Blog

Tiflis

In der Hauptstadt von Georgien

Oper in Tiflis
Oper in Tiflis

Tiflis ist so europäisch, wie es eine asiatische Stadt nur sein kann. Die Innenstadt ist voll von hippen Cafés und Bars, breite, von Bäumen gesäumte Straßen, es gibt exzellente Schablonengraffitis und jede Menge Kirchen. Die Kühe mitten auf einem Kreisverkehr und die entspannenden Thermalbäder im Hamam-Stil sind dann aber doch wieder asiatisch. Europa oder Asien? Für Georgier ist es eindeutig Europa, vermutlich einer kulturellen Definition entsprechend. Ich dachte immer, die Hauptkette des Kaukasus sei die Grenze zwischen beiden Kontinenten, demnach wäre es Asien. Die Sutur der Tethys verläuft durch den Kleinen Kaukasus, aber sie trennt Eurasien von Gondwana, geologisch gesehen macht eine Trennung Eurasiens wenig Sinn.

Wie auch immer, die Stadt wurde immer mal wieder von Mongolen oder Persern zerstört, sodass kaum ein Gebäude älter als 200 Jahre ist.

Ein georgisch orthodoxer Gottesdienst erscheint einem Laien wie mir schon sehr chaotisch. Die Kirche ist prall voll von Gläubigen jeden Alters, allerdings überwiegend Frauen, meist mit Kopftuch. Man kommt und geht, quatscht und tuschelt, im Zweifelsfall auch mit dem Handy. Manche zünden Kerzen an oder küssen eine Ikone. Wenn der Chor singt, wird es kurz etwas ruhiger. Einmal kommt alles in Bewegung, zwei Priester stehen in der Mitte der Gemeinde und pinseln den Anstehenden ein Kreuz auf die Stirn. Weihrauch wird geschwenkt. Ansonsten ist von den Priestern nicht viel zu sehen, hin und wieder taucht einer in der Tür der Ikonostase auf, dreht dem Publikum aber die meiste Zeit den Rücken zu. Gelegentlich kommt er für ein paar Sekunden hervor, alle bekreuzigen sich und schon ist er wieder weg. Das ganze scheint ewig zu dauern, aber ganz plötzlich ist es vorbei, die Tür wird geschlossen und ein Vorhang in die Lücke darüber geschoben. Wie zu erwarten, fällt nach gefallenem Vorhang der Applaus aus. Und doch ist auch bei der nächsten Vorstellung wieder ein volles Haus zu erwarten.

Mtskheta
Mtskheta

Die Umgebung von Tiflis hat einiges zu bieten. Mtskheta liegt hübsch am Zusammenfluss zweier Flüsse und ist so eine Art spirituelles Zentrum der georgianisch Orthodoxen. Immerhin soll unter der hiesigen Kathedrale aus dem 11. Jh. das leibhaftige Gewand von Jesus liegen. Im Vergleich zu dieser verblassen all die Kirchen in der Hauptstadt.

Kurz vor der Grenze zu Aserbaidschan liegt in hügeliger Steppenlandschaft das Kloster Davit Gareja und einige Höhlenklöster. Trotz der einsamen Lage war es über Jahrhunderte hinweg eine der wichtigsten religiösen Stätten des Landes.

Alaverdi
Alaverdi

Angeblich wurde in Georgien vor 7000 Jahren der Wein erfunden und so komme ich nicht umhin, bei Telavi eine Winzerei zu besichtigen und auch so manchen Tropfen zu probieren. Und um Telavi gibt es nicht nur Wein, sondern auch alte Kirchen in Fülle…


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2

Lahiç und Şeki

Zwei alte Städte im Westen von Aserbaidschan

Şeki
Şeki

Auf dem Weg nach Westen biegen wir zum Bergdorf Lahiç ab, das für seine Kupferschmiede bekannt ist. Wie in alten Zeiten werden hier Kupfergefäße aller Art hergestellt und verziert.

Lahiç
Lahiç
Lahiç
Lahiç
 

Bei Qabala zeigt Micha uns, wo und wie hier Brunnen gebohrt werden, die einmal die Wasserversorgung von Baku sicherstellen sollen. Im ganzen Land liegen die Plastikrohre mit 2 m Durchmesser herum, die einmal unter die Erde und als Pipeline dienen sollen. Uns wird erläutert, mit was für Schwierigkeiten man in so einem Projekt zu kämpfen hat.

Şeki
Şeki

Şeki ist ein hübsches Städtchen, das im 19. Jh. durch Seidenspinnereien reich geworden sein muss. Abgesehen von den alten Fabrikgebäuden ist es sehr dörflich und es scheint sich in den letzten 100 Jahren nicht viel getan zu haben. Eine Zeit lang war hier die Hauptstadt eines winzigen Khanates, somit gibt es noch einen kleinen Palast zu sehen. Wir übernachten stilvoll in einer ehemaligen Karawanserei.


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2
 

Schlammvulkane in Aserbaidschan

Statt glühender Lava tritt an Schlammvulkanen kühler Schlamm und Erdgas aus. Dieses Phänomen kann in Regionen beobachtet werden, in denen Ton schnell in große Tiefe gelangt.

Schlammvulkan
Schlammvulkan

In der Umgebung von Baku gibt es einige kegelförmige kahle Hügel, die aussehen wie kleine Vulkane, komplett mit den typischen Erosionsrinnen. Manchmal ist auch ein frischer Schlammstrom zu sehen. Oben gibt es tatsächlich eine Art Krater, in der einige wenige Zentimeter oder Meter große Hornitos stehen, aus denen dick- oder dünnflüssiger Schlamm sabbert und blubbert. Diese Schlammvulkane haben aber mit richtigem Vulkanismus nichts zu tun, denn hier tritt keine Lava, sondern nur kühler Schlamm (und Erdgas) aus. Etwa ein Drittel aller Schlammvulkane der Erde befinden sich in Aserbaidschan.

Schlammvulkan
Schlammvulkan

Sie kommen generell dort vor, wo feuchte Tone schnell in große Tiefe gelangen können. Das kaspische Meer wird seit dem Aufstieg des Kaukasus so schnell mit Ton aufgefüllt, dass dieser schnell überdeckt wird und sich in entsprechender Tiefe wiederfindet. Der Tonstein enthält daher relativ viel Wasser in den Gesteinsporen. Da das Wasser gegen den Gesteinsdruck wirkt, kann es den Tonstein in der Tiefe zu Schlamm verwandeln. Organische Substanzen, die sich zu Erdgas und Erdöl umwandeln, unterstützen dies.

Schlammvulkan
Schlammvulkan
Schlammvulkan
Schlammvulkan von Weitem

Entlang von Störungen steigt der Schlamm wegen seiner geringen Dichte auf und blubbert an einem Schlammvulkan an die Oberfläche. Auch Erdgas kann in bedeutenden Mengen austreten, es können sogar richtig große Blasen aufsteigen und hundert Meter hohe Stichflammen bilden (z.B. im Oktober 2001 in Sichtweite von Baku). Vermutlich von so einem Ereignis stammen die rot gebrannten Tone, die wir am Kraterrand eines der „Vulkane“ sehen.

Trockenrisse
Trockenrisse

Micha zeigt uns auch einen „Schlammvulkan“, an dem Erdöl aus einem Hornito aus Bitumen austritt. Vom kleinen Ölquellsee auf dem Hornito, der maximal vielleicht 3 m Durchmesser hat, fließt ein richtiger Ölbach in die Landschaft.

Ölaustritt
Ölaustritt
Ölaustritt
Ölaustritt

Mehr über die Geologie dieser Region und über andere Gebirge der Erde findet sich in meinem Buch Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen; mehr über Öl in Die Welt der Rohstoffe. Mehr über Aserbaidschan, den Kaukasus und den Nahen Osten findet sich in meinem Reisebericht Nahöstlicher Diwan.

Links

Mud Volcanoes – Azerbaijan International
Mud Volcanism Detaillierte Beschreibung einiger Schlammvulkane

Literatur

Huseynov, D. A., Guliyev, I. S., 2004. Mud volcanic natural phenomena in the South Caspian Basin: geology, fluid dynamics and environmental impact. Environmental Geology, vol. 46, 1012-1023.

Mazzini, A., 2009. Mud volcanism: Processes and implications. Marine and Petroleum Geology, 26(9): 1677-1680.


Überarbeitet am 3.3.2011


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2
 

Baku

Ölboom am Kaspischen Meer (Aserbaidschan)

Ölpumpe in Baku
Ölpumpe in Baku

Baku ist Öl. Am Horizont der Bucht ist eine ganze Reihe von Ölplattformen zu sehen, in der Vorstädten stehen an jeder Ecke und in jedem zweiten Vorgarten Ölpumpen und die weitere Umgebung der Stadt ist ein Gewirr aus Pipelines. In den vielen Bars wird das Geld gleich in Alkohol und bezahlte Liebe umgesetzt, von Religiosität (abgesehen von Aberglauben) keine Spur. Auch uns schmeckt das Bier, nach der langen allzu trockenen Zeit im Iran. Der aktuelle Ölboom lässt Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden sprießen, ähnlich wie gegen Ende des 19. Jh., als all die prachtvollen Paläste entstanden. Ganz versteckt gibt es im Zentrum noch eine um mauerte Altstadt, in der vor allem der Sultanspalast sehenswert ist.

Baku
Baku
Sultanspalast
Sultanspalast

Baku braucht Wasser… Micha, der ja derzeit an der zukünftigen Wasserversorgung der Stadt arbeitet, hat uns hier aufgesammelt und wird uns die nächste Zeit Aserbaidschan zeigen.

Petroglyphen in Qubustan
Petroglyphen in Qubustan

In der Nähe, in Qubustan, gibt es einige Petroglyphen aus der Steinzeit zu entdecken, hier sehen wir auch die ersten Schlammvulkane. Ein weiterer Ausflug bringt uns zu einem der berühmten Traumstrände (naja…) am türkisen Wasser des Kaspischen Meeres…


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2
 

Von Xinaliq nach Lasa

Wanderung durch den Hohen Kaukasus in Aserbaidschan: Urige Bergdörfer und wolkenverhangene Berge

Xinaliq
Xinaliq

Xinaliq ist ein rustikales Bergdorf im Kaukasus, auf der Spitze eines Hügels drängen sich die dunklen, aus Tonstein und Holz gebauten Häuser. Auf der Suche nach einem Homestay hatten wir drei hier Pech, denn unser Gastgeber verlangte nicht nur einen stolzen Preis für Unterkunft und Essen, sondern speiste uns mit Brot und Käse ab, während die Familie etwas Warmes bekam. Aus Respekt vor den Hirtenhunden wollten wir für die Wanderung ins im nächsten Tal gelegenen Dorf Lasa einen Führer, wofür sich unser Gastgeber gerne anbot, für den unverschämten Preis von 100 $. Damit konnten wir kaum einverstanden sein, worauf er meinte, nach Lasa zu wandern wäre ohne Permit gar nicht möglich. Er rief auch „netterweise“ seinen Freund im Armeeposten an und nein, es geht tatsächlich nicht. Da sich einige seiner Geschichten widersprachen, vermuteten wir schon, er wollte es uns unmöglich machen für unter 100 $. Natürlich versuchten wir noch, einen anderen aufzutreiben, aber in diesem Dorf kennt jeder jeden und jeder hat ein Handy und schon bekommen wir dieselbe Geschichte mit Permit und dass es nicht geht zu hören.

102_6764

Am nächsten Tag besorgen wir uns zwei Wanderstöcke und machen uns ohne Guide auf den Weg. Eine Armeepatrouille kontrolliert zwar unsere Pässe, aber dann dürfen wir weiter. Die Hirtenhunde, die immer wieder kläffend und Zähne fletschend auf uns zu rennen erschrecken uns beim ersten Mal, aber wir brauchen nur darauf warten, bis der Hirte zu uns kommt und uns an der Herde vorbeiführt. In dieser Gegend ist der Reichtum der Menschen an der Anzahl der Goldzähne abzulesen und ganz arm können sie schon mal nicht sein. So wandern wir also an hoch aufragenden, von Wolken verhangenen Kalkbergen vorbei, ein kurzer Schauer, etwas Nebel, passieren viele Schafe und einige Hunde. Lasa liegt ziemlich hübsch (soweit das mit den dichter werdenden Wolken zu beurteilen ist) und hat ein völlig anderes Flair als Xinaliq. Nicht so mittelalterlich, auch wenn es hier keinen Handymast und keinen Empfang im Dorf gibt….

Lasa
Lasa

Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2
 

Ardabil

Im Nordwesten des Iran

Babak-Festung
Babak-Festung

Vom kaspischen Meer schrauben wir uns ein letztes Mal hinauf in die Berge. Ardabil liegt auf eine Hochebene zu Füßen des Vulkans Sabalan und hat ein hübsches Mausoleum aus dem 14. Jh. zu bieten. In der Nähe entspannen wir uns in einem Thermalbad im viel zu heißen Wasser.

Ardabil
Ardabil

Ein gutes Stück nordwestlich ragen Syenitfelsen aus einem dichten Eichenwald. Oben thront spektakulär die Babak-Festung, die im Laufe des Tages aus den aufsteigenden Wolken auftaucht.

Babak-Festung
Babak-Festung

An der Grenze stellen wir fest, dass wir uns verzählt hatten und einen Tag zu lange im Iran waren. Wie peinlich! Zum Glück drückt der Grenzbeamte ein Auge zu. Zu Fuß ging es über eine verrostete Stahlbrücke, dann stehen wir in einem Grüppchen vor einem geschlossenen Stacheldrahttor, denn die Grenzbeamten in Aserbaidschan machen gerade Mittagspause. Selbst hungrig warten wir in der prallen Sonne. Auf der anderen Seite des Zaunes sind zwei ausrangierte Omnibusse abgestellt, die als Büro dienen. Endlich wird das Tor von Beamten mit riesigen Schirmmützen geöffnet und wir stürmen in einen dieser Busse, aber dann gibt es plötzlich ein Problem mit unserem Visum. Tatsächlich fehlte der Eintrag, in welchem Zeitraum das Visum eingelöst werden kann. Ich dachte natürlich, die Beamten hoffen auf ein Bakshish, aber ein Grenzsoldat kümmerte sich nun um uns („don’t worry guys, I will help you“) und eine weitere Stunde später dürfen wir tatsächlich endlich einreisen. Die Grenzbeamten mit ihren riesigen Schirmmützen winkten uns noch zum Abschied „welcome to Azerbaijan“. Wir nehmen ein Taxi für die restlichen 4 Stunden nach Baku.


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2

Kaspische Riviera

Strandleben im Iran

Der Iran ist nicht für seine Strände bekannt. Natürlich müssen Männer und Frauen getrennt baden und zu diesem Zweck sind mit Wellblech umrahmte Strand- und Meeresstücke abgetrennt. Der viele herumliegende Müll macht es nicht besser. Für die Iraner, die wohl in zwei Wochen hierherkommen, ist aber der häufige Regen, der für einen dichten Wald auf den Bergen im Hintergrund sorgt und auch Tee gedeihen lässt, die größte Attraktion. Wo er nicht verbaut ist, erinnert der Küstenstreifen mit Reisfeldern und den Bergen dahinter sehr an Vietnam.


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2
 

Damavand: Auf den höchsten Berg des Iran

Besteigung des Vulkans Damavand (5670 m) und welche unerwarteten Überraschungen diese bergen kann

Kurz vor dem Gipfel des Damavand
Kurz vor dem Gipfel des Damavand

Eine Bergbesteigung bringt oft unerwartete Überraschungen und in diesem Fall lag es am Todestag von Khomeini und den vier Ferientagen, die zu einem regelrechten Exodus aus Teheran in Richtung Strand führten. Am Busbahnhof trafen wir einen verzweifelten Bergsteiger aus Tabriz, der mit uns ein Taxi teilen wollte. Die Busse fuhren nämlich nicht, weil so viel Verkehr war. Nach harter Verhandlung mit dem Fahrer starteten wir in den Iman Khomeini Gedächnisstau und legten die gesamte Strecke in Stop and Go zurück. In so einem Stau stehen nicht etwa so viele Autos nebeneinander, wie es Spuren gibt, sondern vielmehr so viele, wie dort (inklusive Standstreifen) drauf passen, ohne die kleinste Lücke zu lassen. An jeder Ausfahrt wird versucht, rechts zu überholen und die wieder hineindrängenden Autos regen nicht gerade den Verkehrsfluss an. An einer Baustelle fuhren wir wie viele andere relativ zügig auf der gesperrten Hälfte der Autobahn, bis wir zu einem Gewirr aus Geisterfahrern und Kreuz und Quer stehenden Autos kamen. Geradeaus ging es nicht weiter, weil eine Brücke fehlte, stattdessen drängelten wir über eine steil aufwärts führende sandige Piste, auf der einige auf Steinen aufsetzten oder stecken blieben, auf die andere Seite. Von der Autobahn runter wurde es nicht besser. Es ging über einen Pass, rechts standen alle 20 Meter liegen gebliebene Fahrzeuge und Menschen auf der Suche nach Kühlwasser und links wurde gnadenlos die Fahrbahn des Gegenverkehrs mit benutzt. Wenn wirklich jemand entgegenkam, ging erst mal nichts mehr. Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als die Straße für den Gegenverkehr zu sperren!

Endlich im Dorf Polour angekommen ließen wir uns auf einem LKW an den Startpunkt der Wanderung, zu einer kleinen Moschee, fahren, wo wir und unser neuer Freund erst einmal übernachteten.

Damavand
Damavand

Die Nacht darauf verbrachten wir in einer völlig überfüllten Biwakschachtel, die von einer Zeltstadt umgeben war. Die Ferien hatten auch hier oben zu einer regelrechten Völkerwanderung geführt. Hier wurde uns klar, dass man nicht die Rücksicht erwarten kann, die man vielleicht von einer Schweizer Berghütte kennt. Da wird bis spät in die Nacht laut geschwatzt, Tee gekocht, per Handy Musik gehört oder telefoniert, mit Lampen herumgeleuchtet und Rucksäcke gepackt und kaum hat sich der letzte endlich hingelegt, stehen die ersten wieder auf. Inzwischen traten auch zwei unangenehme Eigenschaften unseres neuen Freundes auf: Er hatte nicht nur eine laute Stimme, sondern redete auch noch ohne Punkt und Komma. Wie sehr er uns vereinnahmte, indem er allen Iranern gegenüber damit angab, unser Freund zu sein, wurde uns erst später klar. Das ging so weit, dass er sich dazwischen drängelte, wenn wir mal mit jemand anderes redeten. Oder er wollte, dass wir auf ihn warten, bevor wir eine größere Gruppe passierten, die sehen sollte, dass er dazu gehört….

Wir machten uns früh auf den Weg, weil wir die Massen vermeiden wollten und stiegen schnell an, dank des Akklimatisierungsspaziergangs am Vortag. Es war eisig kalt und wegen des Winds machten wir kaum Pausen, sodass wir schon bald auf stolzen 5670 m Höhe standen. Ich begann sogleich zu zittern, die Kälte machte mir mehr zu schaffen als die Höhe und wir ließen uns kaum Zeit, den Blick über das Elbursgebirge schweifen zu lassen (s.a. Bewegte Bergwelt) oder den aus dem Berg quellenden Schwefelschwaden zuzuschauen.

Der Vulkankegel Damavand thront auf den Ketten des Elbursgebirges. Zu sehen sind vor allem hohe, lange Bergrücken ohne nennenswerte Einschnitte oder Gipfel. Der Rücken gleich gegenüber zum Beispiel zieht sich 40 km auf etwa 4000 m Höhe hin. Damavand überragt sie alle, aber auch dessen Gletscher hat sicherlich schon bessere Zeiten gesehen, es sind nur ein paar Schneerinnen übrig.

Die anderen Wanderer geben eine lustige Mischung ab, da sind Profis, die für den Piz Lenin trainieren, aber auch unerfahrene, die offensichtlich keine Ahnung von den Gefahren der Höhe haben. Besonders lustig war eine Gruppe, die scheinbar alles Equipment mit schleppte, was sie auftreiben konnte, egal wie sinnvoll es war. Einer hatte eine Skibrille auf (bei bestem Wetter vor Sonnenaufgang), zwei waren behelmt und der vierte trug einen Klettergürtel, an dem allerlei Material baumelte…

Der Weg wieder runter klappte in einem Rutsch bis zurück nach Teheran, wo wir uns auch von unserem neuen Freund verabschiedeten. Seine Einladung, ihn zu besuchen, werden wir vermutlich ausschlagen. Das Gequatsche und das „Mister“ konnte ich am Ende genauso wenig ertragen wie den geschmacklosen Weichkäse auf trockenem Brot.


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2

Teheran

In der Hauptstadt des Iran

Hier ist von den Frauen mehr zu sehen als sonst im Iran, die Kopftücher sind meist farbig und manchmal sind sie so weit nach hinten geschoben, dass sie fast herunterzufallen drohen. Ein schwarzer Chador kann auch eng und körperbetont sein, vielleicht sogar bunt und sicher schauen darunter Beine in Jeans hervor. Make-up ist die Regel und blonde Strähnen sind ganz hip.

Davon abgesehen ist Teheran ein Moloch voller nichts sagender Betonbauten und hoffnungslos überfüllter Straßen, durch die wir Meile um Meile irren auf der Suche nach Kleinigkeiten wie Internet, einen Buchladen oder gar etwas zu essen. Selbst der Golestan Palast ist nicht sonderlich alt, nicht zufällig sieht er aus wie ein Jugendstil-Bahnhof. Der Schah hatte Bilder von europäischen Bauten seiner Zeit gesehen und wollte so etwas für sich. Ansonsten sehen wir im Nationalmuseum all das, was nicht im Louvre ist und im Juwelenmuseum unglaubliche Berge von Smaragden, Diamanten, Rubinen in Kronen, Schmuck und Säbeln.

In der Nähe liegt auch das Grab von Khomeini. Die Halle, in der Pilger beten, quatschen und schlendern und Kinder spielen, sieht aus wie eine alte, aber nie fertig gestellte Messehalle. Das Grab selbst ist in einem Stahlkäfig, an dessen inneren Rändern sich ein einige Dezimeter hoher Wall von Geldscheinen angesammelt hat.

Ein Blick in eine englischsprachige iranische Zeitung gibt den Blick auf pure Propaganda frei. Auch in den internationalen Nachrichten geht es immer nur um den Iran, was wer über den Iran gesagt hat. Und z.B. daran, dass die Arabischen Emirate meinen, eine iranische Insel im Golf gehöre ihnen, kann nur das „zionistische Regime“ Schuld sein…


Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2

Kashan und Qom

Basare, Paläste, Moscheen und das Bergdorf Abyaneh

Auf dem Dach des Basaars in Kashan
Auf dem Dach des Basars in Kashan

Im Städtchen Kashan sehen wir uns eine Reihe traditioneller Häuser aus dem 19. Jh. an, natürlich die Häuser der Reichen, Prunk und Kitsch. Die anderen bekommt man ja nicht gezeigt, wenn sie nicht längst abgerissen sind. Auf dem Rückweg werden wir nach einem Tee im Basar für ein ordentliches Trinkgeld auf das Dach des Basars geführt. Oben wandern wir vorbei an all den lehmverputzten Küppelchen und Kuppeln, eine skurrile Landschaft über den Dächern der Stadt. Am anderen Ende fanden wir keine Treppe, dafür eine Leiter, die eine Etage tiefer führte. Hier gab es ein Fenster, durch das wir in einen Laden schauten und siehe da, es gab eine Leiter. Der Ladenbesitzer war kaum verdutzt über unser Auftauchen dort oben, aber seine Kundinnen starrten uns an wie eine übernatürliche Erscheinung.

Auf dem Dach des Basaars in Kashan
Auf dem Dach des Basars in Kashan

Ein kurzer Ausflug führt uns ein Dorf namens Abyaneh im Kuhrudgebirge, ein grünes Tal, hinter dem sich die braunen Häuschen wie übereinander gestapelt den Hang hinauf drängen.

Abyaneh
Abyaneh

Qom ist die „qomservativste“ Stadt des Landes, all die Hardcore-Mullahs kommen von hier. Da wir als nicht-Muslime nicht in den Schrein dürfen, schauen wir nur kurz vorbei. Nirgends sonst haben wir so viele Bärtige in weitem Kaftan und Turban gesehen, die Frauen hingegen ganz in Schwarz. Von der konservativsten Stadt fuhren wir gleich weiter in die liberalste, nach Teheran.

Kashan
Kashan

 

Weiterlesen


Florian Neukirchen
Nahöstlicher Diwan
Unterwegs zwischen Teheran und Tel Aviv
ISBN 978-3-89514-925-2