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Zur Geologie der bunten Berge rund um Salta (Argentinien)

Die spektakulär gefärbte Landschaft in Nordwestargentinien mit den Valles Chalchaquis und der Quebrada de Humahuaca ist nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch Zeuge einer interessanten geologischen Geschichte.

Cerro de los Siete Colores bei Purmamarca
Cerro de los Siete Colores bei Purmamarca

Ein Highlight für Argentinienreisende sind die Täler am Rand des Puna-Hochplateaus in der Nordwestecke des Landes, in den Provinzen Salta und Jujuy. Neben Kultur gibt es hier auch merkwürdig geformte Felsformationen und außergewöhnlich bunte Berge zu sehen: insbesondere in der Quebrada de Humahuaca (z.B. mit dem Cerro de los Siete Colores bzw. „Berg der sieben Farben“ bei Purmamarca und der Paleta del Pintor bzw. „Palette des Malers“ bei Maimara) und in den Valles Chalchaquis (die Täler nördlich und südlich von Cafayate, insbesondere mit der Schlucht Quebrada de las Conchas zwischen Cafayate und Alemania und der Quebrada de la Flecha bei Angastaco).

Quebrada de las Conchas
Quebrada de las Conchas

Die Gesteine sind überwiegend klastische Sedimente (Sandstein, Tonstein, Konglomerate etc.), die aufgrund der unterschiedlichen Gehalte an Hämatit, verschiedenen Tonmineralen usw. unterschiedlich gefärbt sind (dazwischen gibt es auch den einen oder anderen Kalkstein und Vulkanit). Allerdings sind diese Gesteine zu sehr verschiedenen Zeiten unter sehr unterschiedlichen Bedingungen abgelagert worden.

Quebrada de las Conchas
Quebrada de las Conchas

Bevor wir die Ablagerung dieser Sedimente verfolgen, müssen wir uns klar machen, dass diese erst spät durch tektonische Überschiebungen gegeneinander verschoben, verkippt und gefaltet wurden (die Anden gab es natürlich noch nicht). Oft fallen die Schichten steiler ein als der Hang, sodass die geologisch tiefen Schichten den oberen Teil eines Berges ausmachen können, während die geologisch höheren Schichten seitlich am Talrand liegen (das ist beispielsweise gut an der Paleta del Pintor bei Maimara zu sehen).

Paleta del Pintor und der Friedhof von Maimara, Quebrada de Humahuaca
Paleta del Pintor und der Friedhof von Maimara, Quebrada de Humahuaca, mit steilstehenden Sedimenten

Die ältesten Gesteine der Region, die Puncoviscana Formation, stammen aus dem Neoproterozoikum, genauer aus dem Ediacarium. Zu dieser Zeit gab es die ersten mehrzelligen Tiere, die am ehesten mit Quallen und Anemonen vergleichbar sind. Der Rand des Großkontinents Gondwana wurde damals vom Meer überflutet und in diesem Becken lagerten sich vor allem klastische Sedimente (Turbidite und pelagische Tonsteine) und vereinzelt Flachwasserkarbonate und Vulkanite ab. Diese Gesteine bauen heute vor allem die höheren (und weniger intensiv gefärbten, rötlichbraunen und grünlichgrauen) Bereiche der Bergrücken auf.

Purmamarca mit Cerro de los Siete Colores, Quebrada de Humahuaca
Purmamarca mit Cerro de los Siete Colores, Quebrada de Humahuaca

Zeitweise hob sich die Region wieder aus dem Wasser (keine Sedimentation), bevor im Kambrium in flachem Wasser vor allem Sandsteine abgelagert wurden (Mesón Gruppe, wobei die Wassertiefe wechselte). Hierzu gehört der größte Teil des Hangs der Paleta del Pintor und der unterste Teil des Cerro de los Siete Colores sowie das von hier nach Süden führende Tal.

Mehr über Gebirgsbildung und die Anden findet sich in meinem Buch Bewegte Bergwelt.

Bis zu diesem Moment haben wir es mit einem passiven Kontinentalrand zu tun, doch im Ordovizium kommen Subduktionszonen, Inselbögen und Kollisionen von Minikontinenten ins Spiel („Famatinian cycle“). Während es im Norden der Region nur zu einer leichten Metamorphose kam, wurden die Gesteine im Süden zu hochgradigen Gneisen umgewandelt und es kamen magmatische Gesteine wie Granite dazu. Betroffen ist vor allem die Region der heutigen Sierras Pampeanas (hohe und durch weite Becken getrennte Bergrücken zwischen Cafayate, Cordoba und San Luis).

Die kontinuierliche Subduktion ozeanischer Kruste unter den Kontinentalrand begann im Jura, wobei sich die Plattengrenze noch viel weiter westlich als heute befand: Die Magmatite des damaligen Vulkanbogens befinden sich heute an der Pazifikküste in Chile, der Bereich der heutigen Anden war noch nicht betroffen. Die abtauchende Platte raspelte später immer mehr vom Kontinent ab, die Plattengrenze und der Vulkanbogen verlagerten sich also immer weiter Richtung Argentinien.

Quebrada de las Conchas
Quebrada de las Conchas

Zunächst entstanden im Landesinneren jedoch in der Kreidezeit große Grabensysteme, die vermutlich als „Backarc“ zu deuten sind, d.h. die Dehnung geht auf den Zug der abtauchenden Platte zurück. Dazu gehörte der aus mehreren Becken bestehende Salta-Graben (das Stadtgebiet von Salta lag damals eigentlich auf einem Horst zwischen zwei Gräben), an den sich im Norden das Potosí-Becken anschloss. In der Kreide und im Paläogen wurde dieses Grabensystem mit bis zu 5000 m Sediment gefüllt (Salta Group): zunächst (synrift) gab es vor allem Schwemmfächer, Flüsse, Seen und ein paar Sanddünen, nach dem Ende der Dehnung drang im Paläogen zweitweise das Meer in die Becken ein (Flachwasserkarbonate), später gab es wieder Flüsse, Seen und Salztonebenen in einem mal feuchten und mal trockenen Klima. Die Gesteine der Berge beiderseits des Rio de las Conchas (Quebrada de Cafayate = Quebrada de las Conchas) gehören überwiegend zur Salta-Gruppe. An der Paleta del Pintor gibt es einen schmalen Streifen ganz unten am Talrand. Größere Schuppen mit Paläogen gibt es in den Bergen auf der anderen Talseite. Der größte Teil des Cerro de los Siete Colores gehört wohl zu den Postrift-Sedimenten. Ich habe verschiedene geologische Karten gesehen, die ihn entweder in die Kreide oder ins Tertiär stellen.

Die Berge auf beiden Seiten des Rio de las Conchas gehören überwiegend zur Salta Group
Die Berge auf beiden Seiten der Quebrada de las Conchas gehören überwiegend zur Salta Group

Die Hebung der Anden begann erst im Miozän (siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt). Die Dynamik der Subduktionszone führte zunehmend zu einer Kompression des Kontinentalrands, es kam zur Überschiebung von Gesteinsdecken Richtung Osten und einer entsprechenden Verkürzung und Verdickung der Kruste. Unsere Region war damals das Vorlandbecken am Rand dieses Gebirges, das den Erosionsschutt (Konglomerate, Sandsteine, Tonsteine) der Anden aufnahm (ein solches Vorlandbecken senkt sich unter der Last der Sedimente, sodass es trotz Ablagerung flach bleibt). Die Flüsse entwässerten damals in gerader Linie Richtung Osten.

Quebrada de Las Flechas südlich Angastaco, Valles Calchaquies: Sedimente des Vorlandbeckens, Miozän
Quebrada de Las Flechas südlich Angastaco, Valles Calchaquies: Sedimente des Vorlandbeckens, Miozän

Mit der Zeit änderte sich das Bild aber: die Verformung griff im späten Miozän ins Vorland über (ausgelöst durch eine flachere Subduktion). Der Hauptteil der Bewegung blieb zwar auf die Anden beschränkt, aber auch weiter östlich kam es zu Überschiebungen entlang von reaktivierten älteren Störungen. Die meisten dieser steilen Überschiebungen waren nach Osten gerichtet, vereinzelt gibt es aber auf der anderen Seite auch Rücküberschiebungen in die entgegensetzte Richtung, was insgesamt im Profil wie ein Schnitt durch einen Blumenkohl aussieht. Eine Reihe von langen Bergrücken begannen sich, durch intramontane Becken getrennt, zu heben. Ihre Geometrie ist von den älteren Strukturen vorgegeben. Allen voran sind dies die als Sierras Pampeanas bezeichneten „Vorberge“ der Anden zwischen Tucuman, San Juan, San Luis und Cordoba, die in der Sierra Famatima mehr als 6000 m Höhe erreichen, aber auch die Berge auf den Seiten der Quebrada de Humahuaca. Das einst weite Vorlandbecken löste sich nun in einzelne intramontane Becken auf, von Bergen getrennt. Anfangs konnte die Erosion der Flüsse mithalten und Täler einschneiden, aber letztlich wurden die Flüsse abgelenkt und flossen durch die Becken parallel zu den Bergen in Nord-Süd-Richtung.

Im Pleistozän waren die vorgelagerten Bergrücken so hoch, dass sie das Klima der Region änderten: Feuchte Luft regnet seither bereits östlich der Bergrücken ab (bzw. vor allem in Bolivien in den Yungas, die vorherrschende Windrichtung ist Nordost, in Nordargentinien wird der Wind in eine Richtung parallel der Berge abgelenkt). In den intramontanen Becken herrscht seither ein trockenes Klima.

Ungefähr zu dieser Zeit hob sich auch das Puna-Plateau stark und schnell (es ist ebenfalls in Bergrücken und Becken gegliedert, aber im Schnitt deutlich höher als das nördlich anschließende relativ ebene Altiplano).

Rand des Puna-Plateaus, Straße von Purmamarca Richtung Chile
Rand des Puna-Plateaus, Straße von Purmamarca Richtung Chile

Die klastische Sedimentation innerhalb der Becken änderte sich natürlich entsprechend im Zeitraum von Miozän bis Quartär. Insbesondere gibt es mehr grobe Konglomerate und neben Schwemmfächern und Sedimentation in Flüssen (mit geänderter Fließrichtung) lagerten sich auch große Bergstürze an den Rändern ab. An der Passstraße von Purmamarca Richtung Chile ist eine beeindruckene Terrasse mit quartären Konglomeraten zu sehen, in die sich der Fluss nach einer weiteren Hebung wieder eingeschnitten hat. In den Valles Chalchaquis von Cachi über Cafayate bis südlich von Amaicha sind neogene und quartäre Sedimente weit verbreitet.

Terrasse mit quartären Konglomeraten, Passstraße westlich Purmamarca
Terrasse mit quartären Konglomeraten, Passstraße westlich Purmamarca

Talampaya und Ischigualasto (Valle de la Luna)

Bizarre Felsen und die ältesten Dinosaurier der Welt (Argentinien)

Talampaya, Catedral
Talampaya, „Catedral“

Ungefähr in der Mitte zwischen den Städten San Juan und La Rioja befinden sich direkt nebeneinander der Nationalpark Talampaya und (durch die Provinzgrenze getrennt) das Naturreservat Ischigualasto („Valle de la Luna“). Talampaya ist besonders reich an Postkartenansichten mit bizarren Felsformationen, insbesondere einer tief in den Sandstein eingeschnittenen Schlucht und säulen- und pilzförmigen Felsen. Den einen oder anderen „Pilz“ gibt es in Ischigualasto ebenfalls, dieses Reservat ist aber aus einem anderen Grund für seine Geologie berühmt: Hier wurden neben anderen bedeutenden Fossilien die ältesten Dinosaurier der Welt gefunden.

El Monje, Talampaya
El Monje, Talampaya

Wir parken am Visitor Center von Talampaya, da das Innere des Parks nur in einer geführten Tour betreten werden kann. Die Standardroute dauert ca. 3 h und führt im Kleinbus durch den Cañon de Talampaya hindurch und auf der anderen Seite entlang hoher Felswände („Catedral“) zu drei besonders hohen „Pilzen“ (einer heißt „El Monje“). Unterwegs steigt man mehrfach für kurze Spaziergänge aus und sieht u. a. alte in den Fels geritzte Petroglyphen. Beeindruckend sind in der Schlucht die durch Wasser in die Wände eingeschnittenen senkrechten „Kamine“. Durch die Schlucht fließt nur nach starken Regenfällen ein Fluss, aber in geringer Tiefe gibt es Grundwasser, sodass hier mitten in der Wüste viele Bäume stehen. Ein schöner Kontrast zu den roten Konglomerat-/Sandsteinfelsen (Talampaya-Formation und darüber Tarjados Formation, beide Untertrias).

Canon de Talampaya mit Kaminen
Canon de Talampaya mit Kaminen

In der Region entstand ab Ende des Perms ein Grabensystem, in das in der Trias Sedimente abgelagert wurden. In der Untertrias waren das zunächst vor allem Schwemmfächer, später gab es Flüsse und Salzseen. Zu dieser Zeit liefen bereits merkwürdige Tiere durch die Gegend, die Dinosaurier gab es aber erst ab dem Karnium in der Obertrias.

Ischigualasto
Ischigualasto

Die entsprechenden Gesteine sind vor allem in Ischigualasto aufgeschlossen. Es handelte sich um eine Landschaft mit Flüssen und vielen Seen, durch die viele merkwürdige Reptilien stapften — nicht nur die ersten Dinos. Letztere waren noch in der Unterzahl und noch ziemlich klein. Der Herrerasaurus reicht mir gerade mal bis zur Hüfte, der Eoraptor nur bis zum Knie (beide waren fleischfressende Echsenbeckensaurier). Noch etwas kleiner war der Pisanosaurus (ein pflanzenfressender Vogelbeckensaurier). Andere Reptilien ihrer Zeit entsprachen zum Teil eher dem, was sich die meisten so unter einem Dino vorstellen: Insbesondere das bis zu 9 m große Urkrokodil Saurosuchus galilei. Am häufigsten waren aber zwei andere merkwürdige Tiere. Die Rekonstruktionen des Exaeretodon sehen aus wie eine Mischung aus Wildschwein und Hyäne, knapp 2 m groß. Es handelt sich um einen Cynodont („Hundezähner“), zu dieser Gruppe gehören auch die späteren Säugetiere. Der etwa 1 m lange Hyperodapedon hingegen sah aus wie ein Riesensalamander mit einem einzelnen Hasenzahn am Oberkiefer, es handelte sich dabei aber um ein Reptil.

Originalfossilien, rekonstruierte Skelette und lebensgroße rekonstruierte Modelle gibt es sowohl im Visitor Center des Reservats als auch im sehr sehenswerten Naturkundemuseum in San Juan, in dem man sogar den Paläolontologen bei der Arbeit zusehen kann.

Ansammlung von herausgewitterten Konkretionen: Cancha de Bochas, Ischigualasto
Ansammlung von herausgewitterten Konkretionen: Cancha de Bochas, Ischigualasto

Auch das Naturreservat Ischigualasto kann nur mit Führer besichtigt werden, aber hier fährt man im eigenen Auto in einem Konvoi, der Führer sitzt im ersten Wagen (das dauert ca. 3 h). Man sieht überwiegend wellenförmig erodierte hellgraue Tonsteine, aber auch ein paar pilzförmige Formationen (deutlich kleiner als im Talampaya) wie El Hongo und El Submarino (das einmal wie ein U-Boot aussah, leider ist ein großer Teil abgebrochen). Interessant ist Cancha de Bochas („Bocciabahn“), wo unzählige schwarze Kugeln (Konkretionen) auf dem Boden herumliegen. Unter einem Schutzbau sind auch teilweise freigelegte Fossilien in situ zu sehen.

El Hongo ("Pilz"), Ischigualasto
El Hongo („Pilz“), Ischigualasto

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Valles Calchaquíes (mit Quebrada de Cafayate, Cachi und Los Cardones)
Am Fuß des Aconcagua
Patagonien
Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen

Am Fuß des Aconcagua

Am höchsten Berg der Anden (Argentinien) — und dem höchsten außerhalb Asiens.

Aconcagua
Aconcagua

Aconcagua, mit 6962 m der höchste Berg außerhalb von Asien, befindet sich in den Anden knapp neben dem Grenzposten an der wichtigsten Passstraße zwischen Santiago de Chile und Buenos Aires. Von der Passstraße führt ein kleines Sträßchen in ein Seitental hinauf, bis zu einem Wanderparkplatz knapp unterhalb einer Reihe von kleinen Seen (der größte heißt Laguna de los Horcones). Vom kurzen Rundweg hat man einen guten Ausblick auf den Bergriesen. Besonders faszinierend ist der Hängegletscher, der wie ein riesiger Balkon quer vor der Bergwand hängt (rechte Seite). Früher befand sich dieser einmal als normaler Talgletscher hinter einem Bergrücken, der aber in einem gewaltigen Bergsturz ins Tal gerauscht ist — das Ergebnis sind die Hügel, zwischen denen sich die Seen befinden.

Die Anden werden weitgehend durch aktive Vulkane dominiert, weil die ozeanische Kruste des Pazifiks unter den südamerikanischen Kontinent abtaucht. Der Aconcagua befindet sich jedoch in einem Abschnitt ohne aktiven Vulkanismus, der vom wenig südlich der Passstraße gelegenen Vulkan Tupungato etwa 200 km nach Norden reicht. In dieser Zone wurden alte Sedimente und Vulkanite durch tektonische Bewegungen gehoben (der Aconcagua selbst besteht aus alten Vulkaniten, die Aktivität endete jedoch bereits im Miozän). Wie es zu dieser für die Anden ungewöhnlichen Geologie kam, erkläre ich ausführlich in meinem Buch Bewegte Bergwelt (Abschn. 4.3). Das hat übrigens auch mit den Kupferlagerstätten in Chile zu tun, siehe mein Buch Die Welt der Rohstoffe (Abschn. 4.4).

Schienen bei Puente del Inca
Schienen bei Puente del Inca

Wenige Kilometer die Passstraße abwärts übernachten wir in einem einfachen Hostel im Ort Puente del Inca — im blechernen Bahnhof der ehemaligen Schmalspurbahn. Die eigentliche sogenannte Inkabrücke befindet sich direkt daneben, allerdings wurde sie nicht von den Inkas gebaut, sondern sie ist rein natürlich durch Ablagerung von Sinterkalk entstanden. Etwas sehr ähnliches gibt es übrigens in Armenien.

Puente del Inca
Puente del Inca

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Talampaya und Ischigualasto (Valle de la Luna)
Patagonien

Wissenschaftliche Texte formatieren

Schriftsatz wie die Profis: Eine kurze Einführung in die Typographie für Naturwissenschaftler mit Bisstrichen, kursiven Variablen, Malzeichen und anderen Details

Wie sollten wissenschaftliche Texte formatiert werden? Seit ich als Lektor arbeite, setze ich mich immer häufiger mit Details der Typographie auseinander und lerne dabei immer mehr dazu, auch wenn die typographischen Feinheiten bei Büchern erst in der Setzerei umgesetzt werden. Zugleich fällt mir auf, dass die verschiedensten Autoren regelmäßig dieselben Fehler machen. Gut, dafür sind Lektoren da, aber manche schreiben ja auch Texte, die nicht vor der Veröffentlichung redaktionell bearbeitet werden. Grund genug, einmal die häufigsten Fehler in meinem Blog aufzuzählen. Wer es genauer wissen will, findet unten noch ein paar Links.

Ist das wirklich wichtig? Ein korrekt gesetzter Text ist wesentlich besser lesbar, denn auch wenn wir vielleicht beim Schreiben nicht auf Anhieb wissen, wie ein bestimmtes Detail gesetzt werden sollte, verstehen wir beim Lesen aus Gewohnheit intuitiv, was gemeint ist. Doch nicht nur der Lesefluss ist bei einem korrekt formatierten Text besser, auch Missverständnisse können vermieden werden. Was zum Beispiel bedeutet As, das Element Arsen oder die Einheit Amperesekunde (= Coulomb)? Ist IR jetzt Infrarot oder Stromstärke mal Widerstand wie im ohmschen Gesetz? Nebenbei klärt sich in diesem Artikel auch die Frage, warum der Formeleditor von Word einfach alles kursiv setzt und warum das trotzdem falsch ist. Aber der Reihe nach.

Ein paar Worte zu Sonderzeichen und Unicode

Es ist nicht lange her, da war eine andere Schrift wie „Symbol“ oder „Windings“ die einzige Möglichkeit, um griechische Buchstaben oder Sonderzeichen darzustellen. Das ist zum Glück vorbei. Der Grund lag in der Art und Weise, wie die Zeichen binär im damals verwendeten ASCII-Code codiert waren, was nur eine sehr geringe Anzahl an Zeichen möglich machte. Der neue Standard heißt Unicode und damit ist es möglich, alle möglichen Zeichen, ob Schriften aus aller Welt oder mehr oder weniger skurrile Sonderzeichen mit ein und derselben Schriftart darzustellen (zumindest wenn die verwendete Schrift dies unterstützt), z. B. auch ≤, ⊆, ⊥, ∠, →, ⇒, ↔ oder ℜ oder α, Φ oder 北京, दिल्ली, القاهرة oder auch ☠, ♥, ⚗. Es ist unbedingt empfehlenswert, dies zu nutzen und auf spezielle Schriften für Sonderzeichen zu verzichten! Das gilt insbesondere auch bei Manuskripten für Zeitschriften oder Bücher, weil Verlage meist bei der Vorbereitung für den Satz den gesamten Text in eine Unicode-Schrift (z. B. Arial Unicode) überführen. Mit „Symbol“ oder „Windings“ formatierte Zeichen werden dabei möglicherweise zu merkwürdigen Symbolen oder zu völlig falschen Buchstaben, die mühsam wieder korrigiert werden müssen.

Um ein Sonderzeichen (als Unicode) einzufügen, kann man einfach die Zeichentabelle verwenden:

Word: Einfügen → Symbole → Weitere Symbole;
LibreOffice: Einfügen → Sonderzeichen.

Leider ist diese Zeichentabelle nicht gerade übersichtlich, insbesondere wenn man ständig auf eine ganze Reihe von Sonderzeichen zugreifen muss.

Tipp: Unicode-Zeichen können in der Regel problemlos per copy and paste von einem Programm zum anderen kopiert werden, auch von Webseiten wie Wikipedia oder von diesem Artikel.

Der Code eines Unicode-Zeichens wird meist im Hexadezimalsystem mit einem vorangestellten „U+“ angegeben, manchmal stattdessen im Dezimalsystem. Z. B. ist Å U+212B (hexadezimal) bzw. 8491 (dezimal), ⩾ ist U+2A7E bzw. 10878, was leicht im Internet in Unicode-Tabellen nachgeschlagen werden kann. Ein Zeichen kann auch direkt per Tastatur eingegeben werden, mit Alt plus der dezimalen Nummer auf dem Nummernblock. Auf Laptops ist das aber wegen des fehlenden Nummernblocks nicht sehr praktisch.

Geschütztes Leerzeichen

Ein geschütztes Leerzeichen unterscheidet sich in zwei Punkten von einem normalen Leerzeichen: ein Zeilenumbruch ist an seiner Stelle nicht möglich (d. h. Zeichen davor und danach stehen immer in derselben Zeile) und es wird nicht (anders als ein normales Leerzeichen) im Blocksatz gedehnt.

  • In Abkürzungen wie z. B., z. T., d. h., u. ä., u. s. w. sollten immer geschützte Leerzeichen stehen, also bei allen Abkürzungen, die aus mehreren Wörtern bestehen (manchmal gibt es eine Kurzform mit nur einem Punkt und dann ohne Leerzeichen: usw.). Richtige Rechtschreibung mit schlechter Typographie wäre ein normales Leerzeichen, nach Duden falsch ist jedoch das häufig verwendete „z.B.“ ohne Leerzeichen. Vorsicht bei medizinischen Abkürzungen, i.v. (intravenös) ist ein Beispiel, wo kein Leerzeichen stehen darf, weil es sich nur um ein einziges Wort handelt.
  • Zwischen Zahl und Einheit sollte immer ein geschütztes Leerzeichen stehen: 1 m, 57 kJ, 15 °C, 10 % (wobei das bei % nicht ganz so streng genommen wird und häufig auch 10% zu sehen ist). Einzige Ausnahme: Winkelgrad immer ohne Leerzeichen, 90°.
  • Wenn bei Multiplikationen und auch innerhalb zusammengesetzter Einheiten das Malzeichen weggelassen wird, sollte an dessen Stelle ebenfalls ein geschütztes Leerzeichen gesetzt werden. Die Amperesekunde A·s sollte dann A s geschrieben werden (womit die Verwechslung mit As für Arsen ausgeschlossen ist). Auch ist dann klar, ob m für „Milli-“ oder „Meter“ steht, weil ja der erste Fall kein Leerzeichen bekommt.
  • Wenn eine Formel nicht freigestellt ist, sondern im Text steht, empfiehlt sich ebenfalls die Verwendung von geschützten Leerzeichen, sodass auf jeden Fall die gesamte Formel in einer Zeile steht und nicht umgebrochen wird. Übrigens: x > 2 mit Leerzeichen, Länge ist >2 m ohne Leerzeichen (> gehört hier zur Zahl, genau genommen wird hier ein Thinspace eingefügt).

Im Englischen wird das (geschützte) Leerzeichen oft weggelassen, also e.g. und 3%.

In Word oder LibreOffice wird ein geschütztes Leerzeichen mit Strg+Umschalt+Leertaste erzeugt. Leider wird es in Word, wenn „alle Zeichen anzeigen“ (¶) angeschaltet ist, als ° angezeigt, z. B. 4°m und 5°°C.

Malzeichen

  • Bitte nie den Stern * als Malzeichen verwenden! Einzige Ausnahmen sind Praxisbücher über Excel und abgedruckter Code von Computerprogrammen.
  • In deutschsprachigen Publikationen sollte der Malpunkt · (Unicode U+22C5) verwendet werden (bitte keine dickeren Punkte, bzw. ein halbfetter Punkt kann für das Skalarprodukt stehen). Leider gibt es dafür keine Taste, ich füge ihn per copy and paste ein. Dummerweise wird bei Word, wenn „alle Zeichen anzeigen“ (¶) angeschaltet ist, das Leerzeichen genauso dargestellt wie der Malpunkt, was das Korrekturlesen erschwert.
  • In englischsprachigen Publikationen wird meist das Malkreuz × (Unicode 215) bevorzugt. Im Deutschen ist dieses dem Vektorprodukt („Kreuzprodukt“) vorbehalten.
  • Wichtig: Auf keinen Fall darf der Buchstabe x anstelle des Malkreuzes × verwendet werden!
  • In deutschsprachigen Texten kann das Malkreuz bei Länge-mal-Breite-Angaben (3 × 5 cm) verwendet werden, manchmal wird es bei Zehnerpotenzen bevorzugt (3,6 × 10-3), notfalls wenn irgendwo ×3 als Faktor steht.
  • Bei „3-mal täglich“ u. ä. besser kein Malzeichen

Variablen, Konstanten und Formeln

Physikalische und mathematische Variablen und Konstanten sollten immer kursiv gesetzt werden, also Variable x, Spannung U, Energie E, Lichtgeschwindigkeit c, Konzentration c, Boltzmann-Konstante kB, Gleichgewichtskonstante K, Durchlässigkeitsbeiwert kf etc. Bei einer Funktion wie f(x) = 2 sin α xn ist sofort klar, was Variablen sind und was nicht (das f für Funktion ist ebenfalls kursiv). Besonders wichtig wird dies, wenn in eine Formel Werte mit Einheiten (nicht kursiv) eingesetzt werden. Und I R steht für Stromstärke mal Widerstand, nicht für Infrarot. Das ist übrigens der Grund, warum der Formeleditor von Word automatisch alles kursiv setzt, was natürlich auch wieder falsch ist.

Man beachte, dass tiefgestellte Indizes wie H bei der Halbwertszeit tH oder eff bei der effektiven Spannung Ueff für Begriffe stehen, nicht für Variablen, und daher nicht kursiv gesetzt sind — es gibt aber auch kursiv gesetzte Indizes, die für eine Variable stehen. Im Satz wird übrigens dazwischen ein schmaler Zwischenraum (Thinspace) eingefügt.

Man kann sich durchaus den Kopf darüber zerbrechen, wie weit man gehen will. Z. B. ist das H in pH-Wert eigentlich eine Variable und tatsächlich steht in manchen Büchern pH-Wert. Und das passt ja auch zum Säureexponent pKs. Trotzdem finde ich, dass pH-Wert besser aussieht. Auch für Variablen stehende griechische Buchstaben werden häufig nicht kursiv gesetzt.

Einheiten stehen hingegen nie kursiv, darauf bitte insbesondere beim Verwenden des Formeleditors achten! Ein sehr häufiger Fehler ist übrigens, dass Autoren im Text bei Einheiten (und auch bei kurzen Formeln) vergessen, nach einem „/“ (also „unter“ dem Bruchstrich) Klammern zu setzen – vielleicht weil sie die richtig gesetzte Formel mit echtem Bruchstrich vor Augen haben, wo diese natürlich nicht notwendig sind.

Auch nicht kursiv sind cos, exp, log und andere Operatoren. Das trifft streng genommen auch auf das „d“ in „dx“ bei Integralgleichungen zu, was allerdings etwas merkwürdig aussieht. In sehr vielen Büchern ist es kursiv gesetzt, also dx.

Bei Variablen bzw. in Formeln ist unbedingt darauf zu achten, dass ähnliche Zeichen beim Schreiben nicht verwechselt werden (passiert erstaunlich häufig): 1, l und O, 0 (Zahl bzw. Buchstabe), ß, β (scharfes s und kleines Beta), T, Τ, τ (lat. T und griech. großes und kleines Tau), n, η (lat. n, griech. kleines Eta), v, u, ν, υ (lat. v, u, griech. kleines Ny, griech. kleines Ypsilon), x, X, ×, Χ, χ (lat. kleines und großes x, Malkreuz, griech. großes und kleines Chi). Z. B. steht das kleine Chi χ für den Stoffmengenanteil (Molenbruch), das kleine Tau τ für die Scherspannung und auch für die Zeitkonstante bei elektrischen Kondensatoren. Der „Kringel“ beim Normalpotential E0 ist kein Gradzeichen und auch nicht o wie Otto, sondern eine hochgestellte Null.

Punkte und Kommas

In deutschsprachigen Texten als Dezimalzeichen bitte immer das Komma verwenden (auch in den dazugehörigen Tabellen): 3,14159, der Punkt ist als Tausendertrennzeichen üblich (bei ≥10.000) z.B. 1.500.000. Manche Verlage (und der Duden) verwenden hier stattdessen ein geschütztes Leerzeichen. Im Englischen muss stattdessen der Punkt als Dezimalzeichen stehen, 3.14159 und ein geschütztes Leerzeichen als Tausendertrennzeichen.

Übrigens ein häufiger Fehler: Im Deutschen steht bei einer Aufzählung wie dies, das, jenes etc. vor dem „etc.“ kein Komma (anders als im Englischen).

Striche

Bei Strichen liegt der Teufel im Detail, obwohl es eigentlich ganz einfach ist: Für all die verschiedenen Striche – Gedankenstriche, Bindestriche, Bisstriche, Auslassungsstriche, Gegenstriche und Trennstriche – werden im Deutschen nur zwei Zeichen verwendet. Der kürzere von beiden ist „-“ (Setzer sprechen von Divis oder Viertelgeviertstrich), er wird einfach mit der „Minustaste“ erzeugt. Er wird für Bindestriche (High-Spin-Komplex, d-d-Elektronenübergang, Schrödinger-Gleichung) und als Trennstrich (Silbentrennung am Zeilenende) verwendet. Man beachte, dass bei Verknüpfungen wie 500-ml-Erlenmeyerkolben, Van-der-Waals-Kräfte die gesamte Verknüpfung mit Bindestrichen „durchgekoppelt“ wird. Übrigens sehe ich sehr häufig Bindestriche, wo eigentlich das Wort zusammengeschrieben wird.

Der längere ist „–“ (Halbgeviertstrich, Unicode U+2013 bzw. dezimal 8211), er dient als Bisstrich und als Gedankenstrich. Leider gibt es für diesen keine Taste, die einfachste Möglichkeit auf einem Laptop ist, in Word einfach „Wort Leerzeichen Minus Leerzeichen Wort“ zu tippen und normalerweise macht der Autokorrektor dann einen korrekten Gedankenstrich daraus. Oder man tippt Strg+Minustaste auf dem Nummernblock.

Vor und nach einem Gedankenstrich – etwa so – stehen immer Leerzeichen. Ein Bisstrich wird laut Duden ohne Leerzeichen gesetzt wird: 3,5–7,2 m, S. 17–23 (Ausnahme: wenn mehrere Wörter und Leerzeichen beteiligt sind, 8. März – 1. Mai). Laut DIN-Norm wird auch bei Bisstrich auf beiden Seiten ein Leerzeichen gesetzt. Verlage halten sich an die eine oder die andere Regel. (Ein häufiger Fehler: wenn eine Formulierung mit „zwischen“ beginnt, bitte „zwischen 3,5 und 7,2“, nicht „bis“).

Der längere Strich „–“ kann auch in einer Tabelle in einer leeren Tabellenzelle stehen (für nicht vorhandene oder bewusst ausgelassene Daten). Oder im Sport für „gegen“.

Beim Minus − handelt es sich um einen dritten Strich, der genauso aussieht wie der Querbalken im Plus: − +. Es unterscheidet sich nicht nur in der Länge von den anderen beiden Strichen, es liegt auch noch ein klein wenig höher. Um ein typographisch korrektes Minus einzugeben, muss man sich eine komplizierte Tastenkombination merken und dann die Finger auf der Tastatur verrenken, denn schließlich erzeugt die sogenannte Minustaste statt einem Minus einen Viertelgeviertstrich. Wer nicht gerade einen Artikel selbst mit LaTeX setzt, wird es vermutlich bei der normalen Minustaste belassen und darauf vertrauen, dass der Verlag die Zeichen austauscht.

Um das Ganze noch komplizierter zu machen: in anderen Sprachen werden noch andere Striche mit unterschiedlicher Länge verwendet. So ist der amerikanische Gedankenstrich noch länger: — Und er ist im Internet auch auf deutschen Seiten verbreitet, weil sich die Programmierer der Content Management Systeme darüber anscheinend keine Gedanken gemacht haben (so auch die deutsche Version von WordPress, die ich verwende). Diese Systeme „korrigieren“ oft auch andere Striche automatisch, aber nicht immer im Sinne des Autors oder der deutschen Regeln.

Probleme mit den ganzen Strichen kann auch die Autokorrektur in Word machen, die einen Strich manchmal plötzlich in einen anderen (zu kurzen oder zu langen) verwandelt.

Verschachtelte Klammern

Ineinander verschachtelte Klammern sind nicht schön. Laut Duden werden Erläuterungen zu einem eingeklammerten Satz (z. B wenn es um die WTO [Welthandelsorganisation] geht) in eckige Klammern gesetzt. Ich verstehe das allerdings nicht so, dass innerhalb einer runden Klammer immer eine eckige stehen muss, bei Literaturangaben z. B. sieht das sehr merkwürdig aus (etwa Neukirchen et al. [2016]). Und wenn in einer Klammer ein Zitat mit runder Klammer steht, wird daraus eine eckige Klammer, die in Zitaten eigentlich Anmerkungen oder Auslassungen markiert?

Generell ist es empfehlenswert, verschachtelte Klammern zu vermeiden. Ist es nicht möglich, den Inhalt der äußeren Klammer stattdessen weiter hinten als eigenständigen Satz folgen zu lassen? Oder in der Klammer stattdessen mit Kommas arbeiten? Bei Literaturangaben darf die innere Klammer übrigens einfach weggelassen werden (Neukirchen et al. 2016).

Auf keinen Fall sollten in mathematischen oder chemischen Formeln runde durch eckige Klammern ersetzt werden, nur weil die Formel im Text in einer Klammer steht. In beiden Fällen haben eckige Klammern nämlich eine Bedeutung. Bei chemischen Formeln markieren sie Komplexe oder Strukturelemente wie Siliziumoxidtetraeder.

Auch nicht schön, aber meines Wissens nicht falsch sind zwei direkt aufeinanderfolgende Klammern (z. B. Anmerkung gefolgt von) (Literaturverweis oder Copyright). Oft kann diese so umgestellt werden, dass eine Klammer weiter vorne steht.

Anführungszeichen

Die deutschen „Gänsefüße“ haben auf der linken Seite die Form 99 (Position unten) und rechts die Form 66 (Position oben). Alternativ gibt es auch eine »spitze« Variante. Die Position und Form der Anführungszeichen ist von Sprache zu Sprache verschieden. Bei Verwendung der Taste " wandelt die Autokorrektur von Word dieses normalerweise in das richtige Zeichen um, solange man beim Tippen die Reihenfolge von Leerzeichen, Anführungszeichen, Wort, Anführungszeichen, Leerzeichen richtig macht und die richtige Sprache eingestellt ist.

Fußnoten

Während Fußnoten in den Geisteswissenschaften in großer Menge verwendet werden, sind sie in den Naturwissenschaften sehr selten. Tatsächlich sind sie unnötig, da wir Literaturverweise wie Neukirchen (2016) im Text stehen haben und die ausführliche Angabe im Literaturverzeichnis steht. Und inhaltliche Anmerkungen sollten besser im Text stehen (in einer Klammer oder als für sich stehender Satz), da eine Fußnote in diesem Fall den Lesefluss stört.

Begriffe in anderen Sprachen

Je nach Fachrichtung werden Begriffe in anderen Sprachen entweder in Anführungszeichen oder — bei Naturwissenschaften häufiger — kursiv gesetzt. Die Begriffe werden dabei in Originalschreibweise belassen, auch was die Groß- und Kleinschreibung betrifft (im Englischen fast alles klein, selbst wenn die Abkürzung aus Großbuchstaben besteht). Etwa Mantel (coat), laser ablation, Periglazial von lat. peri etc. In der Biologie sind auch wissenschaftliche Namen wie Phascolarctos cinereus kursiv. Selbst das „et al.“ wird manchmal kursiv gesetzt.

Nicht kursiv sind fremdsprachliche Begriffe, die ihren Weg in die deutsche Sprache gefunden haben. Das betrifft vor allem jene, die im Duden stehen (Hotspot, Wellness), aber auch andere häufig verwendete Fachbegriffe im jeweiligen Fachgebiet. Sie werden wie deutsche Begriffe verwendet (Substantive groß), High-Spin-Komplex, Borderlinestörung. Da es auch vom Thema des Textes und der Zielgruppe abhängt, ob es sich um einen häufig oder weniger häufig verwendeten Begriff handelt, fällt die Entscheidung für eine Schreibweise nicht immer leicht, auf jeden Fall muss sie konsequent im ganzen Text gleich sein.

Verschiedenes

  • Buchtitel werden oft kursiv gedruckt, mit der Ausnahme von berühmten Büchern wie der Bibel oder der Magna Carta.
  • Symbole für chemische Elemente sind nie kursiv — mit einer Ausnahme, nämlich wenn bei einer Verbindung ein sog. Lokantenatom angegeben ist, etwa bei N-Ethylanilin. Gemeint ist, dass die Ethylgruppe am N sitzt.
  • Bruchzahlen sollten immer wie ¼, nicht wie 1/4 gesetzt werden.
  • Schrägstrich wie bei und/oder ist ohne Leerzeichen, wenn auf beiden Seiten nur ein Wort steht / mit Leerzeichen bei mehreren Worten.
  • Tabellenzellen beginnen immer mit einem Großbuchstaben.
  • Marsh’sche Probe, Schmidt’sches Netz u. ä. ist alte Rechtschreibung. Das ist nach der neuen Rechtschreibung noch immer möglich, aber nicht mehr empfohlen. Stattdessen: marshsche Probe, schmidtsches Netz, darwinsche Evolutionstheorie.

Anmerkung

Das Thema Literaturverzeichnis ist einen eigenen Artikel wert. Auch generell ließe sich zu Typographie noch deutlich mehr sagen, Ligaturen bspw. kamen noch gar nicht vor. Viele weitere Details finden sich unter den unten aufgeführten Weblinks.

Wie genau man beim Satz vorgeht, ist trotz aller Normen sicherlich auch eine Frage des Geschmacks (bei einer Masterarbeit oder Veröffentlichung im Selbstverlag), des dafür geplanten Budgets (das von einem Verlag bei einem Lehrbuch für Studenten ganz anders geplant wird als bei einem Fachbuch in kleiner Auflage) und der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit. In vielen Fällen werden selbst große Verlage Kompromisse zwischen perfektem Satz und großem Arbeits- und Kostenaufwand eingehen. Hinzu kommt, dass manche Feinheiten von Verlag zu Verlag und auch von Fachgebiet zu Fachgebiet unterschiedlich gehandhabt werden.

Links

2. Auflage: Die Welt der Rohstoffe

Nach nur 2 Jahren erscheint in diesen Tagen die 2. Auflage des Buchs Die Welt der Rohstoffe, das ich zusammen mit Gunnar Ries geschrieben habe. Unser durchaus unkonventionelles Konzept — ein Drahtseilakt irgendwo im Spannungsfeld zwischen populärwissenschaftlichem Sachbuch, Lehrbuch und Nachschlagewerk, mit dem wir ein sehr heterogenes Publikum ansprechen wollten — ist offensichtlich gelungen.

Florian Neukirchen, Gunnar Ries
Die Welt der Rohstoffe
Lagerstätten, Förderung und wirtschaftliche Aspekte
 
2. Aufl. November 2016, Springer
Gebunden, 356 Seiten, ISBN 978-3-662-48241-4
Ebooks: PDF, Kindle

Wer bereits die 1. Auflage im Regal stehen hat, kann beruhigt sein: Verbessert wurden einige kleine Schreibfehler, inhaltlich hat sich fast nichts geändert. Und die „erhöhte Ozonstrahlung“ (S. 238, statt „durch Bildung einer Ozonschicht vor der erhöhten UV-Strahlung“) hat bestimmt den einen oder die andere zum Lachen gebracht. Das Glossar haben wir um ein paar Einträge ergänzt und der Abschnitt zu Sand (S. 319) ist etwas länger geworden.

Ein kurzes Erratum zur 1. Auflage

  • Unter Schichtgebunden nach „oder auch diskordant die betreffende Schicht durchschneiden“ sollte „Chimneys“ statt „Mantos“ stehen, Mantos sind schichtparallel (Kasten S. 4)
  • Bouguer statt Bouger (S. 18)
  • allochthon, autochthon mit th (mehrfach)
  • alkalisch statt alkalin (mehrfach)
  • Als Kajal verwendeten die alten Ägypter wohl Stibnit, nicht Galenit (S. 57)
  • [BiS3]3- (S. 72, Minus fehlt)
  • Das „slate belt hosted gold“ entstand im Phanerozoikum, nicht Proterozoikum (S. 159)
  • Abb. 4.30: Die Beschriftung ist in der 1. Auflage z.T. etwas verrutscht (S. 177)
  • Bei einer Diskordanz liegen die oberen Schichten natürlich nicht zwangsläufig flach (S. 200)
  • de la Sal statt del la Sal (S. 256)
  • Stokes Gesetz, nicht Strokes (S. 262)
  • Neukaledonien liegt nordöstlich von Brisbane, nicht nordwestlich (S. 269)
  • Die Angaben des Heizwerts in Abb. 6.4 sind in MJ/kg, nicht kJ/kg (S. 280)
  • Tunguska-Becken bei Norilsk, nicht bei Kursk (S. 283)
  • Wealden, nicht Wealdon (S. 307)
  • Bei der Formel von Gips auf S. 318 fehlt das Wasser
  • Na2CO3 statt NaCO3, K2CO3 statt KCO3 (S. 321)

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Passend dazu ist dieses Frühjahr mein Buch Von der Kupfersteinzeit zu den Seltenen Erden: Eine kurze Geschichte der Metalle erschienen. Ursprünglich war ein historisches Kapitel in Die Welt der Rohstoffe geplant, musste aber aus Platzgründen gestrichen werden. Stattdessen bin ich tiefer in die Materie eingestiegen und habe ein ganzes Taschenbuch daraus gemacht.

Am Golf von Porto (Korsika)

Wanderungen an der schönsten Bucht der schönen Insel mit Calanche di Piana, Cabo d’Orto, Capu Rossu, Monte Senino

Golf von Porto von Monte Senino
Golf von Porto von Monte Senino

Die Bucht von Bergen gesäumte Bucht von Porto halte ich für eine der schönsten Ecken Europas, auch wenn Porto selbst relativ langweilig und sehr touristisch ist. Die Calanche di Piana, die Felslandschaft an der Straße zwischen Porto und Piana, sind sogar UNESCO-Weltnaturerbe. Die Granitfelsen sind zu bizarren Formen erodiert, wobei neben Türmen und Scharten häufig sogenannte Tafoni zu sehen sind. So wird eine spezielle Erosionsform genannt, bei der das Innere eines Granitblocks herausgewittert ist, während das Äußere teilweise als harte Schale übrig ist. (Siehe auch mein Buch Bewegte Bergwelt.)

Tafoni am Cabo d’Orto
Tafoni am Cabo d’Orto

Kaum ein Tourist lässt sich einen Spaziergang vom Parkplatz Tete du Chien (mit einem Tafoni in Form eines Hundekopfs) zum Chateau Fort entgehen (1 h hin und zurück). Noch mehr los ist 500 m weiter ab dem Restaurant Les Roches Bleues auf einem etwa 1 km langen Abschnitt der Straße, es wimmelt nur so von Fußgängern, jede Parkbucht ist belegt und Autos halten auch noch an jeder Kurve mitten auf der Straße, damit ein Foto geschossen werden kann. Zu Recht, aber umso erstaunlicher ist es, wie wenig auf dem etwas höher verlaufenden Maultierpfad los ist, der fast noch schönere Blicke auf Felsen und Meer hat. Er beginnt 300 m westlich von Les Roches Bleues neben einer Madonnastatue. Nach einem kurzen steilen Anfang geht es relativ flach weiter, dann hinunter zum einem Fußballplatz, von dem man wieder zur Straße kommt, der man nach rechts zum Ausgangspunkt folgt (1:30 h Rundweg).

Maultierweg durch die Calanche
Maultierweg durch die Calanche

Der Parkplatz an diesem Fußballplatz ist auch der Ausgangspunkt zur Besteigung des Cabo d’Orto, des Berges, der von Porto aus unbezwingbar aussieht. Wir machen einen Umweg über den Sattel Foce d’Orto, von wo eine steile, mit Steinmännern markierte Route steil durch die Felsenwelt hinaufführt und vor dem letzten Gipfelanstieg auf den Normalweg trifft. Oben haben wir einen tollen Rundumblick auf die Buchten und auf die Berge von Zentralkorsika.

Blick vom Cabo d’Orto
Blick vom Cabo d’Orto

Übrigens unterscheiden sich die Granite bei Porto von den „normalen“ kalkalkalischen Graniten, die weite Teile der Insel aufbauen. Es handelt sich um einen Ringkomplex, der durch mehrere schnell nacheinander in geringe Tiefe eindringende Magmapulse gebildet wurde. Das passierte anorogen im Perm, nach der variszischen Gebirgsbildung, während der die meisten anderen Granite der Insel entstanden. Dieser Ringkomplex besteht aus drei konzentrisch angeordneten Einheiten. Im Inneren bei Ota (ein Dorf talaufwärts von Porto) befindet sich ein Gabbro. Er ist von einem hellen Granit umgeben, der noch weitere Gabbroschlieren enthält. Da dieser helle Granit leicht verwittert, entspricht diese Einheit etwa dem Talverlauf. Der äußere Ring mit rötlichem Granit baut die steilen Berge auf beiden Seiten von Porto auf, auch Cabo d’Orto und die Calanques gehören dazu. Es ist denkbar, dass sich oberhalb des Ringkomplexes damals ein Caldera-Vulkan befand: Fast zeitgleich entstanden in der Nähe zwei Calderen, Scandola (siehe unten) und Monte Cinto.

Calanche
Calanche

Der genuesische Wachturm auf dem Capu Rossu, am südlichen Ende des Golfs von Porto, ist eine beliebte Kurzwanderung. Los geht es an einem Parkplatz an der kleinen Straße, die von Piana Richtung Plage d’Arone führt. Der Weg geht ein gutes Stück abwärts und dann in einem weiten Bogen hinauf, ist aber von der Hitze abgesehen relativ einfach (ca. 3 h hin und zurück). Beeindruckend ist der Blick das hohe Kliff hinunter. Capu Rossu ist ein kleiner peralkalischer Granit, der ebenfalls anorogen intrudierte.

Capu Rossu
Capu Rossu

Am anderen Ende des Golfs von Porto befindet sich der markante Monte Senino, den das Meer an drei Seiten umspült, da sich dahinter die Bucht von Girolata anschließt. Diese Wanderung (ca. 4 h) ist deutlich kniffliger als die anderen Routen, aber der Blick auf Meer und Berge außergewöhnlich schön. Start ist der Parkplatz am Pass Bocca a Croce an der Hauptstraße. Entlang des Rückens folgt man einem Fahrweg bis zu einem weiteren Pass und zweigt dort auf einen Pfad in den Wald ab. Es geht steil aufwärts durch einen Wald, mit immer wieder tollen Blicken auf den Golf von Girolata. Der Weg ist nicht immer deutlich zu sehen, aber gut mit Steinmännern markiert. Das letzte Stückchen auf den Gipfel der Punta Castellacciu ist leichte Kletterei. Dies war erst der Vorgipfel, aber die meisten scheinen hier umzukehren: Der weitere Weg ist kaum als Pfad auszumachen und wir brauchen immer mal wieder eine Weile, um den nächsten Steinmann zu finden. Es geht steil hinunter in den Sattel und an diesem meist auf der Südseite auf und ab zwischen Felstürmen und Abgründen. Ein kurzes Stück geht es durch eine enge schluchtähnliche Rinne, aus der man am oben ein paar Meter herausklettern muss. Dann folgt der eigentliche Gipfelanstieg, der wieder leichter ist.

Auf dieser Wanderung sieht man über den Golf von Girolata hinüber auf das Naturreservat Scandola. Geologisch handelt es sich dabei um den Rest eines Vulkans, ebenfalls aus dem Perm: Eine mit Ignimbriten, Laven, Tuffen, Laharen und Gängen gefüllte Caldera (Basalt und Rhyolith), wobei nur ein Randstück erhalten ist und wir uns den größten Teil der Caldera im Meer denken müssen. Monte Senino selbst ist ein kleiner Vulkan, der vermutlich mit dieser Caldera im Zusammenhang steht.


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Geologie von Korsika
Auf dem GR20 durch Korsika
Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen

Calenques bei Cassis

Die Buchten Calanque d’en Vau, Calanque de Port Pin und Calanque de Port-Miou

Calanque de Port Pin
Calanque de Port Pin

Die Küste zwischen Marseille und Cassis zeichnet sich durch hohe Kliffs aus Kalkstein und vor allem durch lange schluchtähnliche Buchten aus, den Calenques. Das Gebiet ist zwar Nationalpark, aber an einem Sommerwochenende ist man hier alles andere als allein… Um die Calenques bei Cassis zu erkunden, ist mindestens ein halber Tag einzuplanen — lieber ein ganzer, da es viele Möglichkeiten zu lohnenden Umwegen gibt.

Unsere Wanderung beginnt an einem großen Parkplatz am Stadtrand von Cassis, auf der Halbinsel zwischen Mittelmeer und dem Calanque de Port-Miou. Diese schmale fast 1 km lange Bucht verläuft fast parallel zur Küste und wird als Yachthafen benutzt. Wir umrunden das Ende von Port-Miou und folgen dem anderen Ufer bis zur Mündung ins Meer, wo wir hinter einer schmalen Halbinsel auf das Ende der nächsten Bucht treffen: der hübsche Calanque de Port Pin. Noch beeindruckender ist allerdings der Calanque d’en Vau, der wegen seiner hohen Felswände oft mit Fjorden verglichen wird. Wer möglichst schnell zum Strand an dessen Ende gelangen will, nimmt vom Ende des Calanque de Port Pin den nicht zu übersehenden GR-Wanderweg hinauf zu einem Sattel und steigt auf der anderen Seite auf einem steilen Pfad in eine Schlucht ab. Diese folgt man etwa 700 m abwärts bis zum Wasser. Eine schönere Variante folgt dem Calanque de Port Pin nach Südwesten und dann hoch über dem Calanque d’en Vau nach Nordwesten, bis man den bereits genannten Sattel erreicht.

Calanque d’en Vau und Plateau de Castel Vieil  von l'Oule
Calanque d’en Vau und Plateau de Castel Vieil von l’Oule

L’Oule ist ein empfehlenswerter Aussichtspunkt mit einem grandiosen Blick auf den Calanque d’en Vau, die felsige Halbinsel Plateau de Castel Vieil und die Nachbarbucht. Dieser ist etwas abgelegen, was den Vorteil hat, dass kaum jemand hinauf geht. Wo der steile Pfad vom Sattel in der Schlucht des d’en Vau ankommt, folgt man der Schlucht etwa 500 m aufwärts und biegt auf dem ersten Weg nach links ab. Man steigt zum Col de l’Oule auf, an dem eine Straße endet und mehrere Wege abzweigen. Auf dem Bergrücken wandert man wieder etwa 700 m nach Süden bis zur Kante.

Übrigens haben die Calanques eine ähnliche geologische Vergangenheit wie der Comer See und die anderen großen Seen der Südalpen: im Miozän trocknete das Mittelmeer zeitweise komplett aus (von der sogenannten Messinischen Salinitätskrise zeugt eine dicke Salzschicht in den Sedimenten im Mittelmeer). Flüsse schnitten Schluchten in das Relief (die später bei steigendem Meeresspiegel gefüllt wurden) und zugleich entstanden im Kalkstein zahlreiche große Höhlensysteme. Durch die Höhlen münden heute zahlreiche unterirdische Flüsse in die Buchten, die stärkste Quelle befindet sich im Port-Miou.

Roussillon und Gordes (Provence)

Ocker, Lavendel und malerische Dörfer

Gordes
Gordes

Zwischen Apt und Avignon liegen in den Hügeln nördlich des kleinen Luberon zwei malerische Dörfer, die geradezu auf dem Punkt bringen, was man sich so unter „Provence“ vorstellt. Die aus hellem Kalkstein gebauten Häuser von Gordes klammern sich an Steilhänge, die an drei Seiten um den Ortskern mit Kirche und Burg zu einer Ebene abfallen. Auf den trockenen und verkarsteten Hügeln der Umgebung wachsen Oliven und Mandeln. Etwa 10 km entfernt auf der anderen Seite dieser Ebene liegt, ebenfalls auf einem Hügel, das kleine Dorf Roussillon mit geduckten roten Häuser.

Roussillon
Roussillon

Hier ist die Geologie ganz anders: statt dem für die Provence typischen Kalkstein steht hier ein stark alterierter Sandstein an, der intensiv gelb, orange oder rot gefärbt ist und vor allem zur Herstellung von Farbpigmenten abgebaut wurde. Der Sentier des Ocres ist ein Spaziergang durch die ehemaligen Steinbrüche. Dieser kostet zwar Eintritt, lohnt sich aber sehr: Der weiche Sandstein ist nicht nur intensiv gefärbt, sondern auch zu bizarren Formen erodiert.

Ocker bei Roussillon
Ocker bei Roussillon

In der Umgebung beider Dörfer gibt es auch einige Lavendelfelder, die ja geradezu ein Provence-Klischee sind. Besonders hübsch ist das Feld am Zisterzienserkloster Notre-Dame de Sénanque, ein paar Kilometer nördlich von Gordes.

Notre-Dame de Sénanque mit Lavendel
Notre-Dame de Sénanque mit Lavendel

Übrigens befindet sich hinter den Hügeln (Luftlinie wenige Kilometer) die Karstquelle Fontaine-de-Vaucluse, die zur Zeit der Schneeschmelze beeindruckend sein muss. Im Sommer ist der Wasserstand aber so niedrig, dass nur ein kleiner See in einem Höhlentor zu sehen ist, aus dem das Wasser das erste Stück durch den Untergrund fließt. Und um das zu sehen, muss man ein gutes Stück zwischen Souvenirläden, Eisdielen und mit Beton umbauten Wasserrädern marschieren.

Wanderung durch die Verdonschlucht

Auf dem Sentier Martel durch den „Grand Canyon der Alpen“, eine der tiefsten und schönsten Schluchten Europas (Frankreich)

Verdonschlucht von der Route des Crêtes
Verdonschlucht von der Route des Crêtes nahe Belvedere de la Dent d’Aire

Der „Grand Canyon“ des Verdon ist zwar nicht die tiefste Schlucht Europas (die Taraschlucht auf dem Balkan ist tiefer), aber ohne Frage eine der eindrucksvollsten. Die Gorges du Verdon in der Provence schneiden sich bis zu 700 m in ein Hochplateau am Rand der Alpen ein. Die hohen Felswände auf beiden Seiten, Kalksteine aus dem Jura und der Kreide, sind beliebte Kletterfelsen. Wer als Wanderer in die Schlucht absteigen will, ist hingegen auf eine einzige Route beschränkt, auf den Sentier Martel, der in etwa 6 Stunden vom Chalet de la Maline längs durch die Schlucht zur Pointe Sublime führt.

Verdonschlucht: Couloir Samson von der Pointe Sublime
Couloir Samson von der Pointe Sublime

Zwischen Ausgangs- und Endpunkt der Wanderung fährt in der Saison mehrmals täglich ein Bus, außerdem gibt es Taxis und auch Trampen wäre eine Möglichkeit. Wir parken morgens an der Pointe Sublime und erwischen zufällig den Bus zum Chalet de la Maline. Die kleine Hütte liegt an der sehr empfehlenswerten Panoramastraße Route des Crêtes (siehe unten), am südlichen Ende des tiefsten Abschnitts der Schlucht. Von hier steigt der relativ gut ausgebaute Weg fast bis zum Fluss hinab und folgt diesem anschließend flussaufwärts. Es geht ständig auf und ab, manchmal ziemlich steil, was den Schweiß in Strömen fließen lässt. Im Sommer ist es sehr heiß hier, ohne einen Hauch von Wind. Insbesondere eine größere Flussschlaufe wird über einen hochgelegenen Aussichtspunkt „abgekürzt“, auf der anderen Seite geht es über eine steile Eisentreppe durch die Felsspalte Brèche d’Imbert wieder hinab. Ein guter Rastplatz am Fluss mit Ausblick ist der Plage des Fères. Danach beginnt eigentlich der tiefste Teil der Schlucht, der aber von unten nicht so spektakulär aussieht wie von oben, da hier die Felswände nicht sehr weit nach unten reichen und wir stattdessen über mit Büschen bewachsene Hänge queren. Erst im oberen Teil, im Bereich Trescaire, reicht die hohe Felswand Barre de l’Escalès zu uns hinab und es wird wieder enger und eindrucksvoll. Nicht ganz so tief, aber besonders eng ist der letzte Abschnitt, das Couloir Samson. Hier führt der Weg durch zwei Tunnels, die einmal für ein Wasserkraftwerk gebaut worden waren. Der zweite ist 700 m lang und stockfinster, eine Taschenlampe ist daher unbedingt notwendig. Ein kurzer Abzweig im Tunnel führt zur Grotte Baume aux Pigeons, einem Kolk in der engen Schlucht mit faszinierendem Blick. Kurz nach dem Tunnelausgang erreichen wir einen Parkplatz am Ende einer kurzen Stichstraße, senkrecht darüber ist der Aussichtspunkt Pointe Sublime. Zu Fuß führt ein steiler Weg in etwa einer halben Stunde zum oberen Parkplatz, der an der Hütte Pointe Sublime an der Hauptstraße liegt.

Verdonschlucht: Couloir Samson von der Route des Crêtes
Verdonschlucht: Tiefblick von der Route des Crêtes am Belvedere de Trescaire

Am nächsten Tag fahren wir eine Runde über die Panoramastraße Route des Crêtes, die man auf keinen Fall auslassen sollte. Anfangs- und Endpunkt der Straße befinden sich am Dorf la-Palud-Sur-Verdon, wobei die Straße nur im Uhrzeigersinn befahren werden kann, da sie (bis auf das letzte Stück zwischen Chalet de la Maline und Dorf) eine Einbahnstraße ist. Es geht von einem Aussichtspunkt zum nächsten und es lohnt sich wirklich, alle paar Kurven aus dem Auto zu springen. Der erste Aussichtspunkt ist Belvédère de Trescaire: links das enge Couloir Samson, nach unten ein Tiefblick in einen besonders engen und tiefen Teil der Schlucht, rechts das Nordende der hohen Felswand Barre de l’Escalès. Das andere Ende dieser Felswand ist etwa 2 km entfernt am Belvédère de la Dent d’Aire, an dem häufig Kletterer zu sehen sind. Auch der Blick von hier nach Süden ist eindrucksvoll, dieser Abschnitt ist etwas breiter, aber besonders tief. Einige Kurven weiter vom Belvédère du Tilleul ist der tiefste Teil der Schlucht von der anderen Seite zu sehen. Von hier schraubt sich die Straße hinunter zum Chalet de la Maline, folgt der Schlucht noch viele Kurven und Aussichtspunkte weiter und kehrt schließlich zum Ausganspunkt zurück.


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Bewegte Bergwelt: Gebirge und wie sie entstehen
Roussillon und Gordes
Calenques bei Cassis