Auf dem dritthöchsten Berg von Mexiko mit grandiosem Blick zum Popocatépetl
Der Vulkan Iztaccíhuatl (5230 m) ist anders als sein berühmter (und etwas höherer) Nachbar Popocatépetl nicht aktiv (zumindest gab es im Holozän noch keine Eruption) und auch nicht kegelförmig. Es handelt sich um einen langen Rücken mit einer ganzen Reihe von (mehr oder weniger erkennbaren) Kratern. Der Name bedeutet „schlafende Frau“ wobei die beiden höchsten Gipfel die Brüste darstellen sollen und die diversen Nebengipfel Kopf, Bauch und Fuß. Sie liegt ausgestreckt genau in einer Linie mit dem Popocatépetl. Da man dem großen aktiven Bruder derzeit nicht einmal nahe kommen darf, ist sie ein beliebtes Ziel, zumal man sehr schöne Blicke auf den Popocatépetl hat. (Mehr zu Vulkanen in Bewegte Bergwelt.)
Vom Nevado de Toluca kommend muss ich quer durch Mexiko-Stadt, was so lange dauert, dass ich schon fürchte, dass alles zu spät ist, zu spät, um im Büro in Amecameca (am Fuß der Passstraße) ein Permit für den Nationalpark zu bekommen, oder weil (so das Internet) die Schotterpiste vom Pass zum Ausgangspunkt La Joya nur bei Tageslicht offen sein könnte. Ich wollte die Stadt auf einer Schnellstraße umfahren , wurde aber bei der ersten Mautstelle herausgewunken, weil diese nur mit Telepass funktioniert. Dann Stunden in verstopften Straßen, durch mehrere Unfälle zusätzlich ausgebremst. Ich will statt durchs Zentrum möglichst schnell nach Süden hinaus und auf kleineren Straßen am Stadtrand entlang. Ersteres klappt halbwegs, aber später sind immer wieder Straßen gesperrt und ich irre Zickzack durch arme Viertel. Stellenweise ist die Straße in schräg gestellte Blöcke zerbrochen, ich sehe auch viele zerstörte Häuser. Vermutlich das Erdbeben.
Jedenfalls bekomme ich mein Permit zwar nicht unten, aber problemlos auf dem Pass, die Schranke ist noch offen und ich rumple hinauf zum Parkplatz La Joya, wo ich in etwas unter 4000 m Höhe eine kurze Nacht im Mietwagen verbringe.
Um 3 Uhr laufe ich im Schein der Stirnlampe los. Ein kurzes Stück flach bis zum eigentlichen La Joya, dort scharf rechts auf einem Pfad aufwärts. Der Weg schlängelt sich ansteigend um die Felsen eines (dem Kopf der Frau vorgelagerten) Bergrückens. Am letzten Joch passiere ich die Biwakschachtel (nach 2h30, in Reiseführern steht 3 bis 5 h), dann geht es steiler aufwärts.
In der Morgendämmerung ist der Popocatépetl deutlich zu sehen, er grüßt mit einer kleinen Ascheeruption. Ich mache schnaufend immer kleinere Schritte, aber die Akklimatisierung am Nevado de Toluca zahlt sich aus und bald stehe ich auf dem ersten Nebengipfel in über 5000 m Höhe (1 h 30 vom Biwak). Hier ist der Blick vielleicht am besten. Der Hauptgipfel ist aber noch weit, mehr als 2 h, es geht von einem Nebengipfel zum nächsten (dem „Bauch“). Schließlich muss man einen kleinen Gletscher überqueren, der einen Krater füllt. Er ist weitgehend flach, aber für das erste Stück sollte man Steigeisen dabei haben.
Es folgt ein geschwungener Rücken aus bunt alteriertem Gestein, über den man endlich den südlichen der beiden Hauptgipfel erreicht. Zum etwas höheren nördlichen Rücken muss man einen weiteren, diesmal völlig flachen Gletscher überqueren.
Abwärts bin ich natürlich schneller und komme nachmittags am Parkplatz an, wo ich erst mal an einem Imbiss Tacos bestelle… Und dann bleibe ich noch eine Nacht im Nationalpark, um noch ein paar Fotos der beiden Vulkane, „Popo“ und „Itzi“, zu schießen.
Gratwanderung mit Blick auf zwei Kraterseen am vierthöchsten Berg in Mexiko
Der Vulkan Nevado de Toluca (4704 m) hat zwei schöne, durch einen Lavadom getrennte Seen in seinem Krater (s.a. Bewegte Bergwelt). Ein scharfer Grat mit den höchsten Gipfeln umgibt den Krater halbmondförmig. Daneben, durch einen Pass getrennt, ein weniger schroffer Gipfel; und das letzte Segment des Kraterrands ist etwa auf dem Niveau der Seen. Eigentlich führt die Schotterpiste hier bis in den Krater, man darf aber nur bis zur meteorologischen Station fahren, etwa 150 Höhenmeter unterhalb des Passes.
Vom Parkplatz aus wandere ich in der Abenddämmerung zur Akklimatisierung über den Pass zum kleineren Mondsee und zurück, bevor ich eine sehr kalte Nacht im Mietwagen verbringe.
Die vermutlich schönste Route zum Hauptgipfel führt vom Pass aus dem Grat folgend über diverse Nebengipfel: Eine schöne Gratwanderung mit hin und wieder leichter Kraxelei (Ende November, der „Nevado“ ist gerade schneefrei). Etwa 2 h brauche ich zum zweithöchsten, Pico del Águila, nochmals etwas mehr als 1 h zum höchsten Gipfel, Pico del Fraile.
Die Fortsetzung den Grat hinab hätte richtige Kletterstellen. Ich nehme den einfachen Weg: Zurück zum nächsten Joch und dann durch steilen Schotter mehr rutschend als gehend in direkter Linie zum Sonnensee. Dies ist quasi der Hauptweg und mir kommen zwei Gruppen entgegen. Mir tun alle leid, die sich hier hinauf wühlen, statt der nur wenig längeren, aber viel angenehmeren Route über den Grat. Von den guten Blicken ganz abgesehen.
Im Krater nur noch am See entlang und dann über den Pass zum Auto (wobei ich auf Busladungen von Wochenendausflüglern treffe). Den Rest des Tages verbringe ich im Auto auf dem Weg zum Iztaccíhuatl.
Eine malerische Altstadt voller Silberschmiede (Mexiko)
Die Silberstadt Taxco klebt an einem hügeligen Berghang: Ein Labyrinth aus engen Gassen und Treppen, auf und ab zwischen leuchtend weißen Häusern und immer wieder hübschen Ausblicken. Und im Zentrum eine besonders schöne Barockkirche. Bergbau wird hier nicht mehr betrieben (ich sehe zwei Fördertürme), umso aktiver sind zahlreiche Silberschmiede und Schmuckläden. Noch verwinkelter sind die engen Marktgassen unterhalb der Kirche.
Für gute Ausblicke lohnt sich der Weg hinauf zum Kirchlein Guadalupe und (noch deutlich höher) zur Christusstatue.
Ein merkwürdiger Kontrast zu diesem touristischen Pueblo Magico (wie in Mexiko solche romantischen Orte vermarktet werden) sind die Militärjeeps, die mit Maschinengewehr im Anschlag patrouillieren. Der „Krieg gegen Drogen“, von dem ich bisher kaum etwas mitbekommen hatte, scheint nicht weit zu sein.
Erstklassige Museen, das historische Zentrum und Ausflüge zu Pyramiden und Ruinen
In der Megacity Ciudad de Mexico interessieren mich neben dem historischen Zentrum und quirligen Märkten vor allem die zahlreichen erstklassigen Museen. Allein im Nationalmuseum für Anthropologie verbringe ich einen kompletten Tag und bewundere Kunstwerke der Azteken, Tolteken, Zapoteken, Mixteken, Olmeken, Mayas, von Teotihuacán usw. Wie viele Hochkulturen es in Zentralamerika gab, war mir vor dieser Reise nicht bewusst. Ihre Skulpturen, Keramiken, Fresken und Schmuckstücke sind beeindruckend schön und vielfältig, zum Teil auch ganz schön gruselig.
Noch mehr von den Azteken sehe ich im Museum am Templo Mayor. Die Reste des wichtigsten Tempels ihrer Hauptstadt Tenochtitlán wurden am Zócalo direkt neben der Kathedrale ausgegraben. Immer wieder haben die Azteken die Pyramide mit einer größeren überbaut, entsprechend sind wie Zwiebelschalen die Grundmauern von 7 Pyramiden zu sehen.
Die Kathedrale nebenan (Renaissance, Barock) beeindruckt auch, wobei ihr die blutige Geschichte nicht anzusehen ist. In der Umgebung sind immer wieder Gebäude mit schiefen Wänden zu sehen, die ehemalige Seelandschaft gibt eindeutig keinen guten Baugrund ab.
Ein Tag in südlichen Stadtteilen dreht sich um Frida Kahlo und Diego Rivera. Ich beginne mit der Casa Azul, in der Frida Kahlo einen großen Teil ihres Lebens lebte, zeitweise auch Diego Rivera (und kurz auch Leo Trotzki). Ein großzügiger Altbau mit großem grünem Innenhof, mit einigen Bildern der beiden, Fotos, der Rollstuhl vor der Staffelei…
Ein paar Straßen weiter befindet sich das viel spartanischere Haus von Leo Trotzki. Es war von einer hohen Mauer mit Wachturm umgeben und hatte gepanzerte Türen, was bekanntlich nicht half. Trotzki hatte ein damals sicherlich hochmodernes Diktiergerät, ein großer Kasten, der das Diktat auf Wachstrommeln aufzeichnete, ein ähnlicher Kasten im Sekretariat spielte es wieder ab. Ansonsten ist die Einrichtung sehr einfach, auch was die Ausstattung des Museums betrifft.
Im Nachbarstadtteil befindet sich das Museo Casa Estudio Diego Rivera y Frida Kahlo, wo er lange wohnte und sie kurz. Besichtigen konnte ich nur sein Atelier. Es handelt sich um drei interessante frühmoderne Häuser — viel Glas, außen Wendeltreppen aus Beton, eine Brücke zwischen seinem und ihrem Haus — gebaut von einem befreundeten Architekten, der im dritten Haus wohnte.
Weiter südlich spaziere ich über den Campus der Universität (UNAM), die fast 10-mal mehr Studierende hat als sogenannte Massenuniversitäten bei uns. Die moderne Architektur der 1950er galt als wegweisend, interessant ist insbesondere die mit Mosaiken verkleidete Bibliothek.
Mit einem Vorortzug fahre ich noch weiter nach Süden zum Museo Dolores Olmedo. In einer ehemaligen Hacienda ist eine sehr gute Sammlung mit Bildern von Diego Rivera und Frida Kahlo zu sehen.
Beeindruckend sind auch die Murales (Wandbilder) von Diego Rivera in repräsentativen Gebäuden im Zentrum, beispielsweise im Nationalpalast oder im Bildungsministerium. In Letzterem dreht sich ein ganzer Zyklus um den Klassenkampf: bewaffnete Arbeiter, die unter roten Fahnen ihr Schicksal in die Hand nehmen. Erstaunlich, dass er in einem Regierungsgebäude derartige Propagandabilder voller roter Sterne malen konnte: Wenige Jahre nach der mexikanischen Revolution, in der zwar Pancho Villa und Emiliano Zapata für „Land und Freiheit“ kämpften, letztlich aber doch nur eine bürgerlich-liberale Republik herausgekommen ist.
Das Museo Soumaya zeigt, was herauskommt, wenn ein Superreicher mit seiner Privatsammlung angeben will. Die Architektur ist gewollt spektakulär (zu gewollt) und der Inhalt sieht teuer aus, aber zusammengewürfelt. Es gibt großartige Kunst (z.B. El Greco, Filippo Lippi, Rufino Tamayo, Rodin) zwischen sehr vielen mittelmäßigen Bildern (auch wenn z.T. ein Name wie Degas darunter steht). Muss wirklich eine ganze Etage voller Venedigbilder sein? Eine weitere voller chinesischer Elfenbeinschnitzereien, eine voller Silberlöffel und Münzen?
Besser gefallen mir: Museo Jumex, Museo Rufino Tamayo, Museo del Arte Moderno, Museo Mural Diego Rivera, Palacio de Bellas Artes.
Sehr beeindruckend finde ich zudem die vier riesigen Meteoriten, die am Eingang des Palacio de Minería stehen, der größte mehr als 14 t schwer.
Doch auch die Umgebung von Mexico City hat einiges zu bieten. Ein richtiges Highlight ist ein Tagesausflug „zu den Pyramiden“, nach Teotihuacán. Dies war die erste richtige Großstadt in Amerika, vom 1. bis zum 8. Jh. Die um 150 gebaute Sonnenpyramide ist die weltweit drittgrößte (nach Cholula und der Cheopspyramide).
Etwas kleiner und fast schöner ist die Mondpyramide. Es gibt freilich viel mehr zu sehen, die vom Plattformen umgebenen Plätze, Reliefs an Säulen und Wänden, sehr interessante Fresken und eine kleine Stufenpyramide, aus deren Wänden immer wieder der Kopf der gefiederten Schlange ragt.
Allein war ich hier nicht gerade: Ich hatte zufällig einen Feiertag erwischt und die alte Hauptstraße war voll wie ein Marktplatz. Nachmittags schob sich ohne Pause auf ganzer Treppenbreite eine Schlange zur Spitze der großen Pyramide hinauf und wieder hinunter, ihr Schwanz reichte an der Basis entlang ein Viertel um die Pyramide herum. Oder war dies Quetzalcóatl, die gefiederte Schlange?
Tula war die Metropole der Tolteken, zeitlich zwischen Teotihuacán und den Azteken. Zu sehen gibt es vor allem die auf der kleinen Pyramide stehenden vier riesigen Atlanten, so genannt, weil sie einst das Dach des Tempels trugen (nur die mittleren sind original, der linke steht im Nationalmuseum in Mexiko-Stadt).
Für Krieger sind sie sehr merkwürdig gekleidet: Mit einer sehr kurzen Schürze und nacktem Hintern. Dazu ein Schild in Schmetterlingsform vor der Brust und ein hoher Federschmuck auf dem Kopf.
Auf dem Weg nach Tula lohnt ein Halt in Tepotzotlán, wo es mal wieder eine prachtvolle Barockkirche gibt und daneben ein Kloster (Museum).
Schließlich mache ich noch einen Tagesausflug nach Taxco (mehr als 3 h entfernt). Und als letzte Höhepunkte besteige ich die Berge Nevado de Toluca und Iztaccíhuatl.
Kolonialstädte, die größte Pyramide der Welt und ein aktiver Vulkan in Sicht (Mexiko)
Die Millionenstadt Puebla liegt östlich der Vulkane Popocatépetl und Iztaccíhuatl, die wesentlich ältere Kleinstadt Cholula ist heute quasi ein westlicher Vorort. Beide sind sehenswert, mit Kolonialarchitektur, Ruinen der Cholula-Kultur und im Hintergrund raucht der aktive Vulkan Popocatépetl (der Smog hielt sich zum Glück in Grenzen).
Leider war diese Gegend vom Erdbeben vor einem Monat (19.09.2017) besonders stark betroffen, bei einigen Kirchen liegt die Kirchturmspitze neben dem Turm auf dem Bürgersteig und bei manchen Palästen (auch die Casa del Alfeñique mit ihrer mit Stuckschnörkeln überfrachteten Fassade) muss die Fassade mit einem Holz- oder Metallgestell abgestürzt werden. Entsprechend waren viele Kirchen und Museen geschlossen.
Im Großen und Ganzen stehen beide Städte aber noch. Puebla hat ein ganz anderes Flair als die meisten anderen Kolonialstädte, als z.B. Mérida, San Cristóbal, Oaxaca, Taxco oder auch Cholula. Die Gebäude sind nicht so niedrig, sondern mehrere Stockwerke hoch, die Fassaden sind voller Details. Die Stadt ist bekannt dafür, dass viele Fassaden (bei Weitem nicht alle) mit bemalten Kacheln, azulejos, geschmückt sind.
Beeindruckend ist die Kathedrale (Renaissance und Barock). Die anderen Kirchen sind sehr Barock, wovon ich mich im Museo Amparo erhole: Neben der Sammlung mit vorspanischer mexikanischer Kunst sehe ich gute Sonderausstellungen mit moderner Kunst und Fotografie. Und als Bonus gibt es von der Dachterrasse einen tollen Blick über die Stadt.
In Cholula gibt es die (nach Volumen) größte Pyramide, die jemals von Menschen gebaut wurde. Auf den ersten Blick ist sie aber kaum zu sehen, es handelt sich um einen mit Gras und Bäumen bewachsenen Hügel, mit einer Kirche auf der Spitze. Statt sie freizulegen, haben Archäologen ein Tunnelsystem gegraben, das auch mehrere ältere kleinere Pyramiden im Inneren erschließt. Und durch einen Tunnel darf man hindurch! Von den übereinandergestapelten Pyramiden selbst ist dabei wenig zu erkennen, sie waren mit Adobeziegeln gebaut, mit einer Außenhaut aus Kalkstein und so sieht man vor allem Adobe und hin und wieder ein paar Stufen aus Kalkstein. Trotzdem ein cooles Gefühl. Und auf der anderen Seite befindet sich der ausgegrabene Vorplatz.
Als die Spanier hier ankamen, war die Pyramide bereits überwuchert und von einer neueren Großstadt einer jüngeren Kultur umgeben. Unter der Bevölkerung wütenden sie besonders heftig und bauten danach ein neues Städtchen (bzw. zwei, auf beiden Seiten der Pyramide: San Pedro de Cholula und San Andrés de Cholula) mit absurd vielen Kirchen und gleich zwei Hauptplätzen. Der Zócalo von San Pedro de Cholula ist für ein so kleines Städtchen völlig überdimensioniert. Allerdings gründeten sie auch bald in der Nähe „Puebla de los Angeles“.
Ich habe oft Fotos von Cholula gesehen, mit der Pyramide vor dem (am besten schneebedeckten und gerade eruptierenden) Popocatépetl. Leider handelt es sich oft um Luftbilder und ich suche einige Zeit nach einem geeigneten Standort. Das Beste, was ich finde, ist eine Brache neben der Schnellstraße nach Puebla, mein Motiv eingerahmt zwischen Beton und zum Glück auch ein paar Bäumen (ohne Schnee, ohne Eruption). Zu spät verrät mir ein Fotograf, dass es einen besseren Ort etwas weiter nahe der Universität gibt.
Den schönsten Blick auf die Berge hat man von der Pyramide selbst. Die Kirche auf der Spitze ist seit dem Erdbeben eine Baustelle und es waren sogar alle Wege hinauf abgesperrt. Aber bei Sonnenaufgang stört es wohl niemand, wenn man das Flatterband am Hintereingang ignoriert, ich war nicht der Einzige mit Kamera auf dem Stativ. Und diesmal hatte der Popocatépetl eine schöne Ascheeruption.
In der Umgebung besuche ich noch zwei interessante Kirchen. Beim Bau der Santa María de Tonantzintla ließen die Spanier den Indigenas besonders viel Freiheit. Einst stand hier ein Tempel für Tonantzintla, die Erdgöttin und Göttin der Mütter. Daraus wurde passend Maria. Und die Heerscharen an Engelchen, mit Früchten, Blumen, Schnörkeln umgeben, stellen wohl beim zweiten Hinsehen das Paradies des Regengottes Tlaloc dar… In der Nähe steht San Francisco Acatepec mit einer hübschen gekachelten Fassade.
Altstadt in Oaxaca de Juárez, Ruinen von Monte Alban, Ausflug nach Mitla und Hierve el Agua (Mexiko)
Die Stadt Oaxaca de Juárez liegt in einem weiten Hochtal. Zu sehen gibt es jede Menge Kolonialhäuser, verschnörkelte Kirchen und gute Museen. Leider waren im sehr interessanten Museum der Kulturen von Oaxaca, das in einem ehemaligen Kloster untergebracht ist, viele Vitrinen leer und es fehlten Highlights wie ein mit Jade bedeckter Schädel aus einem Grab der Mixteken, ohne jedes Hinweisschild. Eine wirklich sehr schöne Sammlung vorspanischer Kunst aus ganz Mexiko zeigt das Museo Rufino Tamayo (zusammengestellt und gestiftet von dem modernen Maler, von dem hier kein Bild hängt).
Ein weiteres Highlight ist das leckere regionale Essen. Immer wieder kehre ich nach Spaziergängen durch die Stadt in einer Markthalle ein, deren Essenstände Leckereien wie Mole, Tamales, Tlayudas und Tasajo anbieten.
Soziale Proteste haben in Oaxaca Tradition. Vor 10 Jahren führten Proteste der Lehrer und eine allgemeine Unzufriedenheit zu einer breiten kämpferischen sozialen Bewegung, die von Polizei und Paramilitärs mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurde. Die Lehrer kämpfen seither fast ohne Pause. Auch jetzt ist der Zócalo (der Hauptplatz der Stadt) dicht mit Zelten gefüllt und die Fassade des Regierungspalastes mit Transparenten verhängt.
In der Nähe, auf der anderen Seite der Kathedrale, finden Vorlesungen für Jurastudenten auf der Straße zwischen Protestschildern statt. Wenn ich es richtig verstehe, geht es um einen Machtkampf um die Institutsleitung, gegen die autoritäre Führung und für bessere Studienbedingungen. In diesem Konflikt hat es vor genau einem Jahr gekracht: Das Institutsgebäude, wenige Schritte von der Kathedrale in der Fußgängerzone gelegen, ist dabei ausgebrannt. Ein merkwürdiger Kontrast zu den von Touristen frequentierten Cafés in der Nachbarschaft.
Monte Alban war die wichtigste Stadt der Zacatecas. Die Ruinen liegen wunderschön auf einem flachen Bergrücken, der sich mitten im Hochtal von Oaxaca befindet. Auf der Nordplattform sitzend, mit Blick über die ganze Anlage und die Berge auf beiden Seiten, habe ich das Gefühl, auf dem Achterdeck eines übergroßen Schiffs zu sitzen, das im weiten Tal angelegt hat.
Wie fast alle Touristen mache ich einen Tagesausflug nach Mitla und Hierve El Agua. Mein erster Stopp ist Yagul, überschaubare Ruinen vor allem der Mixteken (d.h. weniger alt als Monte Alban, die Zapoteken haben aber auch schon Spuren hinterlassen) auf einem Hügel 1,5 km abseits der Hauptstraße. Zu sehen sind vor allem Reste eines labyrinthartigen Palastes und mal wieder ein Ballspielplatz (angeblich der zweitgrößte in ganz Mittelamerika nach Chichén Itzá, mir kommt er durchschnittlich vor). Schön ist der Blick von dem von Geiern umkreisten Felsgupf, der einst als Festung diente.
Die wundervollen Ruinen der Mixteken in Mitla sind für ihre „Mosaike“ bekannt: Mehr oder weniger weit aus den Fassaden ragende Steine erzeugen vielfältige geometrische Muster.
Hierve El Agua kann von Mitla über eine kurvige Piste, die den Bergrücken im Südwesten überwindet (unregelmäßig fahren hier Pickups) oder in einem weiten Bogen um den Berg erreicht werden. Hier findet man wundervolle Sinterterrassen aus weißem Kalkstein.
Anders als der Name besagt, kocht das aus mehreren Quellen sprudelnde Mineralwasser nicht, sondern ist im Gegenteil recht kühl.
Es gibt zwei große natürliche Pools (vergleichbar mit den Becken in Pamukkale, nur viel größer und tiefer) direkt oberhalb eines hohen Travertinfelsens und mit einem schönen Blick über das Tal. Baden mit Aussicht. [Update: Wie ich später lese sind die beiden großen Pools leider nicht natürlich…]
Ein Stück weiter gibt es kleinere Quellen über einem besonders spektakulären Travertinfelsen, der als „versteinerter Wasserfall“ bezeichnet wird. Er sieht aus wie eine Orgel aus Tropfsteinen, wie man sie sonst unterirdisch in Höhlen zu sehen bekommt.
Auf dem Rückweg halte ich (schon fast wieder in Oaxaca) in El Tule, um die riesige Mexikanische Sumpfzypresse neben der Dorfkirche zu bewundern. Sie hat den dicksten Baumstamm der Welt! Allerdings habe ich den Verdacht, dass es sich um mehrere zusammengewachsene Exemplare handelt. Keine Ahnung, ob das Botaniker mal getestet haben.
Wanderung zum grünen Kratersee des aktiven Vulkans in Chiapas (Mexiko)
Einer der aktiven Vulkane von Mexiko ist El Chichón in Chiapas, der auch Chichonal genannt wird. Anders als die großen Stratovulkane im Hochland von Zentralmexiko ist er niedrig (1150 m) und sieht vom Weitem nicht wie ein Kegel, sondern wie ein Hügelrücken aus. Umso schöner ist der Blick in den Krater auf einen grünen, stark sauren See. Neben einer Bucht dampfende Fumarolen, das Wasser der Bucht ist hellgrün und von hier wabert eine hellgrüne Schliere, die ständig ihre Form verändert, in den ansonsten dunkelgrünen See.
Was eigentlich eine der interessantesten Natursehenswürdigkeiten des Landes ist, steht nicht in den Reiseführern und wird nur von wenigen Touristen besucht (Reiseinformationen und GPS-Wegpunkte folgen unten). Das liegt sicher daran, dass der Vulkan weit weg von den touristischen Hotspots von Chiapas liegt und die Anreise kompliziert und langwierig ist. Ausgangspunkt ist das Bergdorf Chapultenango. Im Tal liegt Ixtacomitán, eigentlich an der kürzesten (kurvigen) Route zwischen Tuxtla und Villahermosa. Doch hier hält täglich nur ein Bus, die meisten Busse umfahren die Gegend in einem weiten Bogen.
Ich starte am frühen Mittag in Palenque mit einem komfortablen Bus nach Villahermosa (2 h 45). Dort laufe ich zum anderen Busterminal, an dem die Lokalbusse abfahren, und nehme einen weniger komfortablen Bus nach Pichucalco (2 h). Von hier fährt ein Colectivo nach Ixtacomitán (30 min), wo man wiederum ein Pickup hinauf nach Chapultenango findet (1 h). Dieses ist schon voll und so hänge ich hinten in einer Menschentraube, die Füße auf der Stoßstange, die Hände an den Metallstangen eines Sonnendachs. Die Sonne ist schon untergegangen und es wird langsam dunkel. Zum Glück habe ich wenig später doch einen Sitzplatz, die kurvige Straße zieht sich ganz schön.
Leider gibt es in Chapultenango keine Unterkunft. Ich muss also noch zum 7 km entfernten El Volcán, das am Fuß des Berges liegt und nur aus ein paar Häuschen besteht. Hier gibt eine Hütte mit wenigen Betten und Platz zum Zelten. Eine weitgehend flache Schotterpiste führt dort hin, sollte auch im Dunkeln kein Problem sein? Ich Frage nach dem Weg und alle sagen, das sei zu gefährlich im Dunkeln, aber es gäbe jetzt auch keine Pickups mehr, was nun? Eine hilfsbereite Frau findet für mich jemanden, der mich mit einem Motorrad hinfährt. Zum Glück, denn kaum habe ich mich dort mit einem Taubstummen über den Preis verständigt, fängt es heftig an zu regnen.
Etwa 3 h vor Sonnenaufgang gehe ich im Schein der Stirnlampe los (der Aufstieg dauert 2–3 h). Der Pfad führt durch eine neu gepflanzte Allee, überquert einen Bach und führt über Weiden sanft aufwärts. Immer wieder Stacheldrahtzäune mit kleinen Gattern.
Und dann verlaufe ich mich, im Dunkeln sehe ich nicht einmal den Abzweig (von dem ich auch nichts wusste), an dem der richtige Weg im rechten Winkel nach rechts durch ein Gatter im Zaun hindurch abzweigt. Ich lande auf einer sumpfigen Wiese, auf der sich mein Pfad verläuft. Gegenüber finde ich einen anderen Pfad, steige auf einen Rücken auf und folge diesem auf einem ausgetretenen Pfad aufwärts. Nach einiger Zeit bin ich relativ weit oben auf der Südseite des Vulkans, aber der Weg führt wieder abwärts, auf ein Dorf zu, dessen Lichter im Dunklen deutlich zu sehen sind. In Richtung Vulkan tiefe Erosionsrinnen und dichtes Gestrüpp. Die Idee, bei Sonnenaufgang oben zu sein, ist damit grandios gescheitert, das Ganze kostet mich 2 Stunden. Denn ich finde nicht einmal mehr den gleichen Weg zurück, im Dunklen erscheinen mir die Hänge wie unüberwindbar, steil und voller Gestrüpp (im Hellen sieht es später ganz harmlos aus). Also nehme ich den Pfad auf dem Rücken in die andere Richtung und treffe in Sichtweite meiner Hütte auf den Hauptpfad, als es gerade hell wird.
Mein zweiter Versuch ist erfolgreicher. Ich finde den Abzweig nach rechts und dann ist der Weg eindeutig. Es geht bald in eine Erosionsrinne hinab, ein Stück das Bachbett aufwärts und auf der anderen Seite wieder hinaus. Nun den mit Büschen, Schilf und Orchideen bewachsenen Hang hinauf zum Sattel zwischen zwei hügelförmigen Gipfeln. Dort angekommen stelle ich erstaunt fest, dass nur noch wenige Höhenmeter fehlen. Die Hügel auf beiden Seiten sind Reste eines alten Kraterrandes, während vor mir, durch eine schmale Ebene getrennt, ein niedriger Tuffring liegt. Wenige Minuten später bin ich oben und blicke auf den See im Krater.
Es ist interessant, zum Vergleich vor dem letzten Ausbruch im Jahr 1982 aufgenommene Luftbilder anzusehen (verlinkte Webseite in der Photo Gallery): Den Tuffring und seinen Krater gab es nicht, stattdessen einen großen Lavadom.
Den kleinen nasenförmigen Gipfel etwas weiter rechts hinter der Messstation besteige ich lieber nicht, er ist von dezimeterbreiten Spalten umgeben und macht den Eindruck, dass er bald abstürzt.
Der Weg folgt dem Kraterrand ein Stück nach links und führt dann sehr steil zum See hinab. Am Ufer sind viele Mofetten zu sehen (Gasblasen aus überwiegend CO2 blubbern im Wasser). Etwas weiter oben heftig dampfende Fumarolen mit deutlichem H2S-Geruch, an den Rändern der Löcher wachsen schöne kleine Schwefelkristalle. Und an der schon erwähnten Bucht treffe ich auf kochend heiße Quellen. Eine blubbert wie ein Minigeysir ein paar cm hoch. In der Bucht kocht stellenweise sogar das Wasser des Sees.
Wie ich später lese, wird der See überwiegend von diesem hydrothermalen Wasser gespeist, das stark salin ist und einen fast neutralen pH hat. Das saure Wasser des Sees ist typisch für Vulkane, was an der Oxidation von Schwefel liegt.
Vorsicht: Vulkanische Gase sind gesundheitsschädlich und greifen auch eine Kamera o.ä. an. Und der Kraterrand ist steinschlaggefährdet.
Auf dem Rückweg laufe ich zu Fuß bis Chapultenango. Dann wieder ein Pickup nach Ixtacomitán und ein Colectivo nach Pichucalco, wo ich die Nacht in einem einfachen Hotel verbringe. Früh morgens nehme ich einen Bus, der mich in 6 h über schmale kurvige Sträßchen nach Tuxtla bringt.
Praktische Hinweise
Wegpunkte: El-Chichon-Wegpunkte.gpx
Die Datei kann mit GPS-Geräten oder Smartphones (z.B. die Android-App Geo Tracker) verwendet werden.
Bus von Norden:
Palenque nach Villahermosa: 2 h 45, regelmäßig Busse
Villahermosa (Central de Autobuses de Tabasco) nach Pichucalco: 2 h, regelmäßig Busse
Pichucalco nach Ixtacomitán: 30 min, regelmäßig Colectivo
Ixtacomitán nach Chapultenango: 1 h, Pickups
(Tägl. auch 1 Direktbus bis Ixtacomitán)
Bus von Süden:
Tuxtla nach Pichucalco: 6 h, 4 Busse tägl
Von dort: Siehe oben.
(Tägl. auch 1 Direktbus bis Ixtacomitán)
Wanderung:
Chapultenango nach Volcán: 2 h (auch per Pickup mögl.)
Volcán bis Gipfel: 2 h El Chichon auf Summitpost
Unterkunft:
Kleine Hütte (zelten mögl.) in Volcán. Essen und Wasser mitbringen.
Einfache Hotels in Pichucalco. Keine Unterkunft in Chapultenango!
Maya-Ruinen in Palenque, Blick in den Cañón del Sumidero, Kolonialstadt San Cristóbal de las Casas (Mexiko)
Von Yucatán kommend (flach bis zum Horizont) gefällt mir an den Maya-Ruinen in Palenque vor allem die Lage am Fuß der Berge. So schön, dass ich nun schon zum zweiten Mal hier bin, nach 10 Jahren.
Interessant ist auch, dass die Stadt zweimal von einer Frau regiert wurde. Das prächtigste Grab hat allerdings trotzdem ein Mann bekommen.
Von hier nehme ich nicht die übliche Route nach San Cristóbal, sondern mache einen riesigen Umweg, um den Vulkan El Chichón zu besuchen, worüber ich einen eigenen Artikel schreibe.
Bei Tuxtla Gutiérrez schneidet sich der beeindruckende Cañón del Sumidero mit etwa 1000 m hohen senkrechten Felsen in die Sierra von Chiapas ein (s.a. Bewegte Bergwelt). Die meisten Touristen wählen eine Tour im Schnellboot durch die Schlucht (das Wasser ist ruhig, da es sich um das obere Ende eines Stausees handelt, der sich auf der anderen Seite der Bergkette befindet). Ich lasse mich lieber 2 h lang mit einem Taxi (auch in einem Tourbus möglich) zu den Aussichtspunkten fahren, weil ich oft den Blick von oben in eine Schlucht viel imposanter finde als den Blick von unten.
Alle Aussichtspunkte lohnen einen Halt, doch besonders schön sind die letzten beiden, Mirador El Tepehuaje und vor allem Mirador Los Chiapas, am Ende der Straße.
In San Cristóbal de las Casas bin ich nun auch zum zweiten Mal, diesmal mit regelrechtem Aprilwetter. Das Erdbeben im September hat die Kirchen (insbesondere die Kathedrale) und einen Palast am Hauptplatz (ein Hotel, jetzt mit verbarrikadierten Fenstern) stark beschädigt, sie sind fast alle geschlossen, hinter Bauzäunen versteckt und die Dächer mit Plastikplanen geflickt. Den flachen Wohnhäusern ist dagegen nichts anzusehen. Mir scheint, dass der Revolutionstourismus zu den Zapatisten abgenommen hat.
Spektakuläre Einsturzdolinen zum Tauchen, Schnorcheln, Schwimmen (Mexiko)
Ein spektakuläres Karstphänomen sind die Cenotes auf Yucatán. Der Begriff geht auf die Mayasprache zurück und heißt „heiliger Brunnen“. Ein Cenote ist (meist) eine wassergefüllte Einsturzdoline, was es natürlich auch anderswo gibt (z.B. in Kroatien), auf Yucatán jedoch gibt es Tausende davon. Es lohnt sich durchaus, mehrere zu besuchen, es gibt sie in allen möglichen Größen, Formen und Farben und mit (je nach Tageszeit) wechselnden Lichtreflexen. Das Spektrum reicht von mehr oder weniger tiefen kraterförmigen Dolinen bis zu Höhlenseen mit nur einem kleinen Brunnenloch an der Decke. Es gibt flache Seen, in die Tropfsteine und Baumwurzeln von der Decke hineinhängen, und tiefe Schächte, die unter dem Wasserspiegel scheinbar bodenlos sind. Wieder andere sind nicht mehr als eine Pfütze in einer Grotte (und somit keine Einsturzdoline).
Meist treten sie in Clustern auf, die jeweils einem großen wassergefüllten Höhlensystem entsprechen. Manche sind zum Baden und Schnorcheln geeignet (an einem heißen Tag eine willkommene Abkühlung), andere werden von Tauchern frequentiert: Zu Recht sind die Cenotes unter Tauchern kein Geheimtipp, sondern weit oben auf der Todo-Liste. Es gibt Cenotes, die auf Haciendas oder in Klöstern als Brunnen dienen, andere sind unter einer Mayapyramide versteckt, viele liegen mitten im Urwald, es gibt sie aber auch mitten in der Stadt. Um manche wurden diverse Abenteuerattraktionen gebaut, diese Freizeitparks kosten dann etwas mehr Eintritt.
Geologie von Yucatán
Die Halbinsel Yucatán ist eine geologisch junge, an den Rändern vor der Küste noch aktive Karbonatplattform. Die Kalksteine lagerten sich also im flachen Wasser ab (sowohl biogen als auch chemisch durch Übersättigung, das rezente Musterbeispiel sind die Bahamas), wobei die Ablagerung in der Regel eine ähnliche Geschwindigkeit hat wie das Absinken der Erdkruste durch das aufliegende Gewicht. Ein Teil der Plattform wurde später über den Meeresspiegel gehoben: eine riesige, fast völlig flache Halbinsel. An deren Oberfläche liegen überwiegen mächtige Kalksteine einer Formation aus Miozän-Pliozän (Tertiär), an den Küsten auch Quartär. Die Plattform ist stark verkarstet, Regenwasser verschwindet in Dolinen und fließt über die Höhlensysteme ab. Da es keine überirdischen Wasserläufe gibt, waren die Mayas auf die Cenotes als Trinkwasserreservoir angewiesen. Die Höhlen befinden sich nur wenige Meter unter der Erdoberfläche, da stürzt leicht einmal ein Höhlendach ein. Kein Wunder, dass es hier besonders viele Dolinen gibt.
Was Cenotes mit Dinosauriern zu tun haben
Die Überschrift klingt reißerisch. Was sollen Cenotes mit Dinosauriern zu tun haben, wenn das Gestein aus einer Zeit stammt, in der Dinos schon längst ausgestorben waren? Eine ganze Menge, zumindest in der Umgebung von Mérida. Hier sind viele Cenotes ringförmig auf einem Halbkreis mit ca. 200 km Durchmesser aufgereiht, dessen Inneres aber so gut wie keine Cenotes enthält (die andere Kreishälfte fehlt, weil dort das Meer ist). Dies ist alles, was an der Erdoberfläche von einem riesigen Meteoritenkrater zu sehen ist, der Chicxulub genannt wird und bei einem Impakt genau an der Grenze Kreide-Tertiär entstand (bzw. andersrum, die Grenze ist anhand der entsprechenden Schicht definiert). Mérida befindet sich mitten im Krater (das Dorf Chicxulub nördlich der Stadt ist genau das Zentrum). Oder genauer ein paar Hundert Meter darüber, denn der Krater befindet sich natürlich tief unter den jüngeren Sedimenten begraben. Er konnte mit Bohrungen nachgewiesen werden.
Der Impakt vor ca. 65 Mio. Jahren war so heftig, dass in aller Welt die an der Kreide-Tertiär-Grenze abgelagerten Gesteine einen relativ hohen Gehalt an (in diesem Fall außerirdischem) Iridium haben, was erstmals in Gubbio in Italien festgestellt wurde. Beim Einschlag gebildete Mikrodiamanten wurden bis nach Kanada geschleudert. Und vor allem hat sich das Klima schlagartig verändert, vermutlich der Hauptgrund für das Massenaussterben, das auch für Dinosaurier das Ende bedeutete. Während des Einschlags lag die Karbonatplattform noch komplett unter Wasser und jüngere Kalksteine begruben den Krater.
Der Ring aus Cenotes entstand natürlich viel später. Der Grund ist die unterschiedliche Permeabilität der Gesteine innerhalb und außerhalb des Kraters. Dies beeinflusst die Grundwasserströme und damit die Geometrie der Verkarstung.
Cenotes bei Tulum
Der größte Cluster liegt zwischen Tulum, Playa del Carmen und Cobá. Der Gran Cenote liegt nur 4 km von Tulum entfernt und ist zu Recht beliebt zum Schnorcheln. Der Dolinenkessel hat einen großen Durchmesser und nur eine geringe Tiefe, das leuchtend blaue, glasklare und relativ flache Wasser bildet einen Ring um eine Insel (die Reste des kollabierten Höhlendachs), auf der ein paar Bäume, Schließfächer und der Schnorchelverleih stehen. Man kann auf einer Seite in eine Grotte mit Tropfsteinen schwimmen, auf der anderen durch einen Tunnel zu einem zweiten kleineren Cenote, ebenfalls mit einer Insel in der Mitte. Ein Besuch ist relativ teuer (zumal Schnorchel und Schließfächer extra kosten), aber sehr schön.
Zum Tauchen wähle ich die meist im Doppelpack angebotenen Cenotes The Pit und Dos Ojos. Beide sind unter Wasser wirklich grandios und dabei sehr unterschiedlich. The Pit (ein deep dive, also mind. Advanced) ist von außen unscheinbar, aber wenige Meter unter dem Wasserspiegel weitet er sich zu einem zylinderförmigen 30 m tiefen Schacht (ein enger Bereich reicht deutlich tiefer), in dessen Zentrum wie bei einer Lasershow blau leuchtende Lichtstrahlen aufgefächert sind. Das völlig klare Wasser ist geschichtet, oben mit Süßwasser, die untere Hälfte mit Salzwasser. Wir sinken auf den Grund, wo ein paar Baumstämme liegen. Den tiefsten Teil füllt eine Art Nebelschicht, die durch die Zersetzung von organischem Material bei Bildung von H2S entsteht. In diese tauchen wir kurz ein, dann schrauben wir uns langsam nach oben, mit Bögen in die seitlich abzweigenden Kavernen. Plötzlich flimmert es vor meinen Augen, etwa wie die Luft an einem heißen Tag über der Straße, nur dass sogar meine eigene Hand unscharf flackert. Dies ist die Halokline, die Grenzschicht zwischen Süß- und Salzwasser, die ich beim Abtauchen kaum wahrgenommen hatte. Alles in allem grandios.
Dos Ojos (zwei Augen) sind zwei Cenotes nebeneinander, die auch zum Schnorcheln beliebt sind. Der eine ist eher eine mit einem kleinen See gefüllte Grotte, der andere ein weiter, nicht tiefer Kessel mit halbmondförmigem See am Rand. Wirklich schön zum Tauchen ist die wassergefüllte Höhle dazwischen. Es gibt zwei mit Schnüren markierte Tauchrouten. Es geht ständig hoch und runter, mal durch große Kavernen, mal eng durch Tropfsteine hindurch, mal im Dunklen (wenn man die Lampe mit der Hand bedeckt), mal im leuchtend blauem Licht. Und einmal tauchen wir mit dem Kopf aus dem Wasser und wir sind in einer kleinen Kammer mit Tropfsteinen, Fledermäusen und einem quadratmetergroßen Brunnenloch an der Decke.
Aktun Chen ist einer der überteuerten Freizeitparks, komplett mit Minizoo, Dschungelwandern und Zipline durch die Baumwipfel (alles kostet extra). Der Eingang ist auf halbem Weg zwischen Tulum und Playa del Carmen und leicht per Colectivo zu erreichen, wo man aber erst mal auf den Transport zur Rezeption (ca. 3 km staubige Piste) warten muss. Aktun Chen selbst ist eine ausnahmsweise weitgehend trockene Höhle, ganz hübsch, wenn sie nicht so teuer wäre. Interessant sind die vielen Baumwurzeln, die in dicken Bündeln vom Dach bis in den Boden reichen und daran erinnern, wie dünn das Höhlendach ist. Höhepunkt ist ein Höhlensee kurz vor dem Ausgang, über dem viele Tropfsteine hängen. Auf den Werbefotos sieht er einmalig schön aus, aber in meinem Fall war das Wasser nicht blau, sondern mit einer Schicht aus Staub und Blättern bedeckt.
Nach weiterem Warten werde ich zu einem anderen Cenote gefahren, zum Schnorcheln. Dieser ist wirklich sehr schön, klares blaues Wasser, viele Stalaktiten und Säulen. Allerdings gibt es den in der Werbung angekündigten unterirdischen Fluss nicht, gemeint ist ein Parcours zwischen den Tropfsteinen im Cenote. (In anderen Freizeitparks der Gegend gibt es die unterirdischen Flüsse tatsächlich, und natürlich auch in anderen Höhlen in aller Welt). Schnorchel und Maske sind im Preis inbegriffen, daher fand ich den Preis OK (ähnl. Grand Cenote). Auf den Transport zur Rezeption und weiter zur Straße musste ich selbstverständlich wieder warten (in der Summe fast 90 min).
Cenotes bei Valladolid und Chichén Itzá
Im Landesinneren ist der Grundwasserspiegel tiefer als nahe der Küste, entsprechend sehen die Cenotes ganz anders aus.
Der Cenote Zaki liegt mitten in der Stadt Valladolid und ist eine Art öffentliches Schwimmbad. Er ist kesselförmig, sehr groß und viel tiefer als die Cenotes bei Tulum, wobei ein Teil des Höhlendachs noch vorhanden ist. Auf der anderen Seite ist die Wand weniger steil und voller Vegetation. Das Wasser ist z.T. mehr als 100 m tief, der Grund ist nicht zu sehen.
Ein tiefer düsterer kreisrunder Schacht ist der Cenote Oxman auf der Hacienda San Lorenzo Oxman, ca. 3 km außerhalb von Valladolid. Trotz seiner Tiefe hängen die Wurzeln der am Rand wachsenden Bäume erstaunlicherweise bis ins Wasser hinab. Der Zugang ist über eine Betontreppe in einem engen Schacht daneben. Unten kann man sich mit einem Seil in Richtung Zentrum schwingen und ins Wasser springen. Das klare Wasser war fast schwarz (ohne direktes Sonnenlicht) und der Grund nicht zu sehen. Sehr schön.
Die beiden sehr schönen Cenotes von Dzitnub sind Luftlinie ganz in der Nähe von Oxmal, aber über eine andere Strasse zu erreichen. Der Cenote X’Kekén ist ein schöner Höhlensee mit blauem und relativ flachem Wasser und einigen Tropfsteinen, an der Decke ist nur ein kleines Brunnenloch. Der benachbarte Cenote Samulá ist eher wie eine Kirchenkuppel, mit einer Öffnung am höchsten Punkt. Das Wasser ist blau und nicht sehr tief. Beide sind sehr sehenswert.
Eine halbe Autostunde von Valladolid liegt die Maya-Ruine Ek’Balam, von der man in 1,5 km zu Fuß oder per Rad den Cenote X’Canché erreicht. Dieser ist wieder ein runder Schacht (weniger tief, weniger eng als Oxman und nicht so düster), wieder mit hinabhängenden Wurzeln. Der Zugang ist über luftige Holztreppen und -stege. Sehr schön.
Der Cenote Sagrado (Heiliger Cenote) in Chichén Itzá ist ebenfalls ein kreisrunder Kessel mit senkrechten Wänden, aber mit einem größeren Durchmesser und daher nicht so schachtförmig. Das Wasser ist voller Algen, was daran liegt, dass Archäologen einmal vergeblich versucht haben, ihn trockenzulegen, um leichter nach Opfergaben graben zu können.
Der Cenote Xtoloc in Chichén Itzá ist weniger spektakulär, eher ein See in einer bewaldeten Kuhle. Weitere Cenotes sind unter dem Grab des Hohepriesters und (was erst vor Kurzem Geophysiker mit einem Bodenradar festgestellt haben) auch unter der großen Pyramide El Castillo versteckt.
Etwa 2,5 km vom Eingang von Chichén Itzá direkt an der Straße nach Valladolid liegt der touristische Cenote Ik’Kil. Er ähnelt Oxman und X’Canché: schachtförmig und mit Baumwurzel, ein Teil des Dachs ist aber noch vorhanden. Nur leider ist fast die Hälfte der Seitenwand aus Beton, warum auch immer. Und sobald die erste Gruppe auftaucht, wird die Pumpe angestellt und zwei künstliche Miniwasserfälle tröpfeln von den Seiten hinab. Enttäuschend, völlig überbewertet.
Weiße Strände mit türkisfarbenem Meer, grandiose Maya-Ruinen, bunte Kolonialstädte und die faszinierenden Cenotes (Mexiko).
Yucatán bietet viele erstklassige Sehenswürdigkeiten. Da auch noch die Flüge nach Cancún sehr günstig sind, ist die Stadt idealer Ausgangs- oder Endpunkt einer Reise durch Mexiko (am besten in Kombination mit einem günstigen Inlandsflug).
Übrigens gönnt sich der kleine Bundesstaat Quintana Roo seine eigene Zeitzone: Den Touristen zuliebe gilt hier das ganze Jahr über die Sommerzeit.
Ich fahre von Cancún gleich weiter nach Tulum. Der Ort ist für seine Maya-Ruinen berühmt, die sehr schön direkt am Meer liegen. Dazu gibt es einen weißen Strand und in der Umgebung sehr viele Cenotes zum Schnorcheln oder Tauchen, die einen eigenen Artikel wert sind.
Eine Autostunde entfernt liegt die Maya-Ruine Cobá im Wald. Sie ist nicht so gut erhalten, interessant ist eher die Kombination mit dem Wald und der Blick von der großen Pyramide. Das im Reiseführer beschworene „Indiana-Jones-Feeling“ will sich nicht so richtig einstellen, dafür ist zu viel los. Die einzelnen Pyramiden und Tempel liegen weit auseinander, viele mieten daher ein Fahrrad. Zu Fuß brauche ich etwa 3 h, um alles zu sehen. Anschließend teile ich ein Taxi nach Valladolid.
Das hübsche Kolonialstädtchen Valladolid ist von tollen Cenotes umgeben und zudem ein guter Ausgangspunkt für Chichén Itzá. Die berühmte Maya-Ruine (mit starkem Einfluss der Tolteken) war beeindruckend und enttäuschend zugleich. Zum Glück war ich früh da (das erste Colectivo von Valladolid kommt kurz vor der Öffnung an), so konnte ich die ersten 2 h genießen. Aber leider darf man alles nur noch mit Abstand ansehen, man darf nirgends hinauf oder hinein. Besonders schade ist das beim Tempel der Krieger: Auf der Plattform liegt ein Chac Mool, der mit einem Teller in der Hand auf Opfer wartet, direkt dahinter zwei merkwürdig geformte Säulen, die aussehen, als ob sie zweimal geknickt wurden, sie stellen die gefiederte Schlange dar. Dieses Bild habe ich schon so oft gesehen, dass ich ganz Mexiko damit assoziiere, aber mit eigenen Augen sehen konnte ich es nicht.
Mit der Zeit füllt sich die Anlage mit Menschenmassen und entlang der Wege steht ein Stand mit Souvenirs neben dem anderen, sodass man sich eher wie auf einem Markt fühlt. Trotzdem beeindrucken die vielen Details der (z.T. blutrünstigen) Reliefs, die majestätische Pyramide, der große Ballspielplatz (und die Vorstellung, einen schweren Kautschukball ohne Hände oder Füße zu benutzen durch den Ring befördern zu müssen), der verspielte Puuc-Stil am sogenannten Kloster (überall Elefantenrüssel, obwohl die Mayas doch gar keine Elefanten kannten! Es handelt sich um die Nase des Regengottes Chak).
Die Ruhe, die Chichén Itzá fehlt, finde ich in Ek’Balam, eine halbe Stunde per Colectivo nördlich von Valladolid. Die Ruine ist viel kleiner und weniger gut erhalten, man sieht neben ein paar Tempeln und einer Pyramide auch formlose, mit Wald bewachsene Berge aus Steinen. Die Pyramide ist erstaunlich asymmetrisch. Sie hat überall Türen zu kleinen Räumen, die auf halber Höhe noch grandios mit Stuck umformt sind. Eine Tür ist ein riesiges zähnefletschendes Jaguarmaul, darüber stehen detailreiche Figuren. Und in der Nähe mal wieder ein Cenote zum Abkühlen…
Mérida ist eine lebhafte Großstadt, die trotz hübscher Kolonialbauten alles andere als museal wirkt. Einstöckige Kolonialhäuser dominieren die Straßen, dazwischen ein paar Hochhäuser, viel billiger Beton, ein paar prunkvolle Paläste und Kirchen. Werkzeugläden und Shops voller aus China importiertem Plunder, schäbige Garagen, über der Straße verknotete Stromleitungen, ein Gewusel von Menschen und trotzdem recht entspannt.
In der Nähe besuche ich die Maya-Ruinen Uxmal und Kabah (das quasi ein Vorort von Uxmal war). Beide sind deutlich älter als Chichén Itzá und sind in dem für diese Gegend typischen „barocken“ Puuc-Stil gebaut: viele Chak-Nasen usw. Uxmal ist grandios, gefällt mir besser als Chichén Itzá und wird trotzdem von weit weniger Touristen besucht. Ist ja auch weiter weg von Cancún…
Die herausgeputzte Altstadt von Campeche wirkt musealer als Mérida, trotzdem kommen kaum Touristen. Im Stadttor und den Bastionen der Mauer sitzen Piratenpuppen neben Kanonen, man glaubt fast, die Mauer wurde von und nicht gegen Piraten gebaut.