In fünf Wochen umrundeten Crizzy und ich das wunderschöne, wilde, das kalte, nasse Island…. Heiße Quellen, von Moos überwachsene Lavafelder, Kliffs, in denen tausende Vögel nisten, gleißende Gletscher, reißende Flüsse, tosende Wasserfälle…
Landmannalaugar ist eine phantastische Landschaft aus pastellfarbenen Hügeln, Obsidianströmen, heißen Quellen (auch zum Baden) und Fumarolen (s.a. Bewegte Bergwelt). Von hier liefen wir zunächst in etwas mehr als 2 Tagen den Laugarvegurinn (Weg der heißen Quellen) nach Þórsmörk, einem abgelegenen Tal zu Füßen der beiden mächtigen Eiskappen Myrdalsjökull und Eyjafjallajoküll. Der Weg steigt zunächst an, passiert fauchende Quellen, in der Sonne glänzenden Obsidian, bis er in eine phantastische grüne Landschaft absteigt, ein Panorama mit einigen kegelförmigen Bergen, einem See und im Hintergrund breitet sich, wie der Milchschaum auf Cappuccino, der Gletscher Myrdalsjökull aus, der ab jetzt immer wieder aus neuem Winkel ins Blickfeld kommt. Es ging weiter über trostlose schwarze Sanderflächen, auf denen wir kaum das Gefühl hatten, voranzukommen, wir passierten eine tiefe Schlucht und schließlich die ersten buschähnlichen Birken, auf die die Isländer so stolz sind…
Leider wurde nun das bisher stabil wechselhafte Wetter (mehrmals täglich Regen, mehrmals täglich Sonne) deutlich schlechter, sodass wir erstmal zwei Tage in Þórsmörk blieben, die Schluchten, Flüsse, Gletscherlagunen erkundeten, bis wir uns bei strahlendem Wetter wieder auf den Weg machten und den schmalen Pass zwischen den beiden Eiskappen überquerten.
Auf der anderen Seite steigt der Weg entlang einer Reihe wirklich schöner Wasserfälle ab bis zum beeindruckenden Skogarfoss, der sich die letzten 60 m zur Küstenebene hinunterstürzt. Nebenan lernen wir in einem Museum einiges über das harte Leben, das die Einwohner hier führten. Als es im späten Mittelalter kälter wurde, konnte nicht einmal mehr Gerste angebaut werden, es blieb nur Schafzucht und (vor allem als Winterbeschäftigung) Fischfang. Erst im 19. Jh. wurden die Torfhäuser, die denen der Wikinger ähnelten, durch aus Norwegen und Dänemark importierte Holz-Zinn-Fertighäuser verdrängt. Wer damals umzog, baute gar das ganze Haus auseinander und nahm es mit.
In Vik, ganz im Süden, machten wir einen kurzen Stopp, um die in den Kliffs nistenden Papageientaucher zu beobachten. Die Vögel sehen fast aus wie Pinguine mit bunten Schnäbeln und sind, wenn gerade nicht im Wasser, etwas tollpatschig. Das Fliegen, mit hektischen Flügelschlägen, scheint gerade so zu klappen, Starten und Landen sieht hingegen fast selbstmörderisch aus. Tatsächlich verbringen sie nur den kurzen Sommer an der Küste, den Rest des Jahres auf dem offenen Meer.
Der Skaftafell Nationalpark stellt einen Teil des riesigen Vatnajökull unter Schutz, jenes Gletschers, der das südöstliche Viertel Islands dominiert. Wir bestiegen zwei Aussichtsberge (Kristinartindar und Jökufell) mit beeindruckendem Panorama über mehrere Gletscherzungen, die von der Eiskappe herunterfließen, wurden aber von einem eisigen Wind schnell wieder zurückgetrieben. Unten breitet sich zum Meer hin die große Sanderfläche aus. Immer, wenn einer der Vulkane unter dem Gletscher ausbricht, ergiesst sich eine gewaltige Flut von Schmelzwasser darüber hinweg, der Jökulhlaup bei einer Eruption des Grimsvötn 1996 zerstörte Brücken und hausgroße Eisberge kullerten über die Ebene. Etwas weiter, direkt an der Hauptstraße, liegt die photogene Jökulsarlon-Lagune, durch die hinein kalbenden Gletscher mit Eisbergen gefüllt.
Auf dem Weg in den Norden machten wir einen Abstecher nach Seyðisfjörður, einem der Fjorde im Osten, tiefblaues Wasser von steilen Wänden aus Basaltströmen gesäumt.
Myvatn ist ein großer flacher See im Norden, durch einen Lavastrom aufgestaut. Er ist nicht nur bekannt für die hier brütenden Vögel, sondern auch für die vulkanischen Landschaftsformen der Umgebung: die Pseudokrater am Ufer, die sich bildeten, als Lavaströme in den flachen See flossen und das Wasser verdampfte und explosionsartig die Ströme durchschlug, mehrere Tafelberge im Hintergrund, die durch Eruptionen unter einem Gletscher entstanden, ein Tuffring, ein Gebiet mit Fumarolen, Solfataren und kochenden Schlammtöpfen und der Schildvulkan Krafla, an dem mehrere Eruptionsspalten, ein Kratersee usw. zu sehen sind und in einem großen Geothermalkraftwerk Energie gewonnen wird.
Bei anhaltendem Nieselregen liefen wir die Schlucht im Jökulsargljufur Nationalpark (ich versuchte gar nicht erst, diesen Namen auszusprechen) entlang, mal ein tiefer, von Säulenkolonnaden aus schwarzem Basalt gesäumter Canon mit mächtigen Wasserfällen (der Dettifoss gilt als der mächtigste Europas), mal ist eine Reihe von Schlackenkegeln angeschnitten, Hügel aus roten und schwarzen Schlacken und merkwürdig geformte Felsen, in denen Basaltsäulen wirr in alle Richtungen stehen. Der Trek endet in Asbyrgi, ein 100 m tiefer, hufeisenförmiger Canon, der sich bei einem gewaltigen Jökulhlaup bildete. Inzwischen waren unsere Rücken völlig verspannt und die vollgesogenen Rucksäcke schienen doppelt so schwer wie zu Beginn.
Husavik gilt als Whalewatching-Mekka, trotzdem sahen wir wegen des Wetters bei unserem ersten Versuch gar nichts, das Boot schaukelte durch die Regenfahnen… Ein paar Tage später sahen wir immerhin zwei Zwergwale. Man fragt sich allerdings schon, was die Tiere denken, wenn bei jedem Auftauchen aus allen Richtungen die Boote mit Touristen angeprescht kommen… Die Tage dazwischen brachten uns zum Godafoss (wir hatten noch immer nicht genug von Wasserfällen) und nach Akurery, die winzige Metropole des Nordens.
Ein paar Torfhäuser später nahmen wir den Bus in die Westfjorde, eine abgelegene Region, in der auch die Hauptstraßen, die sich Fjord um Fjord die Küste entlang schlängeln, nur teilweise asphaltiert sind. Der Bus entpuppte sich in unserem Fall als Jeep, der auch noch 5 Minuten zu früh abfuhr und daher nach einem Anruf aufs Handy nochmals zurückmusste, um eine an der Tanke vergessene Frau abzuholen…. Der „Busfahrer“ hielt immer wieder an schönen Aussichtspunkten, meinte grinsend zu mir „five minutes“ und zündete sich eine Zigarette an. In Isarförður stellte sich dann heraus, dass hier schon Mitte August der Sommer vorbei ist und der Bootsverkehr zur abgelegenen Halbinsel Hornstrandir eingestellt ist…. stattdessen wanderten wir dann zwei Tage durch die schönen „Alpen der Westfjorde“ bei Þingeyri.
Eine Fähre brachte uns auf die Halbinsel Snæfellsnes, deren Ende von einem gletschergekrönten Schildvulkan überragt wird. Dieser steckte allerdings fast ununterbrochen in dichten Wolken. Die Idee, in zwei Tagen von Anarstapi (im Süden) nach Hellisandur (im Norden) entlang der Küste zu Laufen entpuppte sich als nicht so gut, das erste Stück war ein schöner Weg mit tollen Blicken auf die Steilküste mit Buchten, Brandungstoren und Felspfeilern, doch bald verliefen sich die Wege und wir stolperten, nun wirklich in der Wildnis, über ausgedehnte Lavafelder. Die wenigen auf der Karte eingezeichneten Bäche waren z.T. gar nicht vorhanden, sodass wir letztlich aus einer kleinen Moorpfütze trinken mussten.
Bei der Vorstellung, dass früher die isländischen Bauern hier die Winter in abgelegenen Fischereistationen verbrachten, bei eisiger Kälte aufs Meer hinausfuhren und sogar das Wasser zu Fuß anschleppen mussten, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Während zu Beginn der Besiedelung vor allem Wollstoffe exportiert wurden, wurde im späten Mittelalter Fisch zum wichtigsten Handelsgut: in Europa war durch die Christianisierung und die fleischlosen Freitage die Nachfrage gestiegen, später brannte isländisches Fischöl in den Straßenlaternen europäischer Großstädte.
Die verbliebenen drei Tage verbrachten wir in Reykjavik und in der für Touris als „Golden Circle“ bezeichneten Umgebung. Im Nationalpark Þingvellir gibt es eine Reihe von Felsspalten, Mini-Gräben, an denen die Plattengrenze zwischen Europa und Nordamerika bildlich zu sehen ist. Hier bildeten im 10. Jh. die frühen Siedler, die von der Tyrannei der norwegischen Monarchie geflohen waren, ihr erstes Parlament. Einmal im Jahr fand hier eine Art Politik- und Kulturfestival statt, zu dem die Leute aus dem ganzen Land anreisten.
Auf Geysir hatte ich mich besonders gefreut, der namensgebende Geysir selbst bricht nur noch sehr selten aus, aber der verlässliche kleine Bruder Strokkur war uns Schauspiel genug. Alle 5-7 Minuten wölbt sich für vielleicht eine Sekunde die Wasseroberfläche zu einer Halbkugel, aus der die maximal 30 m hohe Fontäne heraus schießt. Der letzte Höhepunkt, Gullfoss, ist nur wenige Kilometer weiter, schon wieder ein beeindruckender Wasserfall….. Reykjavik selbst ist immerhin mehr als halb so groß wie Freiburg…, kurz ein kleines Städtchen mit ein paar netten Ecken, Cafés und einem guten Nationalmuseum.
Auf dem Weg zum Flughafen sprangen wir noch in die Blaue Lagune, ein Thermalbad, das das Abwasser eines Geothermalkraftwerks genial nutzt. Ein gutes Ende nach fünf Wochen mit schweren Rucksäcken und kaltem Wind.