Tiefblaues Wasser voller Korallenriffe, hinter dem rötliche Granitberge aufragen. So schön, dass ich nun zum dritten mal an diese Küste komme. Die Granitfelsen sind stellenweise wie ein Zebramuster von schwarzen Gangschwärmen durchschlagen.
Nuweiba ist so gut wie ausgestorben, die Camps und Restaurants stehen leer und die wenigen Touristen sind im Rentneralter. Ob das an der Nebensaison liegt oder an der letzten Terrorismussaison? In Dahab ist mehr los. Ich gerade aus meinem Tauchschein einen „Advanced“ und verbringe somit einen guten Teil meiner Zeit unter Wasser. Es ist wie in einem Aquarium herumzuplantschen, viele kleine bunte Fische. Tauche ich gerade nicht, dann schnorchel ich mit einem Strohhalm durch einen Fruchtshake…
Auch auf den Mount Sinai (Mosesberg) will ich wieder, nicht wegen der Gesetzestafeln, sondern weil der Blick von dort oben phantastisch ist. Die örtliche Touristenpolizei hat sich etwas Neues ausgedacht, sie lässt niemanden ohne Guide hinauf. Ich sehe schon die Dollarzeichen in den Augen blinken, Baksheesh… Ziemlich witzlos, erstens war ich schon vor ein paar Jahren oben, zweitens weiß ich, wie unmöglich es ist, den breiten Weg zu verpassen. Ohne mich! Anstatt den normalen Weg vom Katharinenkloster zu nehmen, nehme ich einfach einen Weg, der vom Dorf ein Tal hinauf führt und komme so von hinten zum Gipfel. Ohne Checkpoint. Nach Sonnenuntergang wird es ruhig dort oben, ich liege in einer windgeschützten Ecke. Mitten in der Nacht wird es laut, tausende Touristen kommen laut rufend an und besetzen jedes Steinchen, auf dem man sitzen kann, um den Sonnenaufgang zu sehen…
Der „Krater“ Ramon in der Negevwüste in Israel ist nicht durch einen Meteoritenimpakt, sondern durch Erosion einer Falte entstanden
Ein toller Blick, ich sitze an der „Kraterkante“ auf dem harten Kalkstein, lasse meine Beine baumeln und schaue 300 m hinunter auf eine rot, schwarz, gelb und weiß gefärbte Landschaft…
Das Gerücht, der Ramon „Krater“ in der Negevwüste sei durch einen Meteoriteneinschlag entstanden, hält sich hartnäckig. Vielmehr handelt es sich um einen Erosionskrater. Ganz rund ist er auch nicht, 40 auf 8 km, nichts anderes als ein merkwürdig geformter Canyon.
Das harte Kalksteindach einer Antikline ist hier aufgebrochen, die weichen Sedimente im Faltenkern wurden darauf hin (insbesondere nach Bildung des Jordangrabens im Osten) wegerodiert. Aufgeschlossen sind dort unten vor allem jurassische und am Südrand triassische Sedimente. Neben etwas Kalkstein und Tonstein vor allem Sandsteine, den Sand hatten Flüsse von den Graniten des Sinai herangebracht. Es gibt auch Gips, kleinere magmatische Intrusionen (z.B. einen in die Gipslagen intrudierten Lakkolith) und auch noch ein paar kleine Vulkane (Schlackenkegel) aus der Kreidezeit, die wieder freigelegt worden sind.
In einer Felswand sehe ich große Ammoniten, an anderer Stelle wurde der Sandstein so stark erhitzt, dass er zu armdicken Säulen, fast wie Basaltsäulen, zerfällt. Allerhand zu sehen für Geologen…
Diese Festung des Herodes liegt beeindruckend auf einem tafelförmigen Berg am Rand des Jordangrabens. Kanäle, die die Sturzfluten aus den Wadis in große unterirdische Zisternen lenken, ermöglichten das Leben in der Wüste. Was den Ort so symbolträchtig macht, sind jedoch die Geschehnisse während der Jüdischen Revolte gegen Rom. Noch heute sind rund herum die Kastelle der Legionen zu sehen, die die Aufständischen belagerten. An der Seite des Berges wurde eine riesige Rampe aufgeschüttet, um die Festung zu stürmen. Dieser Tag scheint geradezu in den Ruinen fest gefroren zu sein. Im Inneren fanden die Römer jedoch nur Leichen, da die Aufständischen den Massenselbstmord der Sklaverei vorgezogen hatten.
Etwas nördlich liegt die Oase En Gedi. Das Wasser in den beiden Schluchten und das heiße Klima lässt hier mitten in der Wüste tropische Pflanzen gedeihen. Die Pools und Wasserfälle sind allerdings ein stark frequentiertes Ausflugsziel.
Moderne in Tel Aviv, Altstadt in Akko, Bahai-Tempel in Haifa, See Genezareth ohne heilige Städten
Jung, hübsch und glücklich. So leicht wie eine frische Sommerbrise gleicht Tel Aviv als Gegenpol all das aus, was Jerusalem schweres an Heiligkeit, Tradition und Geschichte in die Waagschale wirft. Der Konflikt ist weit, weit weg, der Strand dafür um die Ecke. Cafés und Bars sind gefüllt, immer mehr Kunstgalerien werden geöffnet. Grüne Boulevards spenden Schatten zwischen weißen, modernistischen Gebäuden aus den 1930er Jahren, als die Stadt kaum verwunderlich rasant wuchs und auch viele Bauhaus-Schüler ins Land kamen. Minimalistisch, scharfe geraden, leicht geschwungene Fassaden, eine schlichte Ästhetik, die zu dieser Stadt passt.
In Akko bewundere ich Gewölbe aus der Kreuzfahrerzeit. Mit Krak des Chevaliers im Hinterkopf kann ich mir halbwegs vorstellen, wie die Zitadelle der Johanniter ausgesehen haben mag. Die auf einer Halbinsel gelegene Stadt wurde nach dem Fall Jerusalems zur Hauptstadt des Kreuzfahrerreiches.
Die Arbeiterstadt Haifa hat außer schönen Ausblicken nicht viel zu sehen. Die Ausnahme ist der in einem extrem aufwändig gepflegten Garten gelegene Schrein des Bab, den ich aber nur von weitem sehe. Dies ist neben dem Grab des Baha’u’llah einer der beiden heiligsten Orte der Bahai. Wenigstens eine Religion, die nicht Jerusalem gewählt hat. Die Bahai, in Persien aus dem schiitischen Islam entstanden, glauben, dass der Religionsgründer in einer Reihe mit den Propheten, Buddha, Jesus und Mohammed steht.
Den See Genezareth genieße ich ganz untouristisch mit israelischen Freunden mit grillen, planschen und campen. Eine angenehme Abwechslung!
Eine Frage der Tektonik? Ein Graffiti in Jerusalem zeigt einen Steinewerfer, mit dem hebräischen Schriftzug „alles wegen des Syro-Afrikanischen Rifts“.
In der Westbank besuche ich Hebron, wo der Konflikt deutlich zu spüren ist. Von Betonmauern und Stacheldraht umgeben, befindet sich hier inmitten des Basars eine jüdische Siedlung. Schwer bewaffnete Soldaten schützen diese, aber auch die Araber vor den etwas fanatischen Siedlern. Der Basar wirkt etwas ausgestorben, das Leben hat sich von der Altstadt weg verlagert. Über der Hauptgasse hängt stellenweise ein Gitter, da hin und wieder Müll von der anderen Seite geworfen wird. Zentrum des Streits ist das Grab Abrahams, in eine jüdische und eine muslimische Hälfte geteilt.
In der Westbank sehe ich immer wieder große rote Schilder wie „Sie betreten von der PA verwaltetes Gebiet, das von palästinensischen Sicherheitskräften kontrolliert wird“ oder „Zone A, kein Zutritt für Israelis“.
In Bethlehem hängen wie auch in anderen Orten der Westbank überall Plakate an den Wänden, die die Märtyrer preisen. Terror ist schließlich das wichtigste Exportgut der palästinensischen Gebiete… Mal sind es martialisch mit Maschinengewehren posende Männer, mal das unschuldige Gesicht eines Kindes, das sich irgendwo in Israel in den siebten Himmel gebombt hat und jetzt von ein paar Jungfrauen verwöhnt wird… Fast immer ist die symbolträchtige Kuppel des Felsendomes im Hintergrund. Während ich eines der Plakate fotografiere, steht neben mir ein Kind und brüstet sich stolz, der junge Mann auf dem Plakat sei aus seiner Familie. Warum er auf dem Plakat ist? „Israel, boom. You know, Israel no good.“ Na dann…
Bei all dem Trouble und entgegen allem, was ich gehört habe, sind die Sicherheitskontrollen relativ kurz und oberflächlich, am Checkpoint von der Westbank nach Israel wird der Bus einfach durch gewunken. Und daran, dass überall jemand mit Gewehr steht, habe ich in den anderen Ländern des Nahen Ostens schon gewöhnt.
Als Atheist unter Gläubigen in der heiligen Stadt (Israel)
Wie viel Heiligkeit verträgt der Mensch? Jerusalem strapaziert die Heiligkeit an den Rand des erträglichen, zu viel für manche, sodass das Jerusalem-Syndrom um sich greift. Die ganze Altstadt ist voller Spinner, die um die Wette predigen oder Bibelsprüche tauschen wie andernorts Witze: „Kennst du den schon?“
Für Juden ist die „Klagemauer“, die Westmauer des Tempelberges, nichts Geringeres als der Ort der göttlichen Präsenz, seit der Tempel selbst und das Allerheiligste von den Römern zerstört wurde. Wozu auch immer ein omnipräsenter Gott so einen Ort braucht. Der Platz davor dient als Freilicht-Synagoge. All die bärtigen Männer in schwarzen Anzügen, mit großem schwarzem Hut oder je nach Strömung großer Fellmütze sind prächtig anzusehen. Oh, die Hüte sind wirklich super! Die ultraorthodoxen Frauen wirken dagegen wie unscheinbare Mauerblümchen. Das mechanische Wippen an der Mauer wirkt sehr fremdartig, aber wenn ich sie in der Stadt sehe, oft mit einem modischen Touch und Handy, dann wirken sie weniger altmodisch als vielmehr Retro.
Das strahlendste Bauwerk Jerusalems ist jedoch eine Moschee, genauer ein Monument, das die mystische Reise Mohammeds in den Himmel feiert. Der Felsendom (und die benachbarte Al-Aqsa Moschee) auf dem Tempelberg ist eines der großartigsten frühislamischen Bauwerke, noch älter als die Moschee in Damaskus. Vorbild für den Felsendom war vor allem die Kuppel der byzantinischen Grabeskirche. Anfangs muss er so ähnlich wie der kleine Kettendom nebenan ausgesehen haben, etwas später wurden die Seitenwände hinzugefügt. Ähnlich wie in Damaskus war das Gebäude ursprünglich von Mosaiken bedeckt. Die blauen Fliesen stammen aus der Zeit von Suleiman, jenem osmanischen Herrscher, der all die Moscheen in Istanbul erbauen ließ.
Die Besichtigung des Tempelberges ist leider seit ein paar Jahren eine Farce. Eine Stunde nach Öffnung wird man schon wieder aus dem Tor gescheucht, dabei hat man die meiste Zeit beim Anstehen vor der Sicherheitskontrolle verbracht. Das Innere der Al Aqsa Moschee und des Felsendomes ist nur für Muslime offen. Dabei war ich vor einigen Jahren mal da drin…
Der Tempelberg ist auch der Ort, an dem das Jüngste Gericht über die Menschen hereinbrechen wird. Daher der riesige jüdische Friedhof am Ölberg nebenan, damit die Toten es nicht so weit haben. Da Gott an diesem Tag allerhand zu tun haben wird, haben die Muslime ihm ein wenig geholfen und schon einmal die Bögen gebaut, an die der Erzengel Gabriel die Waagschalen aufhängen wird.
Manche sagen, dass die Ummayaden Jerusalem aus ganz profanen politischen Gründen auch für Muslime geheiligt haben: um der Macht Mekkas etwas entgegenzusetzen. Vielleicht wollten sie auch den Sieg über Byzanz feiern oder die Reste anderer Religionen aus dem Weg räumen. Wie auch immer, es begann eine Zeit, in der auch Juden und (überwiegend orthodoxe) Christen weiterhin relativ ungestört ihrem Glauben und Leben nachgehen konnten. Das änderte sich mit den aus Europa einfallenden Kreuzrittern, Juden und Muslime wurden massakriert, den östlichen Kirchen ihre Orte weggeschnappt, der Tempeldom zur Kirche und die Al-Aqsa Moschee zur Zitadelle umgebaut.
„Jeder nur ein Kreuz“. Der Nabel der christlichen Welt liegt nur ein paar hundert Meter weiter in der Grabeskirche, in ihrer heutigen Form überwiegend aus der Zeit der Kreuzfahrer (und aus dem 19. Jh., nachdem die Kirche abgebrannt war), aber die Christen breiten mit ihrem Kreuzweg und allerlei anderen heiligen Orten die Heiligkeit gleich auf die ganze Altstadt aus. Hier hat Jesus dies, dort hat Jesus das. Ohne Unterbrechung strömen Pilger von Station zu Station. Manche schleppen sogar ein Holzkreuz mit, um die Leiden so richtig auszukosten, allerdings trägt dann meist ein ganzer Pulk daran mit. Das reicht ja wohl nicht für eine schöne Kreuzigung. Die Kreuze währen sowieso zu klein gewesen, man könnte daran höchstens ein Kind anschlagen, schätze ich. Daher zweifel ich ein wenig an der Hingabe dieser Pilger…
In der Grabeskirche selbst herrscht ein Heidenchaos. Flocks von Pilgern drängeln aneinander vorbei, beten gegeneinander an, knutschen den Stein, an dem Jesus gesalbt wurde, warten auf ihre Sekunde auf Golgatha und im Heiligen Grab. Die Schlange vor dem winzigen Grab ist lang. Hin und wieder muss ein Priester ein paar in verzückte Andacht verfallene Pilger aus dem Heiligen Grab scheuchen: „come on please, touch and go“ und “ let’s go, Jallah.“.
Um Ostern können die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Konfessionen anscheinend noch heute richtig handgreiflich werden. Früher war der anhaltende und mit ganz unheiligen Methoden geführte Streit, wer in welchem Winkel was machen darf und wem welche Kapelle gehört, so heftig, dass der osmanische Sultan einschreiten musste. Seit damals gilt das Dekret, dass nichts am Status Quo verändert werden darf. Daher räumt auch niemand die Leiter weg, die über dem Portal steht und von der niemand mehr weiß, wem sie gehört. Ganz ähnlich überlegt der israelische Staat einzugreifen, weil sich die Konfessionen nicht einigen können, die einsturzgefährdeten Teil der Kirche zu renovieren. Die griechischen Orthodoxen kontrollieren das Hauptschiff, Katholiken und Armenier sind links und rechts vom Grab, die Kopten haben ein winziges Kapellchen dahinter und die anderen sind irgendwo abseits, z.B. die Äthiopier auf dem Dach.
Manche Protestanten (Anglikaner usw.) vermuten, dass die Grabeskirche gar nicht an der richtigen Stelle steht. Vielleicht sind sie auch nur eingeschnappt, zu spät gekommen zu sein, um ihr Kapellchen abzubekommen? Gegen das gute Argument, sie stehe entgegen der Bibel innerhalb der Stadtmauer, halten die anderen entgegen, die äußere Mauer sei etwas später gebaut worden. Und schließlich wurde unter der Grabeskirche das Wahre Kreuz gefunden! Die Lutheraner haben ihre eigene Kirche in der Nähe. Wie auch immer, typisch protestantisch belächeln sie das mythische Klimbim der anderen, es sei auch nicht so wichtig, wo genau Jesus gekreuzigt worden sei, sondern dass er die Sünden der Welt und so weiter und auferstanden … und dann laden sie zur Bibelarbeit ein.
Jerusalem besteht durchaus nicht nur aus der Altstadt, das Zentrum im Osten wirkt angenehm normal.
Die sehr gelungene Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist etwas ganz anderes. Hier vertiefe ich mich in eine Menge von Bildern, Filmen, in Einzelschicksale und Zeitzeugenberichte, lerne mir neue Details über den Aufstand im Warschauer Ghetto, über die Einsatzgruppen, Todesmärsche und Treblinka und gehe der unlösbaren Frage nach, wie es dazu kommen kann, dass eine Nation kollektiv einen derartigen industriellen Massenmord begeht. Es gibt auch Werke von ermordeten Künstlern zu sehen, sowie einige erinnernde und mahnende Monumente.
Am wichtigsten jüdischen Feiertag steht die heilige Stadt still
Am wichtigsten jüdischen Feiertag, Yom Kippur, steht das ganze Land still. Während der Sabbat nur von religiösen Juden eingehalten wird, sind heute selbst auf Schnellstraßen nur Fußgänger unterwegs. Restaurants und Cafés sind geschlossen, man fastet (und trinkt nicht einmal Wasser). Selbst die Fernsehsender werden abgeschaltet. Die Menschen strömen in die Synagogen, die Orthodoxen ganz in Weiß gekleidet. Auch an der Klagemauer sammelt sich eine Menge, die murmelt und ruft. Es ist der Tag, an dem man über sein Leben nachdenkt, über das vergangene Jahr, was man Gutes getan hat und was Schlechtes, was man ändern möchte. Dass an diesem Tag die religiösen Gefühle hochschlagen können, zeigen die Nachrichten aus Akko. Dort wurde ein Araber, der mit dem Auto durch die leeren Straßen gefahren ist, mit Worten und Steinen angegriffen. Daraus entwickelten sich Straßenschlachten zwischen religiösen Juden, Arabern und der Polizei, die über Tage anhielten.
Doch damit nicht genug mit Feiertagen, eine Woche später werden überall Hütten aus Palmzweigen und Stoffbahnen gebaut, in Gärten, auf Balkons, auf den Terrassen von Restaurants. Eine Woche lang ist campen angesagt, zur Erinnerung an die Wanderung aus Ägypten.
Für Reisende sind die vielen Feiertage ziemlich unpraktisch, da an ihnen wie am Wochenende keine Busse fahren.
Einreise in Israel von Jordanien mit einem Pass voller suspekter Stempel
Die Einreise von Jordanien nach Israel war langwierig wie erwartet und doch nicht so lästig wie befürchtet. Fast am ärgerlichsten war, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass der Bus vom jordanischen zum israelischen Posten teurer sein würde als ein Bus nach Aqaba und zurück, sodass ich nochmal Geld wechseln musste… Aber immerhin geht es über den Jordan, so fix, dass ich diesen symbolträchtigen Moment fast verpasst habe. Auf der israelischen Seite musste ich dann mein Gepäck einchecken wie an einem Flughafen, durch Sicherheitskontrollen durch, bevor ich an der Passkontrolle anstand. Die hübsche, junge Beamtin blätterte meinen Pass durch, murmelte „Syria, Lebanon, Iran — wow“. Ich solle ein Formular ausfüllen und auf den Stühlen warten, bis jemand zu einem Interview kommt. Das dauerte ziemlich lange, ich war bei weitem nicht der einzige, der dort warten musste und es traf auch Reisende ohne solche Stempel. Das Interview selbst war dann erstaunlich kurz. Was ich im Iran, Syrien, Libanon gemacht habe, plus die üblichen Fragen nach Wohnort usw. Dann wartete ich nochmal etwa eine Stunde (alles in allem wartete ich fast 4 Stunden), bis ich beinahe unbemerkt aus einem der Passkontrollenhäuschen aufgerufen wurde. Das war es dann auch schon. Ich musste nicht, wie jemand anderes mir erzählt hatte, meinen Rucksack auspacken, damit hatte ich gerechnet.
Planschen im Salzwasser, Schlucht im Wadi-Mujib-Reservat und byzantinische Mosaiken (Jordanien)
Falls irgendjemand unbedarftes vorbeikommt, stehen an der Straße große Warnschilder: „Achtung! Extrem salziges Wasser!“. Dass man im Toten Meer wie ein Korken schwimmt, ist hinreichend bekannt. Es dann aber wirklich zu erleben, wie einen das Salzwasser nach oben drückt, ist jedoch etwas anderes. Sehr lustig, wirklich! Zum Beispiel ist Brustschwimmen hier unmöglich, beim Versuch rudern meine Beine hilflos in der Luft umher.
Das Wasser schmeckt scharf und sauer, ich vermute das ist der Geschmack von MgCl, das mehr als die Hälfte des Salzgehaltes ausmacht. Ich plansche am Amman-Beach, wo auch die Jordanier hinkommen. Die Frauen genießen das Wasser natürlich komplett angezogen und nur bis zu den Knöcheln. Schwarzes Gewand, mit Kopftuch. Oh, aber ein paar Jordanierinnen im Bikini waren auch dort, die vor allem von den schwarz gekleideten Frauen interessierte Blicke ernteten.
Es lohnt sich aber auch, an abgelegener Stelle ans Ufer zu gehen, dicke Salzkrusten bilden hier das Ufer, zum Teil mit bizarren Formen wie Knubbel, scharfe Grate, Stalaktiten, kleine Becken… Falls man irgendwo im Schlamm stecken bleibt, ist es nicht schlimm, er soll gut für die Haut sein.
Das Tote Meer ist natürlich der tiefste Punkt, an dem ich jemals war. Sogar einige Meter tiefer, als es bei meiner Israel-Reise vor vielen Jahren: der Wasserspiegel fällt ziemlich schnell. Derzeit ist es auf -420 m.
Die Schlucht des Wadi Mujib mündet ins Tote Meer. Ein tiefer Slot Canyon (wie zum Teufel heißen die Dinger auf Deutsch? Schlitzschlucht?), nur wenige Meter breit, durch den ein Bach fließt. Ich plansche Bach aufwärts, klettere an den angebrachten Seilen und Leitern an zwei kleinen Wasserfällchen vorbei, um zu einem größeren zu kommen. Hübsch.
Madaba liegt zwischen Amman und dem Toten Meer, es ist die christlichste Stadt Jordaniens und hier finden sich auch einige beeindruckende byzantinische Mosaiken. Am berühmtesten ist die Mosaikkarte des Heiligen Landes, von der leider nur Teile erhalten sind. Gut zu sehen sind Jerusalem, das Tote Meer und der Nil, bei dem sich der unbekannte Künstler die Freiheit genommen hat, ihn von Ost nach West fließen zu lassen (schließlich kommt alles aus dem Osten, die Sonne, der Messias usw., so wird mir erklärt). Die anderen Mosaiken zeigen neben christlichen Motiven, Tieren und Ornamenten vor allem Darstellungen aus der griechischen Mythologie, die von der neuen Religion offensichtlich noch nicht verdrängt worden waren.
Ganz in der Nähe, am Rand des Jordangrabens, liegt der Berg Nebu, ein heiliger Ort mehr in meiner Sammlung. Von hier sah Moses nach langem Marsch durch die Wüste endlich das Gelobte Land. Viel mehr sah er allerdings danach nicht mehr, er starb auf der Stelle. Ganz wie es sein sollte werfe auch ich von hier nach langer Reise den ersten Blick auf das Gelobte Land (und das Tote Meer), aber ohne gleich das Leben zu lassen. Um mich herum drängen sich hunderte Pilger und Bibeltouristen, hier beginnt ernsthaftes Bibelterritorium.
Ein weiterer Tagesausflug bringt mich zu den „Desert Castles“ im Osten, die meist gar keine Burgen sind, sondern vermutlich Ferienhäuser der Umayyaden-Dynastie (siehe auch Damaskus und Jerusalem). Vielleicht waren sie auch für den Handel gedacht, oder für Pilger auf dem Weg nach Kufa oder Medina, oder sie waren Farmen oder… Wirklich sicher weiß man nur, dass sie aus dem 7. / 8. Jh. stammen.
Amra ist nun wirklich keine Burg, ein Brunnen, eine kleine Halle und ein Bad, das ist alles. Innen finden sich tolle frühislamische Fresken, ziemlich profane Fresken. Mal spielt ein Bär auf einem Gitarre-ähnlichen Instrument, viele Jagdszenen und an anderer Stelle sind gar nackte Frauen zu sehen.
Das trutzige Qasr Kharana, in heller Wüstenfarbe, war möglicherweise eine Karawanserei. Wenn dies stimmt, ist es die älteste Karawanserei der islamischen Welt. Aber auch hier wird nur spekuliert.
Eine der Burgen, Azraq, ist aus schwarzem Basalt gebaut, schwarz und brütende Hitze, die die vielen Touristen langsam gar kocht. Die Römer hatten hier schon eine Festung, die im 13. Jh. von den Mamluken umgebaut wurde. Ich höre eine lustige Antwort auf die Frage, warum die Burg hier gebaut wurde: die Grenzen zu Syrien, Irak und Saudi Arabien seien ganz in der Nähe… Die Touristin hat die Antwort geschluckt, auch wenn es die genannten Staaten damals gar nicht gab. Allerdings gab es damals schon die große Oase, Grund genug. Ich finde die Dachkonstruktion spannend: schmale, knapp zwei Meter lange und nur grob behauende Basaltplatten, die auf Bögen oder anderen, hervorkragenden Platten liegen.
Amman sieht aus als hätte ein Riese eine Menge hellgrauer Würfel auf hellgrauen Bergen verstreut. Noch einige grüne Tupfer, aber sonst kaum Abwechslung.