen mit schroffen Bergen, Fjorden und Fischerdörfern — Wanderungen zu Aussichtspunkten und Berggipfeln
Schroffe Inseln, felsige Zacken, wie die Zähne einer Säge ragen die Berge der Lofoten aus dem Meer heraus (vgl. Bewegte Bergwelt). An der Küste ziehen sich die roten Holzhäuser der Fischerdörfer entlang. Und an klaren Tagen ist wie ein Spiegelbild am Horizont das genauso gezackte Festland zu sehen. Zwischen all den Pyramiden und Domen aus Granit (besser gesagt: Mangerit, Charnockit, Anorthosit) liegen tiefblaue Fjorde und wo gerade kein Berg und kein Fjord ist, befindet sich ein See. Wirklich eine unglaubliche Kombination aus Bergen und Wasser, Meer und Berge haben sich in wilder Zärtlichkeit umschlungen. Ich habe das Gefühl, hinter der nächsten Kurve auf einen Troll zu treffen oder auf einen Ork, aber dann sitzt da jedes Mal doch wieder nur ein Tourist…
Die Gegend um Svolvær war auch für mich der erste Kontakt mit diesem Archipel, mit einer Kaffeefahrt zum Trollfjord und einem Käffchen im Fischerdorf Henningsvær. Doch je weiter man kommt, desto faszinierender wird die Landschaft.
Zum Beispiel der Blick vom Offersøykammen, einem leicht zu erreichenden Aussichtspunkt nördlich von Leknes.
Dann Ramberg: „Copacabana“ meinte der Busfahrer beim Aussteigen zu mir, der geschwungene weiße Sandstrand mit den zackigen Bergen im Hintergrund gibt ihm recht, nur ist es trotz bestem Wetter so kalt, dass ich nicht einmal die Jacke ausziehe. Doch dann braut sich über dem Meer etwas zusammen und gerade mal zehn Minuten später sitze ich in dichtem Nebel.
Die grandioseste Landschaft ist die Insel Moskenesøya, vor allem die Gegend um Reine wirkt geradezu unwirklich. Besonders umwerfend ist der Blick vom Reinebringen über die kleinen Fjorde auf all die Felszacken. Ich saß erstmal einige Tage in dichter Suppe, aber ich wartete geduldig auf besseres Wetter. Ich schaute mir das malerische Fischerdorf Å an (der letzte Ort der Insel ist einfach nach dem letzten Buchstaben im norwegischen Alphabet benannt).
Zu guter Letzt machte ich einen Tagesausflug auf die Insel Værøy. Mit der Fähre setzte ich über den von den Gezeiten bewegten Moskenstraumen über, jenem gefürchteten Mahlstrom, von dem schon in der Antike wilde Geschichten von zerschellenden Schiffen erzählt wurden. Angekommen lieh ich ein Rad, um auf die Rückseite der Insel zu kommen und an die Südspitze zu wandern. Die wunderschöne Insel hat ein ganz anderes Flair als der Rest der Lofoten, nicht so unwirklich, aber dennoch wild.
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Teufelsmauer (Harz)
Eine senkrecht stehende Sandsteinschicht im Vorland des Gebirges, unweit der Bodeschlucht bei Thale
Im Harzvorland nördlich von Thale ragt eine wenige Meter dicke, senkrecht stehende Sandsteinschicht aus dem Hügelland: die mythenumrangte Teufelsmauer (ein zweites Segment gibt es bei Blankenburg). Die Mythen interessieren mich weniger, viel spannender ist die Geologie. Der Harz, der als Pultscholle entlang seiner nördlichen Randverwerfung gehoben wurde, wurde über die Sedimente des Vorlandes überschoben. Diese wurden dabei mitgeschleppt bzw. nach oben gefaltet, sodass sie unmittelbar vor dem Harzrand senkrecht nach oben stehen. Bei den meisten Schichten ist dies nicht zu sehen, da sie zu einer Hügellandschaft erodiert sind, doch die Sandsteinschicht der Teufelsmauer ragt weithin sichtbar daraus hervor.
Thale selbst gibt sich als Mythenstadt und versucht mit Hexen, Wotan und allerlei mehr seine Besucherzahlen in die Höhe zu treiben. Im Bodetal südlich von Thale ragen hohe Granitfelsen senkrecht empor. Die Felsen sind durchaus spektakulär. Wenn man von unten hinauf schaut, denkt man vielleicht an Göschenen oder Grimsel und vermutet dort oben ein Hochgebirge. Stattdessen ist die Landschaft dort oben flach, als seien die Berge mit einem scharfen Messer weggeschnitten worden. Auf dem Harz ist es tatsächlich so flach, dass die Bezeichnung „Berg“ einfach lächerlich ist. Nicht einmal der kleinste Hügel ist auszumachen. Der in der Ferne sichtbare Brocken ist die alles überragende Ausnahme.
„Die tiefste Felsenschlucht nördlich der Alpen“ steht auf einem Schild im Bodetal, entweder war der Autor noch nie in Norwegen, oder er geht stillschweigend davon aus, dass der Tellerrand nicht über die deutsche Grenze hinaus geht.
Diverse Dichter tummelten sich hier einst, an die heute allerlei Tafeln erinnern. Heinrich Heine verglich die drei Täler des Harz, das Ilsetal, das Bodetal und das Selketal mit drei Frauen unterschiedlichen Charakters. Das steht auch auf einer der Tafeln, die aber verheimlicht, dass das Bodetal ihn nicht so gnädig, nämlich mit Regenschauern empfing. „Nun, ich bin Paris,“ schrieb Heine, „die drei Göttinnen stehen vor mir, und den Apfel gebe ich der schönen Ilse.“ Dort hin sollte ich vermutlich meinen nächsten Ausflug machen.
Ich folgte dem Bodetal durch den felsigen „Bodekessel“. Etwas weiter wird die Landschaft weniger spektakulär, statt in Granit (Ramberggranit) ist die Schlucht hier in Schiefer der Blankenburger Zone eingeschnitten.
Trotzdem wimmelt es hier nur so von Pathos schwallenden Tafeln, über „eine satte Landschaft aus interessanter Perspektive“ und vor allem die „Bergeshöhen, wo der Vorwelt Schauer wehen“. Der Schauer läuft mir ob dieser Zeilen den Rücken herunter. Es stürmt und drängt nur so! Mich jedenfalls drängt es zurück zu den Granitfelsen, zum besten Aussichtspunkt, hinauf auf die Rosstrappe.